Die Frage, ob die Dürre in den USA zu einer weltweiten Lebensmittelkrise führen wird, stellt sich eigentlich überhaupt nicht, denn die Lebensmittelkrise existiert bereits. Nach den aktuellsten verfügbaren Zahlen litten 2010 925 Millionen Menschen an Unterernährung. Kurz nachdem die Zahl veröffentlicht wurde, korrigierte die Weltbank sie nach oben und sprach von annähernd einer Milliarde.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Dürre in den USA ist ernst. Im Juni wurden von 171.442 möglichen Temperaturrekorden 998 erreicht und 2.284 gebrochen. Bei den Olympischen Spielen würde man über solche Zahlen frohlocken. Der Klimawandel sorgt dafür, dass die Temperaturen im Vergleich zur letzten Rekord-Dürre in den Fünfzigern noch einm
rde man über solche Zahlen frohlocken. Der Klimawandel sorgt dafür, dass die Temperaturen im Vergleich zur letzten Rekord-Dürre in den Fünfzigern noch einmal um mehr als ein Grad höher liegen. Noch wissen wir nicht, wie hoch die Lebensmittelpreise letztlich ausfallen werden. Am vergangenen Monat erreichte ein Bushel Mais den Rekordwert von acht Dollar (im September 2006 lag er noch bei zwei Dollar). Der Preis wird von der großen Nachfrage nach Tierfutter, stark fruktosehaltigem Maissirup und einer ungemein blödsinnigen Biosprit-Politik in die Höhe getrieben, die aus Nahrungsmitteln Ethanol machen lässt. Da die USA die Hälfte der weltweiten Maisexporte produziert, und der Preis für diese Exporte von der Nutzung im Inland abhängt, wird die Dürre in den USA einen gewaltigen Einfluss auf die Preise am Weltmarkt haben.Bei anderen Nutzpflanzen sieht es nicht viel besser aus. Die USA sind auch einer der wichtigsten Soja-Exporteure und auch hier haben die Preise im Laufe der letzten Jahre stark angezogen. Hinzu kommt, dass nicht nur Amerika unter einer extremen Wetterlage leidet: Ein später Monsun in Indien und eine anhaltende Hitzewelle in Südeuropa erhöhen die Unsicherheit noch weiter. Und aus Unsicherheit lässt sich Profit schlagen. Auch wenn die Preise noch weit von den Spitzenwerten des Vorjahres entfernt sind, befürchtet die Food and Agriculture Organisation, dass es zu starken Preisschwankungen kommt. Unbeständige Preise schaffen Märkte für den Handel mit und die Spekulation auf die zukünfitge Entwicklung. Trader sind aufgrund der laxen Regulierungen von Futures vielleicht die einzigen, die die sengende Hitze genießen können.Hier lohnt es sich, einen Blick auf die Geschichte zu werfen. Rekord-Temperaturen; Bauern, die ihre Ernten verlieren; Banken, die den Armen das Land wegnehmen; ein Präsident, der von seinen Gegnern des Sozialismus verdächtigt wird – das alles gab es in den Dreißigern während der sogenannten Dust Bowl schon einmal. Damals dauerte die Dürrephase fast zehn Jahre lang. Bis 1938 waren 80 Prozent der Great Plains von Winderosion betroffen. Die kleinen Landwirte verschuldeten sich immer mehr bei den Banken und waren nicht in der Lage, aus eigener Kraft etwas gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage zu unternehmen. So wurde der Soil Conservation Service ins Leben gerufen, um den Landwirten direkt zu helfen. Doch diese brauchten mehr als jemanden, der ihnen bei der Pflanzung neuer Bäume halft und so wurden auch Veränderungen im Bankensystem vorgenommen, Vorschriften erlassen, um den Zwangsvollstreckungen ein Ende zu bereiten, den großen Preisschwankungen wurde mit einer Stabilisierungspolitik entgegengewirkt und im Rahmen von New Deal und der Einrichtung der Arbeitsbeschaffungsbehörde Works Progress Administration wurden Arbeitsplätze geschaffen und ehemaligen landwirtschaftlichen Familienbetrieben geholfen, das Landleben für immer hinter sich zu lassen.Diese Maßnahmen kamen nicht von alleine, sondern mussten durch die weit verzweigte Mobilisierung sozialistischer Initiativen hart erkämpft werden. All das ist erwähnenswert, weil sich im Vergleich dazu nach der Lebensmittelkrise von 2008 so wenig getan hat. Die US-Regierung hat nicht genügend Getreide auf Vorrat, um die Preise stabilisieren zu können. In den Neunzigern wurden öffentliche Getreidereserven als wirkungslos abgetan. Es ergebe doch keinen Sinn, Berge von Getreide anzuhäufen, wenn man sich im Notfall am Markt bedienen könne. Gott behüte, die Regierungen könnten in den Bankensektor eingreifen oder öffentliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auflegen, so dass die Hungernden, von denen 60 Prozent Frauen und Mädchen sind, sich etwas zu essen leisten können!Der amerikanische Landwirtschaftsminister, Tom Vilsack, hat etwas anderes zu bieten: „Jeden Tag gehe ich auf die Knie und jetzt spreche ich ein zusätzliches Gebet. Würde ich ein Regengebet oder einen Regentanz kennen, dann würde ich das machen.“ Die Politiker haben nichts zu sagen. Träge sprechen sie Mantras von landwirtschaftlichen und finanziellen Innovationen, die schon bald für Abhilfe schaffen würden. Doch die Hitze ist sengend und die Sonne steht hoch. Ihre Oase ist eine Luftspiegelung.