Bitterer Vorgeschmack

Indien Was Narendra Modi nach seinem Wahlsieg vorhat, ist noch unklar. Wenn man von seinem bisherigen Wirken ausgeht, steht dem Land eine noch größere Vetternwirtschaft ins Haus
Ausgabe 21/2014
Narendra Modi
Narendra Modi

Bild: Sanjay Kanojia / AFP / Getty

Es gibt zwar keine Zahlen darüber, wie viel Geld für den Wahlkampf von Narendra Modi und seiner Indischen Volkspartei BJP ausgegeben wurde, Schätzungen gehen jedoch von über 600 Millionen Euro aus. Eine gigantische Summe, die Modi wohl den Wahlsieg erkaufte. Die Rechnung übernahmen einige Großkonzerne, die sich hinter den Kandidaten stellten. Sie sehen in ihm den Garant ihrer lieb gewordenen Vergünstigungen und Anreize. Die Investition hat sich gelohnt: Modi gewann bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit – er kann nun tun und lassen, was er will.

Für die indische Demokratie ist das keine gute Nachricht. Denn Modis Vergangenheit gibt Anlass zur Sorge. In seiner Zeit als Ministerpräsident des Bundesstaates Gujarat fand dort ein antimuslimisches Pogrom statt. Mehrere Menschen wurden ermordet. Es gibt kaum Zweifel daran, dass Modi damals Schuldige ungestraft davonkommen ließ, trotzdem wurde er nie angeklagt – und wie es aussieht, wird das auch nicht mehr passieren. Für Modi zählte einzig das Wiederherstellen der „Ruhe“. Das gelang ihm – aber nur auf Kosten einer gespaltenen Gesellschaft. Die muslimische Minderheit wurde unterdrückt. Heute lebt sie in Gujarat zunehmend ghettoisiert. In von Hindus dominierten Gegenden finden Muslime keine Wohnungen und kaum Arbeit. Dafür greift die Polizei sie häufig auf. Dass diese „Friedhofsruhe“ sich auf ganz Indien ausweiten könnte, ist eine erschreckende Aussicht.

Antimuslimische Rhetorik spielte auch in Modis Wahlkampf eine Rolle. Gerade in der Endphase zeigte die BJP ihr wahres Gesicht. In einer Rede in Westbengalen erklärte Modi, dass nur hinduistische Einwanderer aus Bangladesch willkommen seien, alle anderen würde man wieder zurückschicken. Und in Uttar Pradesh erklärten seine Anhänger, alle, die Modi nicht unterstützten, sollten doch nach Pakistan gehen. Dass diese Aggressivität ihnen an den Urnen anscheinend geholfen hat, ist alarmierend.

Modi schreckte auch vor Einschüchterungen nicht zurück. Als die Wahlkommission eine seiner Veranstaltungen in Varanasi verbieten wollte, drohte er ihr unverhohlen mit „schweren Konsequenzen“. Es könnte ein Vorgeschmack auf den Führungsstil sein, den Modi an den Tag legen wird. Mit viel Widerstand braucht er nicht zu rechnen. Die demokratischen Institutionen Indiens sind schwach. Schmiergelder und Einschüchterungen sind bis in die höchten Ränge des Staats üblich. Die Medien haben ihre Gleichgültigkeit bereits unter Beweis gestellt, indem sie unangenehme Fragen an den BJP-Kandidaten großzügig vermieden.

Was Modi nach seinem Wahlsieg vorhat, ist noch unklar. Noch hat er nicht vorgelegt, wie er die indische Wirtschaft konkret reformieren will. Doch wenn man nach dem geht, was er in Gujarat zu verantworten hat, dann steht dem ganzen Land eine noch größere Vetternwirtschaft ins Haus. Dort förderte er die örtlichen Großkonzerne mit allen möglichen Subventionen, hielt die Löhne aber niedrig und unterdrückte gewerkschaftliche und soziale Bewegungen, um jeden Widerspruch im Keim zu ersticken. Die Wirtschaft wuchs, die Menschen zahlten den Preis. Sollte er diesen Kurs nun auch im ganzen Land durchsetzen wollen, wären das schlechte Nachrichten für Indien.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Jayati Ghosh | The Guardian

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