Der Unfreihandel – die heimliche Herrschaft von Konzernen und Kanzleien“ ist zum Glück nicht so verschwörungstheoretisch wie der Titel klingt. Besonders das geplante Abkommen zwischen der EU und den USA erhitzt zurzeit die Gemüter. Über Transatlantic Trade and Investment Partnership oder kurz TTIP ist nicht alles bekannt, denn die Verhandlungen werden im Geheimen geführt.
Neben mangelnder Transparenz wird der große Einfluss, den Lobbyisten auf die Verhandlungen üben, kritisiert. Vieles von dem, was doch bekannt geworden ist, greift die Zeit-Redakturin Petra Pinzler in ihrem Buch auf und veranschaulicht mögliche Folgen. Besonders gelungen sind ihre Ausführungen zum internationalen Schiedsrecht und den Kanzleien, die es vertreten. Pinzler zeigt auf, welche Interessen die beteiligten Kanzleien vertreten und wie die Schiedsgerichte funktionieren. Besonders brisant ist, dass es sich um ein reines Privatrecht handelt, das abermals unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird. Auch haben lediglich private Akteure das Recht Staaten zu verklagen, umgekehrt nicht. Die Öffentlichkeit kann nur verlieren. Für die Kanzleien, die sich mit diesem Privatrecht auseinander setzten, ist es dagegen ein lukratives Geschäft.
Kein irrsinniges Projekt
Abgesehen von diesem starken Teil wirkt das Buch jedoch wie eine Ansammlung einzelner Zeitungsberichte, ein roter Faden ist selten erkennbar. Dass Pinzler sich regelmäßig selbst versichert, keine Marktskeptikerin zu sein, macht das Ganze nicht besser. Dass Deutschland so viel exportiert, weil die Reallöhne und damit der Inlandskonsum seit Hartz IV immens eingebrochen sind und sich erst schrittweise erholen, liest man nicht. Dementsprechend wird auch nicht von der flachen These abgewichen, dass man sich bei TTIP zwischen ‚Markt‘ und ‚Gesellschaft‘ entscheiden müsse.
Nur angedeutet wird schließlich, dass zu einem funktionierenden Markt aber nicht nur Produzenten, sondern auch Konsumenten gehören. Und dass TTIP kein irrsinniges Projekt zur Entfesselung eines wild gewordenen Welthandels ist, sondern das Ziel verfolgt, das weltweite Kapital besser zu reproduzieren, scheint der Autorin auch nicht klar zu sein. Ein bisschen mehr Marx hätte dem Buch ganz gut getan.
Info
Der Unfreihandel: Die heimliche Botschaft von Konzernen und Kanzleien Petra Pinzler rororo 2015, 288 S., 12,99 €
Kommentare 1
"Ein bisschen mehr Marx hätte dem Buch ganz gut getan."
Hätten sie ja mal kurz nachhohlen können , oder?
An ttip kritik rumkritisieren ist wirklich klasse. Zu was soll das gut sein? Soll das noch ne falasche Debatte mehr zur Ermächtigung des Kapitals werden?
Merke lieber Autor: Die Lage ist so beschissen, dass jede Kritik an TTIP besser ist als keine - selbst die einer ZEIT Autorin. Diese Bemerkung hätte ihrem Artikel ganz gut getan.
Alle die das noch noch begriffen haben , haben TTIP noch nicht begriffen. Es geht um die Offizialisierung einer Machtübernahme durch die , die die Macht bereits weitlich und zum Nachteil der meisten Missbrauchen.
Ich bin übrigens "Marktskeptiker", und dafür brauch man sich nicht schämen , bei dieser Art des "Marktes". Denn der ist lediglich ein Euphemissmus für einen totalitären Kapitalismus als Ausschlußprinzip, ein legalisierten Wirtschaftskrieg , eine Herrschaft der Wirtschaft über die Gesellschaft... und daher weht sicher auch der Wind , wenn man sich zwischen Markt und Gesellschaft entscheiden soll. Dazu sollten Sie zB. mal das Standardwerk von Polanyi lesen, sich historisch informieren sozusagen usw.
Dass dieser totalitäre Kapitalismus allerdings nur noch künstlich beatmet wird und ganz dringen vertraglich wenigstens in trocken Tücher muss, nachdem es 98 mit dem MAI partout nicht klappen wollte ... und dann auch noch in einer Form etwa wie beim Lissabon Vertrag , der so konzipiert wurde , dass er praktisch nie wieder verändert werden kann, weil alle Beteiligten der selben Veränderung einstimming zustimmen müssten etc. ...davon kein Wort hier in der Kritik an der Kritik. Man hätte mehr sagen können, wenn man schon mal das Wort hat ...
Was sich keiner zu bereden traut ist zB. die Frage : Wer wird denn eigentlich gegebenenfalls noch auf die Einhaltung dieser TAFTA, TISA usw. Verträge achten können , müsssen, sollen ... und was wird denn da überhaupt eingehalten werden müssen ausser Ohnmacht?