Naftali Bennett glaubt nicht an eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Er will den stattdessen in „Ewigkeit „managen“. Der religiös-nationalistische Hardliner, früher Chef einer wichtigen jüdischen Siedler-Vereinigung und jetzt Israels wohl nächster Premier legt seine Pläne für Millionen Menschen, die unter israelischer Besatzung leben, komplett offen.
Ein Video auf seiner YouTube-Seite präsentiert einen farbenfroh animierten Plan des rechten Hardliners. Er ist in einem heiterem Ton gehalten, der nicht zu der gravierenden Botschaft passt: „Es gibt Dinge, von denen wir alle wissen, dass sie nie passieren werden", sagt ein unbeschwert klingender Sprecher. „Ein Friedensabkommen mit den Palästinensern wird es nicht geben.“ Dann wird Bennetts Vision im Detail beschrieben. Ganz oben steht die Annexion des größten Teils der besetzten Westbank, die aus Sicherheitsgründen notwendig sei, damit Hunderttausende von jüdischen Siedlern dort bleiben können, und weil Israel die Wasserressourcen dort kontrollieren will. Der präsentierte Vorschlag, der auf einem 2012 von Bennett veröffentlichten Sieben-Punkte-Plan basiert, würde die meisten Palästinenser im Westjordanland in städtische Enklaven mit begrenzter Kontrolle über ihr Leben zwingen. Ein paar Zehntausend würden die israelische Staatsbürgerschaft erhalten, um „jeglichem Vorwurf von Apartheid entgegenzuwirken“, heißt es.
Hetzerische Rhetorik
Den Menschen, die in den geographisch getrennten Gebieten Westbank und Gazastreifen leben, soll dabei keine „Verbindung“ miteinander erlaubt sein. Zu groß ist die Angst, „Gewalt, Instabilität und Probleme“ im von der Hamas regierten Gaza in die Westbank zu tragen. Definitiv nicht vorgesehen ist ein eigener Staat für die Palästinenser in der Westbank, über die Israel die „komplette Sicherheitskontrolle“ behalten soll.
Kritiker Israels innerhalb und außerhalb des Landes argumentieren, dass die Realität in den besetzten Gebieten Bennetts Plan sehr ähnlich sähe ebenso wie ein jetzt verworfener Vorschlag der Regierung Trump. Auch der bisherige Regierungschef Netanjahu äußerte die Absicht, künftig große Teile des Westjordanlandes zu annektieren. Bennett war früher Netanjahus Chefberater, Mitglied der Likud Partei, dazu Bildungs- und Verteidigungsminister unter Netanjahu. Netanjahu-kompatibel, nennt ihn der Politikwissenschaftler Menachem Klein von der Bar-Ilan Universität.
Und während Netanjahu regelmäßig seine nationalistischen Ambitionen mäßigt, wenn er auf Englisch zu einem internationalen Publikum spricht, das weiter auf eine Zweistaatenlösung fokussiert ist, zeigt Bennett unverhohlenen einen biblisch inspirierten Pro-Siedler-Eifer.
Der 49-Jährige ist berüchtigt für hetzerischen Bemerkungen über die Palästinenser. Palästinensische „Terroristen gehören getötet, nicht freigelassen“ äußerte er 2015. Drei Jahre später, als palästinensischen Demonstranten an der Grenze zu Gaza mit tödlicher Gewalt begegnet wurde, forderte er, die Israels Armee solle eine „Schießen-um-zu-töten“-Politik verfolgen, auch wenn es um Minderjährige geht. „Ich würde Terroristen nicht erlauben, jeden Tag die Grenze aus Gaza zu überqueren“, so Bennett. Seine Antwort auf die Frage, ob die Armee auf Kinder ziele: „Es sind keine Kinder. Es sind Terroristen. Machen wir uns nichts vor.“
Ideologisch weit entfernt
Als Bildungsminister unterstützte Bennett ein Gesetz, das es Gruppen, die den Streitkräften oder dem Staat kritisch gegenüberstehen, verboten hat, Schulen zu betreten und mit Schülern zu sprechen. „Jeder, der durch die Welt wandert und Soldaten attackiert, wird keine Schule betreten“, erklärte Bennett, als das Gesetz verabschiedet wurde. Ein Oppositionspolitiker wie Yair Lapid, der die Koalition gegen Netanjahu maßgeblich zu verantworten hat, ist mit seiner Yamina-Partei ideologisch weit entfernt von Bennett. Beide Politiker bezeichneten sich in den vergangenen Tagen gegenseitig als Freunde. „Die Linke macht hier keine leichten Kompromisse, wenn sie mir die Rolle des Ministerpräsidenten gewährt“, sagte Bennett vor Tagen in einer Rede.
Der Pakt versetzte rechtsextreme Wähler in Wut, die Bennett vorwerfen, seinen Prinzipien untreu geworden zu sein, indem er sich mit einem Mann zusammentut, von dem sie dachten, dass er ihn verabscheue. Es kam zu Protesten gegen den Deal vor Bennetts Haus in der wohlhabenden Stadt Ra’anana nördlich von Tel Aviv, wo der Politiker mit seiner Frau und den gemeinsamen vier Kindern lebt. Sein Schutz musste verstärkt werden.
Als Sohn von Immigranten aus San Francisco diente Bennett in einer Elite-Einheit des israelischen Militärs, bevor er Hi-Tech-Millionär wurde, indem er 2005 sein Startup für eine Antibetrugssoftware für 145 Millionen Dollar (heute 119 Millionen Euro) an eine US-Sicherheitsfirma verkaufte.
Skepsis gegenüber Bennett
Bennetts wichtigstes Ziel bleibt die Kontrolle Israels über das gesamte Land vom Jordan bis zum Mittelmeer. Der Deals mit Lapid, so die allgemeine Erwartung, wird nicht dazu führen, dass große Entscheidungen zum Thema Besatzung getroffen werden. Man will ein Zerbrechen der heiklen und heterogenen Koalition vermeiden. Doch ist nach Jahrzehnten der Förderung der Siedlungsexpansion und des anhaltenden Zugriffs auf palästinensisches Land nicht zu erwarten, dass Bennett die Hände in den Schoß legt, wenn er Premierminister ist. Seine Devise lautet weiterhin: „Tun, was gut für Israel ist!“
Freilich wird die neue Koalition auch von Anti-Besatzungspolitikern gestützt, jedoch nicht von allen. Für den Abgeordneten Sami Abu Shehadeh, der Israels arabischer Minderheit angehört, ist es „undenkbar“, eine solche, von Bennett angeführte Regierung zu unterstützen, auch wenn dadurch Netanjahu aus dem Amt gedrängt werden kann. Eine Regierung Bennett sei „Lichtjahre entfernt von demokratischem Wandel und unterstützt die Siedlungen wie eine Fortsetzung der Belagerung des Gazastreifens.“ Zudem rechtfertige sie die institutionalisierten Mechanismen, die eine Marginalisierung der palästinensischen Bürger aufrechterhielten. „Wir sind vollkommen gegen Ministerpräsident Netanjahu, den wir für eine Gefahr für die gesamte Region halten“, so Sami Abu Shehadeh. Aber notwendig ist ein fundamentaler Politikwechsel, nicht nur eine personelle Veränderung.“
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