In Island wurden zu Beginn der Krise im Oktober 2008 jene Männer, die die beiden wichtigsten Banken des Landes in den Ruin geführt haben, durch Frauen ersetzt. „Männer, insbesondere junge Männer, haben es verbockt,“ erklärte Kristjan Kristjanson, der Sprecher des damaligen isländischen Noch-Premierministers.
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Wenn aber bei der Neubesetzung der Posten für die isländischen Behörden von oberster Priorität war, dass jemand mit der bis dahin praktizierten Misswirtschaft nichts zu tun hatte, hätte man doch auch ein neues Management aus den Reihen pensionierter Dorschfischer zusammenstellen können. So immerhin wäre der Öffentlichkeit glaubhaft versichert worden, dass es sich bei denjenigen, die damit beauftragt wurden, den Schlamassel wieder zu beseitigen und denen, die ihn überhaupt erst verursacht haben, garantiert nicht um dieselben Personen handelt.
Ein Irrtum
Schlagzeilen wie „Das Testosteron ist schuld“ suggerieren eine hormonell bedingte Kollektivschuld des männlichen Geschlechts und erwecken den Eindruck, die Ursachen der Finanzkrise lägen in einem Verhalten, das ebenso asozial und geschlechtstypisch sei, wie Kriege anfangen oder die Eier von seltenen Vögeln klauen. Es packt einen direkt die Angst, wenn man sich bewusst macht, dass dasselbe Hormon auch im Blutkreislauf von Krankenpflegern, Busfahrern, Grundschullehrern und sogar männlichen Politikern zirkuliert.
In einer Diskussion zum Thema „Frauen und Finanzkrise“ sagte die Teilnehmerin Ros Altman, „weibliche Werte“, wie eine „mitfühlende, verantwortungsbewusste Haltung, die auch an morgen denkt“ hätten in der Finanzbranche gefehlt. Stattdessen hätten „sehr kurzfristiges Denken“ und Interesse „an kurzfristiger Rendite“ vorgeherrscht. Schon klar: Die Tatsache, dass sich so wenige Beispiele aufdrängen, in denen weibliche Angestellte vergeblich versucht haben, dieser unrühmlichen Kultur ein Ende zu machen, bedeutet eben nicht, dass völlig anders gesinnte Frauen, wären sie noch dazu in großer Zahl gewesen, es anders gemacht hätten.
Bei der Debatte um Frauen im Finanzsektor erntete die Machokultur bislang doch eigentlich weniger Kritik für Risikoverhalten und Ausrichtung auf kurzfristigen Profit, als dafür, dass es sexistisch sei, dass Frauen nicht mitspielen dürften. Hieß es bisher nicht immer, weibliche Banker sollten gleichberechtigt um Boni wetteifern dürfen? Damals hätte mal jemand andeuten sollen, Frauen wären weniger waghalsig! Was, wenn die Frauen, die sich damals über die sexistische Diskriminierung beschwert haben und dafür übrigens sehr viel Aufmerksamkeit erhielten, auch darauf hingewiesen hätten, dass die Testosteronschübe ihrer männlichen Kollegen zu einem Zusammenbruch der weltweiten Finanzmärkte führen würden?
Bizarres Schauspiel
Der Theorie von den ungezügelten Hormonen legt nahe, Frauen wären in der verantwortungslosen Vorkrisenzeit für eine Tätigkeit im Finanzwesen aufgrund ihrer moralisch überlegenen Qualitäten nicht geeignet gewesen. Diese Überlegung öffnet, wie reduzierende biologistische Theorien der sexuellen Determinierung es so an sich haben, auch weniger schmeichelhaften sexuellen Stereotypen die Tür. Bedenkt man, wie überzeugend die These der Gleichheit der Geschlechter ist, die besagt, dass Männer und Frauen in psychologischer Hinsicht allergrößtenteils, wenn nicht vollständig gleich sind, ist es ein bizarres Schauspiel, dass nun eine der Säulen der Gleichberechtigung der Geschlechter ausgerechnet von denjenigen angesägt wird, denen sie zugute kommt.
War etwa der vielbeschimpfte ehemalige Harvard-Präsident Larry Summers, der behauptete, dass Frauen an der Spitze der Naturwissenschaften unterrepräsentiert seien, weil ihnen möglicherweise das entsprechende Gen fehle, sexistischer als jemand, der nun behauptet, dass Frauen durch ihr überlegenes „Verantwortungsbewusstsein“ prädestiniert seien, die Finanzinstitute zu retten, die durch den Testosteronüberschuss zu Schaden gekommen seien?
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