A Chanel ist gonna come

Medien Hat die Zunft der Moderedakteure ihren Job zu gut gemacht? Oder warum dreht sich in der Medienberichterstattung über Obama fast alles um Klamotten?

Nur noch ein Tag und der „Change is gonna come“. Gespannt blickt die ganze Welt nach Washington, wo am 20. Januar Barack Obama seinen Amtseid ablegen wird. Wie wird dies unsere Weltsicht und unser Wertvorstellungen verändern? Kann man sich tatsächlich für jemand anderen als Oscar de la Renta entscheiden? Kurz gesagt: Was wird Michelle Obama tragen? Die US-Presse spekuliert darüber schon seit dem Tag, an dem Michelles Gatte (Wie hieß er doch gleich?) seine Kandidatur ankündigte. Nun, wo der historischen Ereignisse ihren Schatten voraus werfen, wird das Thema auch hierzulande mit ebensoviel Eifer erörtert, wie die Ereignisse im Nahen Osten.

Der Mann mit der Frau mit dem aufsehenerregenden Kleid

Manch einer wird vielleicht Heuchelei wittern, wenn gerade ich mich darüber beschwere. Immerhin verbringe ich als Modeautorin einen großen Teil meines Berufslebens damit, Fotos von Promis auf den roten Teppichen dieser Welt zu begutachten und dann den Daumen hoch oder runter zu halten, wie ein römischer Imperator.

Habe ich meinen Job vielleicht zu gut gemacht, dreht sich jetzt alles nur noch um Klamotten? Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, was der Anlass für den Besuch war, den die Eheleute Sarkozy Anfang diesen Jahres Großbritannien abstatteten. Aber ich könnte mich ellenlang über Carlas Dior-Ensemble und die Tatsache, dass sie flache Schuhe (unglaublich, flache Schuhe!) trug, auslassen. Und so möchte ich diese Gedanken eher als eine Reflexion über das Medieninteresse, das der Besuch der flachen Schuhe auslöste, betrachten, denn als Beweis meiner Oberflächlichkeit.

Am allerbesten lässt sich das Phänomen bei Preisverleihungen beobachten. Es soll ja einmal eine Zeit gegeben haben, in der die Leute dachten, es ginge bei Filmpreisverleihungen um etwas anderes als um Kleider und darum, Gratiswerbung für Modehäuser zu machen. Verrückt!

Wir wollen die nachlässig gekleideten Promis mit Botschaft zurück!

Bei der Golden Globes-Zeremonie, die letzte Woche in Los Angeles stattfand, wurde es mir persönlich dann aber doch zu viel. Es fing an, als Drew Barrymore auftrat. In einem Kleid „von meinen lieben Freund Galliano“, wie sie nicht versäumte uns mitzuteilen. Als Susan Sarandon dann darauf bestand, eine Liste der Designer, deren Entwürfe sie am Körper trug, vorzulesen, bevor sie (mit weitaus weniger Enthusiasmus) auf die nominierten Künstler zu sprechen kam, war das Maß voll.

Man sehnte sich beinahe in die Tage zurück, in denen Sarandon den Paparazzi mit Peacezeichen zugewunken hat – und dabei übrigens furchtbar aussah.




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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Hadley Freeman, The Guardian | The Guardian

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