„Die Revolution sagt: Ich war, ich bin, ich werde sein.“

Lulzsec Hector Xavier Monsegur galt als Anführer der Hackergruppe Lulzsec. Nun stellt sich heraus, dass er als FBI-Informant einiges ausgeplaudert haben soll

Das FBI hat mit Hilfe eines Computerhackers Beweise gegen Personen gesammelt, die für eine Reihe von Angriffen auf persönliche Daten von über einer Millionen Menschen verantwortlich sein sollen. Das geht aus US-amerikanischen Gerichtsunterlagen hervor. Die Dokumente offenbaren ein erstaunliches Maß an Kooperation zwischen dem FBI und seiner Quelle. Diese soll der Behörde Informationen zu anderen Hackern verschafft und sie im Voraus über geplante Angriffe informiert haben. Letztere ließ das FBI dann offenbar nicht nur geschehen, sondern stellte einigen Mitgliedern von Hackerkollektiven sogar noch seine eigenen Server zur Verfügung.

In der nun veröffentlichte Anklageschrift werden die Vorwürfe gegen fünf Männer ausgeführt, die mutmaßlich zu den wichtigsten Mitgliedern der Hackergruppen Anonymous und Lulzsec gehören. Als besagte Quelle wird Hector Xavier Monsegur – aka 'Sabu' – genannt: Er zählt zu den am sichtbarsten Mitgliedern der Gruppe und wird oft als Lulzsec-Anführer gehandelt.

Schuldig bekannt

Die US-Behörden haben Monsegur laut Anklageschrift am 07. Juni 2011 festgenommen. Im Folgenden ist von ihm in den Unterlagen nicht mehr als Anonymous- oder Lulzsec-Mitglied die Rede. Im August hat er sich dann in zwölf Vorwürfen, in denen es um Computerhacking ging, schuldig bekannt.
Auch nach diesem Zeitpunkt war er im Netz, etwa bei Twitter und auf anderen Seiten, weiter unter seinem Onlinepseudonym Sabu aktiv. Sein letztes Update schaltete er weniger als 24 Stunden vor der jüngsten Festnahmeserie. Monsegurs Verhaftung war wie seine Schuldbekenntnisse bis heute geheim gehalten worden. Begründung: Er habe Informationen bezüglich anderer, inzwischen verhafteter Personen preisgegeben.

Für die Straftaten, zu denen Monsegur sich bekannt hat, kann eine Gefängnisstrafe von über 124 Jahren verhängt werden. Derartige Strafen werden häufig abgemildert, wenn die Täter nach ihrer Festnahme mit den Behörden kooperieren.

Aus einer weiteren Anklageschrift gegen den 19-jährigen Iren Donncha O'Cearrbhaill geht hervor, welch zentrale Rolle Sabus Mitarbeit für die Ermittlungen des FBI spielte. O'Cearrbhaill werden zwei Vergehen im Zusammenhang mit der Abhörung und Aufzeichnung einer Telefonkonferenz zwischen dem FBI und der britischen Serious and Organised Crime Agency vorgeworfen. Die Mitschnitte waren im Februar im Internet veröffentlicht worden.

"Garantiert von Interesse"

Die vom ermittelndem FBI-Beamten verfasste Anklageschrift führt aus, wie Sabu – der als 'CW' geführt wird – „auf Anweisung des FBI“ mit anderen Hackern kommuniziert habe. Das Dokument zu O'Cearrbhaill bezieht sich auf eine Unterredung, die der Informant im Netz mit einer anderen Person mit dem Nickname "anonsacco" geführt hat, bei der es sich mutmaßlich um den Beschuldigten O'Cearrbhaill handelt. Das Gespräch wurde „vom FBI mit CWs Zustimmung“ aus Internet-Chatprotokollen aufgezeichnet.

Im ersten Chat am 14. Januar 2012 kontaktierte anonsacco Sabu mit der Bitte um technische Hilfe bei einem Hack. „He Kumpel, kann ich dich um Hilfe bitten? Ich muss eine Telefonkonferenz abhören, bei der es sich um einen sehr guten Leak handeln könnte … Wenn du mir helfen könntest, würde ich das Gespräch gerne nur an dich weitergeben. Ich garantiere, dass es von Interesse sein wird!!“ Nach Angaben der Ermittler hat die betreffende Telefonkonferenz tatsächlich stattgefunden.

