Es ist die Aufgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, uns Deutschen die Demokratie zu lehren. Das dies nicht immer gesittet und freundlich vonstatten geht liegt, wie man so schön sagt, in der Natur der Sache. Dass die Politpädagogen aus Bonn aber ein Buch unter dem Titel "Linksextremismus in Deutschland" auf den Markt werfen, während Rassisten überall in Deutschland Flüchtlingsunterkünfte anzünden, zeugt von einem Mangel an Feingefühl, der selbst dem alten Antikommunisten Winston Churchill ein Kopfschütteln abgerungen hätte. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist jedoch noch nicht das schlimmste am Buch. Das Schlimmste ist der Inhalt des Buches selbst.
Verfasst von Armin Pfahl-Traughber, seines Zeichens Professor an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung zu Brühl, ist es eine Amalgamierung von Allgemeinplätzen und Floskeln. Es stützt sich dabei auf die Prämisse, die im Grunde allen Extremismustheorien zugrunde liegt: nämlich, dass die parlamentarische Demokratie nicht nur die Krone der Schöpfung politischer Systeme bildet, sondern auch, dass sie essentiell gewaltfrei ist und jeder, der etwas anderes behauptet – ob links oder rechts, ist zweitrangig – tendenziell gefährlich ist und außerdem den Pluralismus gefährdet. Soviel Selbstgerechtigkeit muss sein.
Von solchen unwissenschaftlichen und quasi-religiösen Anrufungen der Demokratie ist seine Betrachtungen des Phänomens Extremismus im Allgemeinen geprägt. Hier beginnt ein Gewaltmarsch durch alles, was irgendwie linksextrem riecht: (in dieser Reihenfolge) Marxismus nebst Leninismus, Trozkismus, Stalinismus, Maoismus und Luxemburgismus; Anarchismus; die Geschichte der KPD, der DKP, der Partei 'Die Linke'; der RAF und die Bewegung 2. Juni; sowie Autonomen als Organisationsform und Subkultur. Abschließend gibt es noch einem Vergleich zwischen Linksextremisten in Europa. Selbst wenn der Autor sich Mühe gegeben hätte, den betrachteten Phänomenen gerecht zu werden, wäre das Projekt – gepresst auf 250 Seiten – zum Scheitern verurteilt gewesen. Pfahl-Traughber begnügt sich aber einzelne Versatzstücke zusammenzuklauben um seine These zu stützen, dass Linksextremisten nicht pluralistisch und gegen die Demokratie seien. Worin eigentlich ihre Kritik am bestehenden Wirtschafts- und Herrschaftssystem besteht, bleibt im Dunklen.
Besonders merkwürdig fällt dabei die Beschreibung des Klassenkampfes nach Marx aus: Der Autor behauptet die Unternehmer strebten eine Steigerung ihrer Gewinne auf Kosten der Arbeiter an, diese aber eine Erhöhung ihrer Löhne auf Kosten der Unternehmer. Es ist nicht auszuschließen, dass hier Marx mit Verdi-Chef Frank Bsirske verwechselt wurde. Über Marx' Analyse des Kapital- als Ausbeutungsverhältnis, Klassenbewusstsein und Reproduktionsbedingungen fällt kein Wort.
Pfahl-Traghber hat ein weiteres Mal gezeigt, was die Extremismustheorie ist: eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Extremismustheoretiker. Warum die Bundeszentrale für politische Bildung sich mit so etwas abgibt ist ein Rätsel. Dennoch eine positive Bemerkung zum Schluss: In der Einleitung des Buches schreibt der Professor, man möge ihm das exzessive Zitieren eigener Texte nicht als Eitelkeit auslegen. In der Tat: Sollten diese von ähnlicher Qualität sein, kann man daran nichts eitles finden.
Kommentare 9
Guter Artikel. Vor allem der Hinweis darauf das die BpB nicht wirklich neutral ist, sondern systembezogen. Trotzdem ist die BpB nicht perse schlecht, nur weil sie dieses unsägliche Buch promotet ...
Nicht jeder Rassist ist ein Rechtsextremist und nicht jeder, der unser Wirtschaftssystem kritisiert ist Linksextremist.
Auf diesen Unterschied geht der Artikel leider nicht ein.
Na ja, wen wundert's?
Was Merkel (inkl. ihrer fleißigsten Vasallen Schäuble und de Maiziere) macht, kann man doch einstweilen als Demokratie-Terrorismus bezeichnen. Und warum deshalb nicht mal schnell solch ein verklärendes Buch beisteuern? Ist doch "in"! Und wenn überhaupt, dann kommt für Merkel Gefahr nur von links.
Diese Bonzenmagd veranstaltet seit Jahren eine Scheindemokratie als Show, während in ihren Hinterzimmern der Abriss der Grundrechte voran getrieben wird.
