Angeschmiert und vorgeführt

Ölvorräte Ein geheimer Informant aus der Welt-Energie-Behörde (IEA) spricht von geschönten Zahlen über die Ölvorräte. Engpässe seien ignoriert worden, um Panikkäufe zu vermeiden

Höhere Beamte der Internationalen Energie-Agentur (IEA) geben zu Protokoll, die USA hätten eine wichtige Rolle gespielt, ihre Behörde zu veranlassen, den Rückgang der Fördermengen auf den existierenden Ölfeldern herunterzuspielen und die Chancen auf das Finden neuer Felder höher zu bewerten, als sie sind. Diese Vorwürfe werfen ernsthafte Fragen über die Genauigkeit des jüngsten Welt-Energie-Berichtes der IEA auf, der in dieser Woche veröffentlicht wird und vielen Regierungen als Richtschnur für die ihre Energie- und Klimaschutzpolitik dient. Sie stellen jetzt nicht zuletzt die Vorhersage des Welt-Energie-Berichts 2008 in Frage, der davon ausging, die Ölproduktion könne von ihrem jetzigen Stand von 83 Millionen Barrel pro Tag auf 105 Millionen Barrel pro Tag erhöht werden. Es gäbe dafür keinen Beleg, die Welt habe die Spitze der Ölproduktion bereits überschritten, so die Meinung der Kritiker.


Nun gewinnt die Theorie vom Ölfördermaximum sogar Anhänger im Establishment des internationalen Energiegeschäfts. „Die Internationale Energiebehörde sagte 2005 voraus, die Fördermenge könne bis auf 120 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2030 ansteigen, musste aber diese Prognose dann schrittweise auf 116 Millionen und 2008 schließlich auf 105 Millionen Barrel korrigieren“, so der Informant aus den Reihen der Behörde, der aus Angst vor Vergeltung aus der Branche anonym bleiben will. „Die 120-Millionen-Barrel-Prognose war schon immer Schwachsinn – die IEA wusste das. “
Viele innerhalb der Organisation glauben, selbst eine Förderrate von 90 bis 95 Millionen Barrel pro Tag sei unmöglich zu halten, aber sie haben Angst, auf den Finanzmärkten werde Panik ausbrechen, sollte die Zahlen noch weiter nach unten korrigiert werden. Ein zweiter Informant, der ebenfalls anonym bleiben will, meint dazu, ein Grundprinzip der Organisation bestehe darin, die Amerikaner nicht zu verärgern, es sei aber eine Tatsache, dass es nicht soviel Öl auf der Welt gäbe wie behauptet wurde. „Wir haben den Bereich des Ölfördermaximums bereits erreicht. Ich schätze die Situation sehr schlecht ein.“

Unter Verdacht

Die IEA ist sich der Bedeutung ihrer Zahlen sehr wohl bewusst, auf ihrer Website prahlt sie: „Regierungen und Unternehmen auf der ganzen Welt verlassen sich darauf, dass der Welt-Energie-Bericht sie mit einer festen Grundlage ausstattet, auf die sie ihre Strategien und Geschäftspläne aufbauen können.“ Wie viele andere verweist auch die britische Regierung häufiger auf die IEA-Zahlen als auf ihre eigenen, um zu belegen, dass die langfristige Ölversorgung nicht gefährdet sei.

John Hemming, Vorsitzender des parlamentarischen Ausschusses zum Öl- und Gasfördermaximum, hat inzwischen mitgeteilt, die jetzigen Enthüllungen würden seinen Verdacht bestätigen, dass die IEA verschleiere, wie schnell die weltweiten Ölvorräte zur Neige gingen und welche gravierenden Folgen dies auf die Energiepolitik der britischen Regierung habe. Er sei auch von einigen IEA-Mitarbeitern angesprochen worden, die sich unglücklich darüber zeigten, wie unkritisch die Prognosen aufgenommen werden. „Die bisherige Verlässlichkeit der IAE wurde benutzt, um die These zu stützen, die Öl- und Gasvorräte würden nicht vor 2030 ihren Höhepunkt erreichen. Es steht jetzt fest, dass dies nicht zutrifft, und man sich nicht auf Zahlen des IAE verlassen kann, so Hemming. „All dies verleiht den Kopenhagener Klimaverhandlungen zusätzliche Bedeutung und macht die dringende Notwendigkeit deutlich, noch schneller auf eine durch erneuerbare Energien gestützte Wirtschaft zuzusteuern, um ernsthaften ökonomischen Schaden abzuwenden.“
Übersetzung Holger Hutt

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Geschrieben von

Terry Macalister, The Guardian | The Guardian

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