Der Bundestag beschließt das Tarifeinheitsgesetz und was passiert? Nichts! Die SPD beschneidet die Arbeitnehmerrechte immer mehr und die Arbeitnehmer finden es auch noch dufte. Kein wirklicher Aufschrei in der SPD, keine Basis, die sich gegen das Gesetz stellt. Der heutige Tag beweist zwei Dinge:
- Erstens: Die SPD ist keine Arbeiterpartei mehr. Sie ist weit weg von der Arbeiterbewegung, aus der sie mal entsprungen ist. Sie ist nur noch Wirtschaftspartei, ein Abklatsch der CDU, deren Gesetze sie auch willenlos mit abnickt. Daran ändert auch ein Mindestlohn nichts, der sowieso verschiedene Gruppen diskriminiert.
- Zweitens: Dem Großteil der Arbeiter in Deutschland sind ihre Arbeitnehmerrechte egal. Sie haben den neoliberalen Schwachsinn, der in den letzten Jahrzehnten auf sie losgelassen wurde, aufgesaugt und glauben jetzt, dass ihre Arbeitsplätze nur dann sicher sind, wenn die Unternehmen möglichst große Freiheiten haben und die Profite immer mehr steigen.
Armes Deutschland!
Gewerkschaften müssten jetzt Proteste organisieren
Aber es gibt ja Gewerkschaften, die zumindest offiziell gegen das Tarifeinheitsgesetz sind. Wenn das stimmt, hätten sie im Hintergrund schon lange Proteste organisieren müssen. Sie hätten heute, nachdem das Gesetz beschlossen wurde, auf die Straßen gehen und den Verantwortlichen in der Regierung zeigen müssen, was sie von diesem Gesetz halten. Aber da ist nichts. Keine spontane Demonstration vor dem Bundestag, kein Bruch mit der SPD, die als Partei der Arbeiterbewegung nicht mehr ernst genommen werden kann, keine empörten Reaktionen.
Deutschland macht einfach weiter, reagiert gar nicht auf die Beschneidung des Streikrechts, merkt gar nicht, dass dies ein weiterer Schritt zur Stärkung der Arbeitgeber und zur Schwächung der Arbeitnehmer ist. Eine Politik also, die schon mit den Arbeitsmarktreformen der SPD begonnen hat und die immer weiter getrieben wird. Am Ende könnten wir uns dann in einem Machtverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wiederfinden, welches die Arbeiterbewegung eigentlich schon lange überwunden hatte. Und die SPD kämpft an vorderster Front für die Arbeitgeber – nicht für die Arbeitnehmer, wie es eigentlich zu erwarten wäre.
Jetzt muss gekämpft werden
Um diese Entwicklung aufzuhalten, muss die Arbeiterbewegung das Kämpfen wieder erlernen. Die GDL hat es vorgemacht, sie hat gezeigt, wie Arbeitskampf geht. Was die GDL nicht geschafft hat, ist, zu vermitteln, dass dieser Arbeitskampf ein Kampf für alle Arbeitnehmer war. Sie konnte leider nicht die Solidarität aufbauen, die jetzt nötig wäre, damit ein Großteil der Arbeiterbewegung sich gegen die Einschränkungen ihrer Rechte auflehnt.
Natürlich ist mir bewusst, dass es die „Arbeiterbewegung“ als einheitliche Gruppe nicht gibt, aber jeder, der die Arbeitnehmerrechte verteidigen möchte, muss jetzt aktiv werden. Die Einschränkung des Streikrechts zeigt klar, wo die Reise hingeht und deswegen ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem die Arbeiter wieder für ihre Rechte kämpfen müssen. Dazu gehört auch, dass sich auch die Erwerbslosen endlich organisieren und zusammen mit den Erwerbstätigen kämpfen. Kämpfen um die Grundrechte für die Erwerbslosen und kämpfen für die Arbeitnehmerrechte, die sowohl für die Erwerbslosen wie die Erwerbstätigen gelten.
Kommentare 8
Generalstreik!
Wenn die SPD so weiter macht landet sie in FDP-Größenordnung oder drunter.
Nicht nur der Betriebsfrieden ist gefährdet. Es kommt dieses Gesetz einem Verbot der freien Wahl einer Gewerkschaft gleich.
Die GDL hat es vorgemacht, sie hat gezeigt, wie Arbeitskampf geht.
Tatsächlich gelten Arbeitskämpfe, wie ihn GdL und Bahn führen, als aus der Zeit gefallen:
http://www.ardmediathek.de/tv/Themen-der-Woche-Deutschlandfunk/Letztes-Aufb%C3%A4umen-Wenn-ein-Arbeitskamp/Deutschlandfunk/Audio-Podcast?documentId=28474316&bcastId=21582620
Ich sage nicht, dass die Kommentatorin recht hat. Aber sie ist gewiss nicht die Einzige, die es so sieht. Außerdem wäre es kein Fehler, darüber nachzudenken, ob Sturheit bis zum Gehtnichtmehr heute noch das Mittel der Wahl ist.