Vornherum wird zuglerich damit gedroht, dass sein Existenzrecht verliert, was nicht "marktkonform" ist.
Aber ultrakriminelle Banken retten? Laut Merkel "alternativlos". Nie sah man sie engagierter!
Es wird geschwiegen und gelogen; aus Hörigkeit und purer Machtgier, siehe NSA-Skandal / "No-Spy".
Es wird eine Politik betrieben, die Gewalt und Kriege unterstützt, Menschen in Not und Verzweiflung treibt und letztlich VERtreibt. Egal, Hauptsache der Euro rollt. Später rollen die Flüchtlingszüge. Und dann lässt sich diese abgebrühte Heuchlerin auch noch PR-wirksam als Retterin darstellen. Bravo!
Verträge, die Investor-Staats-Klageverfahren vorsehen, mit denen ganze Staaten erpressbar werden – Merkel ist natürlich begeisterte Anhängerin.
Was nicht Obrigkeitshörig ist, oder nicht zur Finanzmafia gehören will, wird bis aufs Blut bekämpft – siehe Syriza und Eurokrise. Auch dazu werden wir auf das Übelste immer wieder damit belogen; dass wir von den faulen Griechen angeblich ausgenommen werden. Das Gegenteil ist die Wahrheit!
Geschwiegen wird von Merkel –selbstverständlich– auch zu der Ungeheuerlichkeit, dass Europas Konservative mit allen Mitteln versuchen die Privatisierung von Wasser durchzudrücken.
Und die "Qualitätsmedien" lügen und verschweigen und verdrehen nahezu allesamt mit, diese erbärmlichen, feigen, quotengeilen Hunde.
Aber schön, dass diese falsche Schlange Merkel so beliebt ist, ganz besonders bei den Ahnungslosen, und ihren neoliberalen Schmutz ungehindert immer weiter in die Umwelt absondern kann.
Wie bescheuert kann ein Volk eigentlich sein?
Schaut auf diese Unrepublik (Republik kommt bekanntlich von res publica). Unser Staat ist seit Merkel Schritt für Schritt nicht mehr Sache des Volkes. DDR reloaded.
Also Deutschland, fahr' zur ..... , du willst es schließlich nicht anders.
Interessante Audio-Beiträge hierzu:
http://www.deutschlandfunk.de/colin-crouch-die-bezifferte-welt-von-demokratieverlust-und.1310.de.html?dram:article_id=330436
aber auch
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2015/09/07/dlf_20150907_1927_682de696.mp3
thx für den crouch link * am sonntag gab es dies bei ttt
Colin-Crouch-und-sein-neues-Buch- ttt* feinste restwoche cp
thx für die "dunkle seite der macht" bei der bpb * ach, ich find es ja fast verzeilich wenn die bpb mal voll daneben liegt * ernsthaft als naumann stiftungs stipediat, als prof an der fachhochschule für öffentliche verwaltung kann er ja eher nix für die irgendwie beruflich begründete rechts/links schwäche, die erscheint mir hausgemacht * prof und theoretiker da kann ein klares feindbild extrem hilfreich sein * im himmelreich der b besoldung umgeben mit der dienerschaft des staates (studierende = beamte auf widerruf) ist einfach schluss mit lustig * feinsten resttag noch cp
Nun ja, das wäre ja auch nicht die Aufgabe des Rezensenten gewesen, sondern die eines Armin Pfahl-Traghber.
Der "ehrenwerte" Herr Professor Pfahl-Traughber war (und ist) nicht nur - wie auch andere seiner Zunft - lange Jahre "Grenzgänger" zwischen Wissenschaft und Schlapphutträgern gewesen, sondern stand um 2004 sogar offiziell auf der Gehaltsliste des BfV. Interessant dazu ist ein "Spiegel"-Artikel: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-38627560.html.
"Wes' Brot ich ess', ..." - oder: Noch Fragen?
Nunja, hinzufügen könnte man noch, dass das Buch ein »Insiderjob« war: der Autor ist seit x-Jahren tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. Dass man angesichts der Involvierung der Behörde in den Terrorismus des rechtsextremen NSU krampfhaft den Blick nach links lenkt, ist nicht mehr als folgerichtig: Das »Amt« hat etwas Pause vom NSU-Dauerskandal sicher nötig. Und Merkel–Gabriel–Schäuble–Gauck dürfte die Fokussierung auf die Antiausteritäts-Opposition im Land sicher ebenfalls gelegen kommen.
Wer sagt, dass das auch stimmen muß, was man in der Situation zwischen zwei Buchdeckel kleistert?
"Vom Standpunkt von Tangenten und Sekanten liegt das Zentrum extrem."
Georg Christoph Lichtenberg