Zwei Wochen später nahm anonsacco erneut privat den Chatkontakt mit Sabu auf. „Hey Kumpel. Hättest du gern eine Aufnahme eines Gesprächs zwischen der SOCA und dem FBI, in dem es um anonymous und lulzsec geht?“, fragte er. „Ich glaube, wir müssen das hochhypen und die Schlapphüte denken lassen, dass wie ihre Telefongespräche aufgenommen haben.“ Was Sabu antwortete, wird nicht berichtet. Laut Anklage hat er aber signalisiert, die angebotene Datei entgegen nehmen zu wollen. Diese wurde später vom FBI überprüft und für echt befunden. Fünf Tage später wurde sie online veröffentlicht.

Problem für Assange

An späterer Stelle enthält die Klageschrift Details über eine andere Unterredung zwischen Sabu und einem gewissen „palladium“, bei dem es sich mutmaßlich um ein weiteres Onlinesynonym O'Cearrbhaills handelt. O'Cearrbhaill wird darin um Bestätigung seiner Identität gebeten. Palladium bezeugt daraufhin Details zu seiner Internetadresse und den Diensten, mit denen er seine Identität verschleiert. Sollte O'Cearrbhaill ausgeliefert und verurteilt werden, könnten ihm bis zu 15 Jahre Gefängnis bevorstehen.

Aus den Protokollen geht auch hervor, wie intensiv Sabu in den Hackerangriff auf den Analysedienstleister Strafor involviert war, der dem US-Bürger Jeremy Hammond zu Lasten gelegt wird. Über fünf Millionen Emails, die bei einer Attacke im Dezember 2011 den Servern der Firma entnommen wurden, werden derzeit von WikiLeaks veröffentlicht. Dabei zeigen die Gerichtsdokumente, dass Sabu unmittelbar nach der Attacke einen Server des FBI anbot, um die Mails dort speichern zu können, was sofort angenommen wurde.

Damit hatte das FBI nicht nur die Möglichkeit, die Mails auszuwerten und eventuell sogar Änderungen vorzunehmen, sondern auch Zugang zu den Diskussionen, die bei Anonymous über den Umgang mit den Dokumenten geführt wurden. Möglicherweise – auch wenn dies nicht aus den bislang veröffentlichten Akten hervorgeht – hatte man sogar Zugang zu Konversationen zwischen Anonymous und WikiLeaks.

Das US-Justizministerium hat eine Grand Jury zur Untersuchung zu Wikileaks einberufen. Sollten die USA durch Sabu oder Informationen, die dieser von anderen Anons erhalten hat, den Hauch eines Beweises erhalten, der Julian Assange mit Hackangriffen aus amerikanischem Boden in Verbindung bringt – etwa im Falle Stratfor –, könnte dies der Forderung nach einer Auslieferung Assanges erheblich Vorschub leisten.

Sabu schweigt

Wie viel zwischen WikiLeaks und Anonymous betreffs Stratfor kommuniziert wurde, ist derzeit nicht bekannt. Immer wieder spricht der Informant in den bis dato veröffentlichten Protokollen mit anderen Hackern und schlägt einmal sogar die Veröffentlichung privater Passwortinformationen vor: „Wollen wir die Liste mit den zu 92 Prozent geknackten Stratfor-Hashes veröffentlichen?“, fragte er. Die Antwort des Angeklagten lautete: „Hm, musst du entscheiden. Ich würde im Zweifel eher Nein sagen, damit wir größeren Nutzen draus ziehen können.“

Sabu versorgte auch die Behörden, die Hammond vor seiner Verhaftung physisch überwachten, eingehend mit Informationen. So teilte er dem FBI, während man dort die Onlineaktivitäten Hammonds nachverfolgte, unter anderem die Ein- und Auslogzeiten verschiedener Identitäten mit, unter denen der Beobachtete agierte und informierte die Behörde darüber, wie Hammond Gebrauch von dem Dienst TOR machte, mit dem sich Internetverbindungen anonymisieren lassen. Auch zu seinen physischen Bewegungen ab dem 28. Februar 2012 erteilte er Auskunft.

Seit die Gerichtsunterlagen offengelegt wurden, schweigt Sabu online. Noch kurz zuvor wütete er allerdings in Tweets gegen die US-Regierung:„In diesem Augenblick durchwühlen die Bullen ohne Durchsuchungsbefehl unsere Leben. Ohne richterliche Anordnung. Das muss anders werden“, twitterte er noch gestern. Und kurz danach: „Die Bundesregierung wird von einer Scheißbande von Feiglingen angeführt. Gebt diesen Leuten nicht nach. Wehrt euch. Seid stark.“

Sein letzter Tweet kam knapp vier Stunden später und enthielt ein Zitat von Rosa Luxemburg: „Die Revolution sagt: Ich war, ich bin, ich werde sein.“

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

James Ball | The Guardian

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