51 Grad in Jacobabad: „Es scheint, die Hitze kostet uns das Leben“

Klimakrise Nachdem die Temperaturen auf 51 Grad gestiegen sind, herrscht in der pakistanischen Stadt Jacobabad Angst. Fehlende Bäume und mangelhafte Wasseranlagen machen die Rekord-Temperaturen unerträglich
Freiwillige verteilen Wasser während der frühen Hitzewelle in Jacobabad
Freiwillige verteilen Wasser während der frühen Hitzewelle in Jacobabad

Foto: Aamir Qureshi/AFP/Getty Images

Der 40-jährige Muhammad Akbar verkauft mit einem Schiebekarren auf der Straße in Jacobabad getrocknete Kichererbsen. Dreimal in seinem Leben hat er schon unter Hitzschlag gelitten. Aber jetzt werde die Hitze schlimmer, sagt er. „Früher gab es in der ganzen Stadt Bäume. Das Wasser war nicht knapp und wir hatten andere Hilfsmittel, um uns gegen die Hitze zu wehren. Aber jetzt gibt es keine Bäume und kein Wasser mehr. Dadurch wird die Hitze unerträglich. Ich habe Angst, dass uns die Hitze in den kommenden Jahren das Leben nimmt.“

Während Pakistan und Indien während der jüngsten Hitzewelle in der Hitze brüteten, wurden in der Stadt Jacobabad, in der Akbar lebt, eine Rekordtemperatur von 51 Grad Celsius gemessen. Normalerweise beginnt die Sommerhitze hier in der letzten Maiwoche. Dieses Jahr war das erste Mal, dass sie bereits im März begann und jetzt vermutlich bis August anhalten wird.

Die Stadt ist besonders stark von der globalen Erwärmung betroffen, erklärt der Ökologe Nasir Ali Panhwar, Autor mehrerer Bücher über die Umwelt. Das liegt zum Teil daran, dass sie an einem Ort liegt, an dem die Wintersonne direkt einfällt und stärker wärmt. Andere verweisen darauf, dass die meisten Bäume, die der Stadt und den umliegenden Feldern früher Schatten spendeten, abgeholzt und verkauft oder in Kochherden verbrannt wurden.

Wegen Hitze zu wenig Schlaf

Der Chefmeteorologe von Pakistans Wetterbehörde Sardar Sarfaraz wies die Medien darauf hin, dass die Temperatur bereits im April 49 Grad erreichte. Jacobabad sei „einer der heißesten Orte auf der Erde.“ Wenn die Hitze so früh im Jahr einsetze, warnte er, sei das ein Grund zur ernsthaften Sorge. Auch Kichererbsen-Verkäufer Akbar ist besorgt wegen der Temperaturen in diesem Jahr. „Die Hitze wird jedes Jahr stärker. Aber die Regierung - auch die Distrikt-Verwaltung - beachtet dieses ernste Problem nicht.“

Wie viele in seiner Nachbarschaft geht Akbar früh morgens zur Arbeit und arbeitet zwölf bis 14 Stunden. Damit verdient er rund 500 Rupien (2,33 Euro) am Tag. Er hat keine andere Wahl, als sich der Hitzewelle auszusetzen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Reismühlenarbeiter, Mashooq Ali, erklärte: „Wir müssen trotz der Temperaturen arbeiten. Denn wenn wir nicht arbeiten, bleibt der Ofen zu Hause aus“.

Die meisten Arbeiter:innen machen laut Ali am Nachmittag zwei Stunden Pause und gehen dann zurück zur Arbeit. „Wenn es zu heiß wird, haben wir früher unter der Wasser-Handpumpe gesessen und Eiswasser benutzt. Wenn wir abends nach Hause kommen, sind wir extrem müde und wollen uns ausruhen. Aber wegen der Hitze kriegen wir nicht genug Schlaf. Dann gehen wir raus und sitzen draußen, damit man ein bisschen Luft spürt, denn wenn kein Lüftchen weht, meint man, dass diese Hitze uns das Leben nehmen wird.“

Viele Menschen erleiden Hitzeschläge

Die Einwohner:innen von Jacobabad nutzen Handfächer und nehmen häufig ein Bad mit kaltem Wasser aus Handwasserpumpen. An vier Stellen in der Stadt wurden kostenlose Kalt-Wasser-Angebote eingerichtet, die große Menschenmengen anzogen. Wer es sich leisten kann, verbringt diese Monate in anderen Landesteilen, um der Hitze zu entkommen. Laut dem Journalisten Huzoor Bakhsh, der seit 20 Jahren aus Jacobabad berichtet, gehen viele aus der Arbeiterschicht nach Quetta in Belutschistan, um zu arbeiten. Die Entwaldung, sagte er weiter, habe die Hitze noch verstärkt. „So fehlt den Leuten die Möglichkeit, sich der Hitzewelle zu entziehen. Und die Distriktverwaltung tut in dieser Sache nichts.“

Laut Doktor Irshad Ali Sarki, der im städtischen Krankenhaus Jacobabad MS Civil Hospital arbeitet, wurden dort eigene Hitzewellen-Stationen eingerichtet, um schlimme Hitzschläge zu verhindern. Täglich würden vier bis fünf Patient:innen aufgenommen und behandelt. Ein anderer Arzt des Krankenhauses - Doktor Ammad Ullah - schätzt, dass in dieser heißen Saison täglich 50 bis 60 Menschen einen Hitzschlag erleiden. Das Krankenhaus habe nicht die Kapazitäten, um alle zu behandeln. „Manche gehen in private Kliniken, aber die Arbeiterschicht kann sich die Behandlung dort nicht leisen.“

Viele Bürger:innen von Jacobabad beklagen auch, dass die Regierung trotz der Hitzewelle kein Trinkwasser zur Verfügung stelle. Man sieht zwar zahlreiche Eselkarren, die blaue Plastikdosen mit Wasser verkaufen, aber die Qualität des Wassers ist zweifelhaft. Nach Angaben der Distrikt-Verwaltung ist das System in Ordnung und versorgt die Bürger:innen mit Wasser. Die Menschen vor Ort dagegen sagen, das Wasser sei verschmutzt und nicht sicher trinkbar.

Der Gesellschaftsaktivist Mohammad Shaaban ist ebenfalls wegen der steigenden Hitze stark beunruhigt. „Wir haben viele Male protestiert, um die Stadtverwaltung dazu zu bringen, etwas zu unternehmen. Aber es wurde nichts getan“, erklärte er. „Wir befürchten, dass in Jacobabad in den nächsten Jahren niemand mehr wohnen kann, weder Menschen noch Tiere.“

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Übersetzung: Carola Torti
Geschrieben von

Rahmat Tunio | The Guardian

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