Dessen ungeachtet ist es natürlich richtig, dass man die SPD gerne an der Spitze derjenigen sehen würde, die sich Gedanken um die Rechte der Arbeitnehmer machen. Stattdessen machen Nahles und Gabriel mit der Gegenseite gemeinsame Sache. Das ist schändlich und wird die SPD vermutlich unter 25% drücken. Aber was nützt das denn? Es kann doch nicht darum gehen, die SPD kaputt zu machen! 25% sind 25%. Die müssen diejenigen, die zu recht mit Gabriel und Nahles hadern, erst einmal auf die Beine bringen. Daher mein Rat: Reformiert die SPD zu einer modernen Arbeitnehmerpartei, statt sie kaputt zu machen.
Am besten gleich ans BVerfG durchreichen. Dort landet es am Ende sowieso.
Die Sache ist m.E. offen. Denn:
Zitat:
Das Bundesverfassungsgericht geht demgemäß in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß Art. 9 Abs. 3 GG die Koalitionsfreiheit nur in ihrem Kernbereich schützt. Das Grundrecht räumt den geschützten Personen und Vereinigungen keinen inhaltlich unbegrenzten und unbegrenzbaren Handlungsspielraum ein (BVerfGE 38, 386 (393)). Der Gesetzgeber ist berufen, die Tragweite der Koalitionsfreiheit dadurch zu bestimmen, daß er die Befugnisse der Koalitionen im einzelnen gestaltet und näher regelt. Dabei kann er den besonderen Erfordernissen des jeweils zu regelnden Sachverhalts Rechnung tragen. Allerdings dürfen dem Betätigungsrecht der Koalitionen nur solche Schranken gezogen werden, die zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten sind. Regelungen, die nicht in dieser Weise gerechtfertigt sind, tasten den durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Kerngehalt der Koalitionsbetätigung an...
(BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 –, BVerfGE 58, 233-256, Rn. 47 (fett und kursiv von mir))
Zitatende
Die Frage ist also, ob durch das Tarifeinheitsgesetz der Kernbereich der Koalitionsbetätigung angetastet wird. Wenn man annimmt, dass das Gesetz eine Schranke zieht, die zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten ist, hält es. Ich vermute aber mal, es wird kommen wie so oft: Das Gericht wird ungefähr sagen: Grundsätzlich kann der Gesetzgeber so etwas machen, aber nicht so, wie er es gemacht hat. Inbesondere muss er auf die Belange der - zulässigen - sog. Spartengewerkschaften Rücksicht nehmen, was er nicht gehörig beachtet hat. Regelungen, die - auch nur indirekt - darauf hinauslaufen, den Spartengewerkschaften das Wasser abzugraben, tasten den Kernbereich an und sind daher verfassungswidrig. Das Gesetz muss daher Raum für die reguläre Betätigung von Spartengewerkschaften lassen. Nur wenn und wo deren Tätigkeit quasi automatisch zu einer Störung des Betriebsfriedens führt, sind Eingriffe des Gesetzgebers zulässig. Eine solche Störung liegt nicht schon dann vor, wenn es als Folge des Vorhandenseins von Spartengewerkschaften in einem Betrieb zu unterschiedlichen Tarifabschlüssen für die Angestellten derselben Berufsgruppe kommen kann.
PS:
Ich vermute, dass das BVerfG die Sache noch vor der Wahl 2017 entscheiden wird; zumindest wird man wissen, wohin es tendiert. Daher kann die SPD nur verlieren, denn egal ob das Gesetz verfassungsgemäß oder verfassungswidrig ist - es fällt immer auf die SPD zurück. Wenn es verfassungswidrig ist, ist das eine krachende Niederlage für Nahles und die SPD. Und wenn es verfassungsgemäß ist, wird man es als Verrat an der Arbeitnehmerschaft ansehen. Wie auch immer: Nahles und Gabriel haben 2017 fertig.
Was Sorge macht, sind erste Anzeichen dafür, dass Leute wie Lammert sich bereits jetzt Gedanken machen, wie sie dem Bundesverfassungsgericht an die Karre fahren können, also seine Möglichkeiten einschränken können.
Das sehe ich entspannt, denn Angriffe von Politikern auf das BVerfG haben, so lange ich mich erinnere, noch nie gefruchtet. Auch Lammert und seine Freunde haben schlicht nicht das Format dazu.
mir kommt das groko.