Ich wusste, dass mein Leben nie mehr so sein würde wie zuvor, als ich meinen Namen als Koproduzentin unter das Wikileaks-Video setzte, in dem zu sehen ist, wie US-amerikanische Soldaten von einem Hubschrauber aus Zivilisten in Bagdad erschießen. Die Wahrheit zu sagen in einer Zeit der universellen Täuschung, mag von jenen als als revolutionär angesehen werden, die uns lieber im Dunkeln halten wollen. Für diejenigen, die das Gefühl haben, handeln zu müssen, ist es das nicht.
Die meisten von uns, die eine unangenehme Wahrheit aussprechen, wissen, dass man sie dafür angreifen, der Lächerlichkeit preisgeben und versuchen wird, sie nach allen Regeln der Kunst zum Schweigen zu bringen. Das ist nichts besonderes. Das Schöne daran ist, dass wir dabei das wahre Gesicht der Macht erkennen und am konkreten Beispiel in Echtzeit erfahren, wie es um unsere Demokratien bestellt ist.
Das US-Justizministerium hat mit rechtlichen Mitteln versucht, meine Nutzerkonten bei Sozialen Netzwerken zu hacken, ohne dass ich davon wusste. Der Vorfall wurde von der Rechtsabteilung von Twitter publik gemacht. Ihr gelang es, ein Geheimdokument des Justizministeriums zu entsiegeln und mir so eine Chance zu geben, gerichtlich dagegen vorzugehen, dass meine persönlichen Informationen verwendet werden, um den ersten ernsthaften Angriff gegen Wikileaks-Unterstützer vorzubereiten.
Ich bin mir immer noch nicht sicher, warum sie das Risiko eingegangen sind, ein Mitglied des isländischen Parlaments ins Visier zu nehmen - was den Unmut von Abgeordneten auf der ganzen Welt erregt hat. Der Sprecher des isländischen Parlaments brachte das Thema bei der Interparlamentarischen Union (IPU) zur Sprache und ich wurde vom Menschenrechtsausschuss der IPU geladen, um die Einzelheiten meines Falles zu erläutern. Daraufhin verabschiedete der Rat der IPU im Oktober 2011 einstimmig eine Resolution. Darin heißt es: Die IPU "stellt ... mit Sorge fest, dass die Immunität, die Frau Jónsdóttir als Abgeordnete ... genießt, in diesem Fall nicht beachtet wurde."
Im November 2011 äußerte Bundesbezirksrichter Liam O'Grady eine interessante Ansicht, als es um das Urteil in meinem Fall ging – etwas, das der Aufmerksamkeit jener entgangen ist, die sagen, Assange würde in Bezug auf eine mögliche Auslieferung an die USA überreagieren:
„Bei den (von meinem Twitter-Konto) eingeholten Informationen handelte es sich eindeutig um Material zur Erhebung grundlegender Daten für eine laufende Untersuchung, die eine Grand Jury bei der Überprüfung der speziellen Angelegenheiten unterstützen sollten, die Gegenstand dieser Untersuchung sind.“
Während eines Treffens im isländischen Außenministerium zur Besprechung meines Twitter-Falles, erhielt ich eine Nachricht von dem neu ernannten US-Botschafter Luis Arreaga, die mir von dem Assistenten des isländischen Außenministers überbracht wurde. Botschafter Arreaga war vom US-Justizministerium angewiesen worden, mir mündlich folgende Nachricht zukommen zu lassen:
a) Man würde mich nicht gegen meinen Willen verhören
b) Ich sei frei, in die USA einzureißen
c) Es gebe keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen mich.
Trotz dieser Nachricht riet mir das isländische Außenministerium sehr dazu, nicht in die USA zu reisen, meine Rechtsberater von der Electronic Frontier Foundation und der American Civil Liberties Union taten dasselbe. Kurz darauf sollte sich ihre Vorsicht als berechtigt herausstellen. Denn als sie die Einsicht aller mich betreffenden Akten beantragten, entdeckten sie mindestens zwei versiegelte, für eine Grand Jury bestimmte Dokumente. Natürlich konnte ich nicht in Erfahrung bringen, was diese Dokumente enthalten.
Am Montag machte die Nachricht die Runde, das US-Justizministerium habe bestätigt, dass nach wie vor ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen WikiLeaks anhängig sei. Die US-Armee hat bestätigt, dass sie das Bradley Manning Support Network überprüft – eine internationale Gruppe von Aktivisten, die sich für den inhaftierten mutmaßlichen Whistleblower einsetzen. Ich war einer der frühen Unterstützer in diesem Netzwerk und muss mich fragen, ob auch gegen mich ermittelt wird.
Die WikiLeaks Task Force der CIA sammelt seit zwei Jahren Beweismaterial gegen Assange und andere Wikileaks-Mitarbeiter. Es besteht kein Zweifel daran, dass eine Grand Jury eingesetzt wurde, um zu entscheiden, ob diese Beweise zur Anklageerhebung ausreichen. Es besteht kein Zweifel, dass die USA mit Wikileaks abrechnen wollen. Assange hat allen Grund, sich Sorgen über eine Auslieferung an die USA zu machen, sei es aus Großbritannien, Schweden oder jedem anderen Land, das ihm entweder keine Nichtauslieferungsgarantie geben kann oder geben will.
Die bestmögliche Lösung würde in der gegenwärtigen Situation darin bestehen, dass Schweden solche Garantien gibt. Wenn der Wille dazu vorhanden ist, findet sich auch ein Weg.
Birgitta Jónsdóttir sitzt seit 2009 für die Partei "Die Bewegung" im isländischen Parlament. Sie war an der Veröffentlichtung des Collateral-Murder-Videos beteiligt und unterstützt Wikileaks. In der Vergangenheit hat sie die herausragende Rolle Julian Assanges bei der Whistleblower-Plattform kritisiert.
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