Archäologisches Nationalmuseum in Athen: Wo waren die Griechen?

Architektur Der britische Architekt David Chipperfield gestaltet das Archäologische Nationalmuseum in Athen neu. Der Wettbewerb für den Auftrag war umstritten: Es wurde nicht ein einziges griechisches Architekturbüro zugelassen
Ausgabe 08/2023
Athen: Präsentation des Erweiterungsentwurfs David Chipperfields für das Archäologische Nationalmuseum
Athen: Präsentation des Erweiterungsentwurfs David Chipperfields für das Archäologische Nationalmuseum

Foto: IMAGO / ANE Edition

Nicht einfach nur erweitert, sondern „wiedergeboren“ werden soll das Archäologische Nationalmuseum in Athen, wenn es nach den Verantwortlichen geht. „Heute bin ich zutiefst davon überzeugt, dass einer meiner persönlichen Träume wahr geworden ist“, erklärte der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis bei der Enthüllung des Entwurfs vergangene Woche vor dem Museum. Die symbolträchtigen Arbeiten unter Leitung des Stararchitekten Sir David Chipperfield sollen fünf Jahre dauern. Das Ziel, so der Brite, bestehe nicht darin, mit dem neoklassizistischen Hauptgebäude des Museums zu konkurrieren, sondern das historische Wahrzeichen zu ergänzen. „Unser architektonischer Ansatz bestand darin, einen Sockel zu schaffen, der aus dem bestehenden Gebäude herauswächst ... [und] sich gleichzeitig zu einem wirkmächtigen Stück Architektur entwickelt“, sagte er. „Die Herausforderung besteht natürlich darin, beides in ein Gleichgewicht zu bringen.“

Sein Vorschlag wurde im Januar einstimmig von einem internationalen Komitee aus einer Liste von zehn Entwürfen ausgewählt. Chipperfield, der für die Restaurierung des Neuen Museums in Berlin bekannt ist, hat errechnet, dass durch den Bau etwa 20.000 Quadratmeter zusätzlicher Raum geschaffen werden, darunter zwei Stockwerke mit unterirdischen Galerien, ein üppiger Dachgarten und ein Eingang auf Straßenniveau.

Doch wie die meisten öffentlichen Bauvorhaben ist auch dieses umstritten.

Seit dem Bau des Akropolis-Museums 2009 gab es kein Projekt dieses Ausmaßes, das derartige Diskussionen und Emotionen auslöste. Noch vor Auswahl des Entwurfs drohte der griechische Architektenverband damit, die Wettbewerbsregeln vor dem obersten Verwaltungsgericht des Landes anzufechten, da nur preisgekrönte ausländische Firmen mit Erfahrung in der Museumsarbeit zugelassen wurden. „Es ist nicht hinnehmbar, dass griechische Architekten nicht teilnehmen durften“, sagte Tassis Papaioannou, emeritierter Professor für Architektur an der Nationalen Universität Athen. „Wir denken ernsthaft darüber nach, vor Gericht zu gehen, denn das bisherige Vorgehen ist illegal.“

Wird der Bau versteckt?

Griechische Restaurationsexperten beanstanden auch die Größe des neuen Eingangs und sagen, dass die vom Siegerteam veröffentlichten fotorealistischen Bilder zu optimistisch sind. „Der Neubau wird das ursprüngliche Gebäude aus dem 19. Jahrhundert von der Straßenebene aus gesehen praktisch in den Schatten stellen“, sagte Costas Zambas, der 25 Jahre lang die Restaurierungsarbeiten auf der Akropolis leitete. „Nach der gestrigen Präsentation ist klar, dass eines der großartigsten neoklassizistischen Denkmäler Athens dadurch versteckt werden wird.“

Chipperfield erklärte gegenüber dem Guardian, sein Team habe mit ähnlichen Bedenken gerungen. „Man kann kein Omelett machen, ohne Eier zu zerschlagen“, sagte er. „Es stimmt, aus bestimmten Blickwinkeln wird es Auswirkungen haben, die Frage ist aber, ob das einen signifikanten Schaden bedeutet oder einfach nur anders ist. Unsere Bedenken sind nicht unähnlich.“

Mitsotakis, dessen Mitte-Rechts-Regierung in diesem Jahr zur Wiederwahl antritt, hat die Renovierung zu einer kulturpolitischen Priorität gemacht: „Es hat mich immer betrübt, dass nur etwas mehr als 500.000 Besucher pro Jahr in das Museum kommen, obwohl es einen solch unglaublichen Reichtum an Weltkulturerbe beherbergt.“

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Geschrieben von

Helena Smith | The Guardian

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