1977: Sexbomben im All

Zeitgeschichte Mit „Krieg der Sterne“ beginnt George Lucas’ Saga Star Wars. Das Frauenbild des Drehbuchschreibers war sexistisch. Erst seine Koautorinnen gaben Leia ein Kommando
Ausgabe 21/2017
George Lucas (Mitte) am Set mit den Star-Wars-Protagonisten
George Lucas (Mitte) am Set mit den Star-Wars-Protagonisten

Foto: Imago

“Die Welt gehört den Männern, und das Showbusiness ist ein Festmahl für Männer“, hat die US-Schauspielerin Carrie Fisher einmal geschrieben. Frauen seien großzügig über dieses Mahl „gestreut wie überqualifizierte Gewürze“. Die Galaxie jedenfalls war ganz sicher Männersache. In Regisseur George Lucas’ erstem Star-Wars-Film, der 1983 unbenannt wurde in Eine neue Hoffnung und Ende Mai sein 40. Jubiläum feiert, treten gerade zwei weibliche Charaktere in Erscheinung: Tante Beru und Prinzessin Leia Organa. Hinter der Kamera waren weibliche Gesichter ebenfalls eine Seltenheit. Als die damals 19-jährige Carrie Fisher zu ihrem ersten Tag am Set in den Elstree Studios auftauchte, traf sie dort auf gerade drei weitere Frauen. „Die Crew bestand größtenteils aus Männern. So war es damals, so ist es im Grunde geblieben.“ Auch wenn es ihrer nur wenige waren, hatten doch Frauen immer ihren Part bei Star Wars.

Was auch mit George Lucas’ Originaldrehbuch zu tun hatte, über das so gut wie niemand glücklich war. Carrie Fisher etwa haderte mit ihrem Text: „‚Ich meinte, Ihren fauligen Geruch erkannt zu haben, als ich an Bord kam.‘ Wer redet denn so?“, fragte sie. „Außer vielleicht ein Pirat im 17. Jahrhundert?“. Fisher war nicht die Einzige unter den Darstellern, die Bedenken äußerte. Harrison Ford erklärte dem Regisseur bekanntermaßen: „George, du kannst diesen Scheiß tippen, aber sprechen kann man ihn ganz sicher nicht.“ Alec Guinness nannte die Dialoge „kläglich“. Schließlich bat Lucas Gloria Katz und Willard Huyck, mit denen er das Drehbuch für den Film American Graffiti verfasst hatte, das Skript heimlich aufzupolieren.

Katz hatte an der University of California Filmproduktion studiert, als eine von vier Frauen unter insgesamt 50 Studenten. „Die Dozenten ermutigten mich nie zu irgendetwas“, erinnert sie sich. Und nach Hollywood würde sie es sowieso „nie schaffen“. Katz bewies ihnen das Gegenteil, indem sie eine erfolgreiche Gemeinschaft von Drehbuchautoren mit ihrem Mann Huyck gründete, der Lucas auf der Filmschule kennengelernt hatte. Katz erzählt: „George Lucas wollte nicht, dass irgendjemand wusste, dass wir am Star-Wars-Drehbuch arbeiteten. Wir haben versucht, die Charaktere stärker herauszuarbeiten und so viel Humor wie möglich hineinzubringen.“ Tatsächlich verfassten die beiden letztlich ungefähr 30 Prozent der Dialoge, berichtet Lucas in dem Buch Star Wars: The Annotated Screenplays von Laurent Bouzereau. Die von Katz und Huyck verfassten Textstellen sind in diesem Buch markiert – und meilenweit entfernt von Lucas‘ unverständlichen Dialogen. Brillante, schlagfertige Sentenzen wie „Kann mir mal einer diesen laufenden Bettvorleger aus dem Weg schaffen?“ oder „Sie fliegen mit dem Ding da? Sie sind mutiger, als ich dachte!“ stammen ausnahmslos aus der Feder von Katz und Huyck. Lucas wurde später mit den Star-Wars-Drehbüchern für einen Oscar nominiert, seine geheimen Koautorinnen blieben bei dieser Gelegenheit ungenannt.

Auch Prinzessin Leias taffe Attitüde ist den beiden zu verdanken. „George stellte sich Leia ursprünglich als eine Art Yvette Mimieux in ihrer Blütezeit vor“, erzählt Katz. Mit anderen Worten: Er wollte eine blonde Sexbombe, doch er musste das überdenken. Katz: „Wir sagten George, Leias Charakter solle mehr dem einer Hawksian Woman – wie Barbara Stanwyck oder Lauren Bacall – gleichen. Sie sollte jemand sein, der das Kommando übernehmen kann, sich nichts bieten lässt und zugleich verletzlich ist. Wir wollten sie wirklich zielstrebig darstellen, nicht nur als schöne Frau, die irgendwie mitmacht. Dass Carrie Fisher so jung war, machte den Kontrast zwischen diesem jungen Mädchen und ihren Zielen nur umso eindrücklicher.“

