Barney geht Gassi

Bush-Memoiren Wenn die Republikaner ins Weiße Haus zurück wollen, müssen sie die acht Jahre Bush-Präsidentschaft deutlich aufhübschen. Da kommen ihnen die "Erinnerungen" gerade recht

Was bei Tony Blair der Einblick ins eheliche Schlafzimmer, das ist in George Bushs Memoiren Decision Points ein Häufchen seines Haushundes Barney. Beide Staatschefs bedienen sich in ihren Autobiographien gleicher Mittel, um beim Leser Verständnis für ihre Taten zu wecken: das persönliche Bekenntnis und die ausgewählte Anekdote, um den Menschen hinter dem dämonisierten Politiker sichtbar zu machen.

Bush schildert seinen Lesern, wie er kurz nach Verlassen des Weißen Hauses mit seinem Hund Barney in Dallas Gassi geht: „Barney hatte den Rasen unseres Nachbarn auserkoren und machte sich sogleich an sein Geschäft. Da stand ich nun, der frühere Präsident der Vereinigten Staaten, der mit einer Plastiktüte in der Hand das aufsammelt, um das er acht Jahre lang immer einen Bogen gemacht hatte.“

Fairerweise muss man sagen, dass Bush seine Selbstsanierung nicht allein auf Tierfäkalien aufbaut und in Decision Points mehrere Strategien entwickelt. Von Reue (stets sehr begrenzt) über das Abwälzen der Schuld auf andere (am Auffälligsten während des Hurrikans Katrina, als er zunächst tatenlos zusah, wie New Orleans in den Fluten versank) bis zur Relativierung: Guantánamo sei doch gar nicht so schlimm, schließlich dürfe jeder Sträfling seinen Koran besitzen, alle hätten Zugang zur Bibliothek, in der es auch eine arabische Harry-Potter-Ausgabe gebe. Bush beharrt darauf, dass seine Prinzipien lauter und gerecht gewesen seien, auch wenn es kleine Wackler gab. Zwar gesteht er, dass ihm übel werde, wenn er daran denke, dass im Irak keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden, und er erinnert sich an die handschriftlich verfassten Briefe an die Angehörigen der 4.229 US-Soldaten, die während seiner Amtszeit im Irak fielen. Für die Invasion selbst kann er sich aber nicht entschuldigen, diese Angelegenheit sei „ewiglich gerecht“. Der Bush, den Bush gern präsentieren möchte, ist ein anständiger Mann, höflich und ehrlich genug, Fehler einzugestehen, doch was allein zählt, ist die Reinheit seiner Überzeugung: Dass er glaubte, richtig zu handeln, ist genug.

Wird das funktionieren? Viele hoffen das zumindest, und nicht nur seine ehemaligen Gefolgsleute, von denen einige am Tag des Erscheinens von Decision Points Werbung für das Buch machten. Auch in Großbritannien rollte die zum Murdoch-Konzern gehörende Times den roten Teppich aus und erklärte in einem wohlwollenden Editorial, die Nachwelt werde über Bush gnädiger urteilen als seine Kritiker heute. Der Ex-Präsident habe „die großen Fragen unserer Zeit eindeutig richtig“ beantwortet.

Bislang hat die amerikanische Rechte Bush so behandelt wie Stalin einst Trotzki und versucht, jede Spur von ihm zu tilgen. Es wurde tunlichst vermieden, nur seinen Namen zu erwähnen. Wenn freilich die Republikaner ins Weiße Haus zurückkehren wollen, brauchen sie eine Interpretation der letzten Amtszeit unter ihrer Führung, die Amerika nicht schon beim bloßen Gedanken in Angst und Schrecken versetzt. Gelänge es, acht Jahre Bush ein wenig aufzuhübschen und nicht nur als Alptraum erscheinen zu lassen, wäre dies sehr hilfreich. Wollen die Republikaner 2012 gegen Obama gewinnen, ist die Rehabilitierung Bushs ein wichtiger Schritt.

Dies stellt für alle Linken in Amerika und auf der ganzen Welt eine Herausforderung dar. Sie können nicht – wie etwa Tariq Ali – daran festhalten, Obama sei genauso schlecht wie Bush. Es gilt viel mehr, jedem Versuch, Bush zu rehabilitieren, lautstark entgegentreten, indem die Öffentlichkeit an den Katalog der Katastrophen erinnert, wird, die so groß sind, dass allein ein Stichwort genügt, sich ihrer zu erinnern: Irak, Afghanistan, Guatánamo, Katrina, Abu Ghraib, Lehman Brothers. Man muss eine Haltung ins Gedächtnis rufen, die immer noch an der Folter festhält und weiter nicht versteht, dass eine solche Herangehensweise die extremsten Feinde der USA stärkt.

Es ist gewiss charmant zu lesen, wie Barney morgens Gassi geht und den Rasen des Nachbarn in Unordnung bringt. Das ist aber rein gar nichts, verglichen mit der Unordnung, die sein Herrchen in der Welt hinterlassen hat. Wir sollten dafür sorgen, dass dies auch niemand vergisst.

Jonathan Freedland ist Guardian-Kolumnist Übersetzung: Holger Hutt

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Geschrieben von

Jonathan Freedland | The Guardian

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