Afrika zahlt für unsere Krise

Afrika Der G20-Gipfel muss sich auch dem Thema Entwicklungsländer widmen. Während die Krise im Westen zu mehr Arbeitslosigkeit führt, bedeutet sie für Afrika Leben oder Tod

Die kleine Stadt Jwaneng, was soviel bedeutet wie „Ort der kleinen Steine“, hat erheblichen Anteil daran, dass Botswana eines der stabilsten Länder in Südafrika ist, denn hier liegt die ertragreichste Diamantenmine der Welt. Vor einer Woche aber hat die Diamantenfirma De Beers die Produktion in Jwaneng und drei anderen Minen in Botswana eingestellt. Die Nachfrage nach den wertvollen Steinen, die 70 Prozent der Exporte des Landes ausmachten, ist in Folge der Rezession eingebrochen. Auch in Namibia und dem Kongo werden derzeit Bergwerke eingemottet und Arbeiter nachhause geschickt.

Hieran kann man gut ablesen, wie kleine Veränderungen in den Lebensverhältnissen reicher Westler Zehntausenden in den Entwicklungsländern die Existenzgrundlage entziehen können. Egal, ob es sich hierbei um das Glitzern im Ohrring oder den Kaffee in der Latte handelt. Während die Krise in Großbritannien, Deutschland oder Frankreich zu Arbeitslosigkeit und Pfändungen führt, bedeutet sie in Afrika Leben oder Tod. Die Frage, wie die Schwächsten, die von den Stärksten verursachte Krise überleben, ist eines der dringlichsten Themen des G 20-Gipfels, der Mitte der Woche in London stattfindet. Lord Malloch Brown, Staatsminister des britischen Außen- und Commonwealth-Amtes, befürchtet, die Wirtschaftskrise könnte für den Süden Afrikas gewalttätige Konsequenzen haben. „In der Demokratischen Republik Kongo haben bisher 200.000 Minenarbeiter ihre Arbeitsplätze verloren: in der Minenprovinz Katanga leben die Leute von der Hand in den Mund und warten auf eine Kredit des IWF. Die Bemühungen um die Integration der Rebellen in die Armee und der damit zusammenhängende Friedensprozess leiden selbstverständlich sehr darunter, dass die Armee keinen Sold auszahlen kann. Ich habe den Eindruck, eine große Welle der Instabilität kommt auf uns zu. Ich möchte damit nicht klein reden, wenn Leute hierzulande ihre Häuser und ihre Arbeitsplätze verlieren, aber in Afrika könnte die Krise nach dem Urteil von Robert Zoellick, des Präsidenten der Weltbank, 400.000 bis 500.000 tote Säuglinge zur Folge haben.“

"Blauäugige, weiße Banker"

Im Herbst waren die G 20 noch davon ausgegangen, dass die Entwicklungsländer von der Krise weitgehend unberührt bleiben könnten. Vor zehn Tagen kamen afrikanische Staatsoberhäupter, einschließlich des botswanischen Regierungschefs, nach London zu Premierminister Gordon Brown, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Der Angriff des brasilianischen Staatschefs Lula da Silva auf die „blauäugigen weißen Banker“ in der vergangenen Woche offenbart den neuen Zorn von Ländern in Afrika oder Lateinamerika, die ohne eigenes Verschulden in große Schwierigkeiten geraten sind. Darin zeigt sich auch die Entschlossenheit, den Westen dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Indiens Regierungschef Singh wird den Gipfel nutzen, um den schleichenden Protektionismus zu verurteilen, der in Asien Arbeitsplätze vernichtet. China wird als Gegenleistung für dessen Rettung einen größeren Einfluss auf den IWF fordern. An einem Rettungspaket für Afrika wird gegenwärtig noch mit Feuereifer gearbeitet, es soll noch in dieser Woche bekanntgegeben werden. Ob dies allerdings ausreicht, um die Spaltung innerhalb der G 20 zwischen den Industrienationen und den Entwicklungsländern zu überwinden, bleibt fraglich.

Übersetzung: Holger Hutt

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Geschrieben von

Gaby Hinsliff, The Observer | The Guardian

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