„Im Weltraum gibt es keine Unterwäsche“

Patricia McDermott war einzige Haar-Stylistin am Star-Wars-Set. Ihr oblag die Aufgabe, eine Frisur für Prinzessin Leia zu kreieren. Nachdem Stylisten erfolglos 30 Looks – „von russischer Prinzessin bis zu schwedischer Magd“ – an Carrie ausprobiert hatten, kam McDermott auf die ikonischen „Zimtschnecken“. Deren Ursprung ist umstritten. Lucas behauptete, sie seien eindeutig von mexikanischen „Pancho-Villa-Revolutionärinnen“ inspiriert. Carrie Fisher erinnerte sich später: „Pat probierte ihre Idee an mir aus – und die war es dann.“ Die in London geborene und 2015 verstorbene McDermott hatte ihr Handwerk im Salon ihrer Mutter gelernt.

„Pat konnte gut mit Perücken umgehen“, meint ihr Sohn Michael. An der für Lea arbeitete sie gerade einmal zwei Stunden. Sie bestand aus langen braunen Zöpfen, die am Kopf von Carrie Fisher befestigt und zu übergroßen Zimtschnecken gedreht wurden, was viel Geschicklichkeit verlangte. Trotz dieses wichtigen Beitrags blieb auch McDermotts Arbeit unerwähnt. Vielleicht weil sich die Haartracht zuweilen als unpraktisch für eine Freiheitskämpferin erwies. Ständig sei ihre Frisur auseinandergefallen, wenn sie etwa rennen musste, hat Carrie Fisher erfahren. Das war nicht das einzige Problem mit ihrem Kostüm. Sie durfte keinen BH tragen und musste ihre Brüste stattdessen mit Gaffa-Tape halten. Denn, so erklärte ihr George Lucas allen Ernstes: „Im Weltraum gibt es keine Unterwäsche.“

Der Regisseur war mit Francis Ford Coppola, Martin Scorsese und Brian De Palma befreundet, und sie alle blieben nicht ohne Einfluss auf die Star-Wars-Filme. Lucas’ beste Quelle für Feedback und Beistand war freilich seine „Geheimwaffe“: Ehefrau und Cutterin Marcia Lucas. Der introvertierte George war das Yin zum Yang der extrovertierten Marcia. Die beiden hatten schon bei American Graffiti zusammengearbeitet. Marcia erhielt für dieses Werk sogar eine Oscar-Nominierung für den besten Schnitt. Trotzdem klagte sie, um ernst genommen zu werden, müsse sie Filme anderer Regisseure schneiden: „Wenn ich für George schneide, denken die Leute, er hätte halt seine Frau im Schnittraum herumspielen lassen.“ Also arbeitete sie für Scorsese bei der Montage von Taxi Driver und von New York, New York, während sie sich gleichzeitig um den Schnitt von Star Wars kümmerte. Als „die Wärme und das Herz“ der ersten Trilogie bezeichnet sie der Schauspieler Mark Hamill. „Marcia brachte George dazu, den kleinen ‚Glückskuss‘ in der Szene zu lassen, in der Carrie und ich uns im ersten Film über den Abgrund schwingen. George meinte: ‚Das gefällt mir nicht, die Leute lachen in den Previews.‘ Dazu Marcia: ‚George, sie lachen, weil das so süß und unerwartet ist.‘“

Als George Lucas sich nicht entscheiden konnte, wie es mit Obi-Wan Kenobi weitergehen sollte, wartete Marcia mit einer unerhörten Lösung auf: ihn töten. „Ihr erster Einfall war, Threepio erschießen zu lassen. Aber ich sagte ihr, das sei unmöglich, weil ich den Film mit den Robotern beginnen und enden lassen wollte“, sagte George 1977 dem Magazin Rolling Stone. „Aber je mehr ich über die Idee nachdachte, desto besser gefiel sie mir.“ Marcias größter Beitrag zu Star Wars war das Grabenrennen auf dem Todesstern, an dem sie acht Wochen lang arbeitete.

Bei den Oscars 1978 gewann Marcia gemeinsam mit Paul Hirsch und Richard Chew den Preis für den besten Schnitt. George Lucas fuhr mit leeren Händen wieder nach Hause. Marcia schnitt auch die Filme Das Imperium schlägt zurück und Die Rückkehr des Jedi Ritter. Nachdem das Paar sich im Jahr 1983 scheiden ließ, schnitt Marcia nie wieder einen Film und zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Bis heute wird ihr Beitrag in der Star-Wars-Geschichte leider weitgehend übersehen. In Büchern oder Dokumentationen des von ihrem Exmann gegründeten Medienkonzerns Lucasfilm wird sie kaum erwähnt. Gefeiert wird ihr Leben nur vom Marcia Lucas Post Production Center an der University of Southern California. „Ich bin stolz auf meine Arbeiten“, hat sie einmal gesagt. „Ich war Teil einer fantastischen Zeit des amerikanischen Kinos.“

Jay McCarthy ist freie Autorin und schreibt für den Film-Blog des Guardian

Übersetzung: Zilla Hofman

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Geschrieben von

Jay McCarthy | The Guardian

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