Extremismustheorie extrem

Verriss Die Bundeszentrale für politische Bildung hat ein Buch zum Linksextremismus veröffentlicht und fasst dabei in die unterste Schublade des Wissenschaftsbetriebes
Bedrohung des Linksextremismus (2.v.l), hier in Frankfurt a.M. am 18. März 2015.
Bedrohung des Linksextremismus (2.v.l), hier in Frankfurt a.M. am 18. März 2015.

ODD ANDERSEN/AFP/Getty Images

Es ist die Aufgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, uns Deutschen die Demokratie zu lehren. Das dies nicht immer gesittet und freundlich vonstatten geht liegt, wie man so schön sagt, in der Natur der Sache. Dass die Politpädagogen aus Bonn aber ein Buch unter dem Titel "Linksextremismus in Deutschland" auf den Markt werfen, während Rassisten überall in Deutschland Flüchtlingsunterkünfte anzünden, zeugt von einem Mangel an Feingefühl, der selbst dem alten Antikommunisten Winston Churchill ein Kopfschütteln abgerungen hätte. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist jedoch noch nicht das schlimmste am Buch. Das Schlimmste ist der Inhalt des Buches selbst.

Verfasst von Armin Pfahl-Traughber, seines Zeichens Professor an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung zu Brühl, ist es eine Amalgamierung von Allgemeinplätzen und Floskeln. Es stützt sich dabei auf die Prämisse, die im Grunde allen Extremismustheorien zugrunde liegt: nämlich, dass die parlamentarische Demokratie nicht nur die Krone der Schöpfung politischer Systeme bildet, sondern auch, dass sie essentiell gewaltfrei ist und jeder, der etwas anderes behauptet – ob links oder rechts, ist zweitrangig – tendenziell gefährlich ist und außerdem den Pluralismus gefährdet. Soviel Selbstgerechtigkeit muss sein.

Von solchen unwissenschaftlichen und quasi-religiösen Anrufungen der Demokratie ist seine Betrachtungen des Phänomens Extremismus im Allgemeinen geprägt. Hier beginnt ein Gewaltmarsch durch alles, was irgendwie linksextrem riecht: (in dieser Reihenfolge) Marxismus nebst Leninismus, Trozkismus, Stalinismus, Maoismus und Luxemburgismus; Anarchismus; die Geschichte der KPD, der DKP, der Partei 'Die Linke'; der RAF und die Bewegung 2. Juni; sowie Autonomen als Organisationsform und Subkultur. Abschließend gibt es noch einem Vergleich zwischen Linksextremisten in Europa. Selbst wenn der Autor sich Mühe gegeben hätte, den betrachteten Phänomenen gerecht zu werden, wäre das Projekt – gepresst auf 250 Seiten – zum Scheitern verurteilt gewesen. Pfahl-Traughber begnügt sich aber einzelne Versatzstücke zusammenzuklauben um seine These zu stützen, dass Linksextremisten nicht pluralistisch und gegen die Demokratie seien. Worin eigentlich ihre Kritik am bestehenden Wirtschafts- und Herrschaftssystem besteht, bleibt im Dunklen.

Besonders merkwürdig fällt dabei die Beschreibung des Klassenkampfes nach Marx aus: Der Autor behauptet die Unternehmer strebten eine Steigerung ihrer Gewinne auf Kosten der Arbeiter an, diese aber eine Erhöhung ihrer Löhne auf Kosten der Unternehmer. Es ist nicht auszuschließen, dass hier Marx mit Verdi-Chef Frank Bsirske verwechselt wurde. Über Marx' Analyse des Kapital- als Ausbeutungsverhältnis, Klassenbewusstsein und Reproduktionsbedingungen fällt kein Wort.

Pfahl-Traghber hat ein weiteres Mal gezeigt, was die Extremismustheorie ist: eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Extremismustheoretiker. Warum die Bundeszentrale für politische Bildung sich mit so etwas abgibt ist ein Rätsel. Dennoch eine positive Bemerkung zum Schluss: In der Einleitung des Buches schreibt der Professor, man möge ihm das exzessive Zitieren eigener Texte nicht als Eitelkeit auslegen. In der Tat: Sollten diese von ähnlicher Qualität sein, kann man daran nichts eitles finden.

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Geschrieben von

Till Hahn

Philosoph, Journalist, Übersetzer. @till_hahn

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