Bloggen für den Frieden

Nahost Im realen Leben gilt faktisch eine Kontaktsperre zwischen Syrern und Israelis. Eine neue Internetseite, die sich der Verständigung widmet, wird auch von Damaskus akzeptiert

Syrer und Israelis überwinden im Internet einen der tiefsten Gräben des Nahen Ostens und loten Wege und Möglichkeiten aus, den Frieden zwischen ihren beiden Ländern näher zu bringen. Die Seite OneMideast.org will prominente israelische und syrische Blogger, Akademiker und Experten zusammenbringen, um aus der verfahrenen Verhandlungssituation wieder herauszukommen. Der erste syrisch-israelische Online-Dialog dieser Art ist ein bemerkenswerter Schritt für die beiden Länder, die sich seit über 60 Jahren im Kriegszustand befinden und deren gemeinsame Grenze – eine von den UN vermittelte Waffenstillstandslinie auf den von Israel seit 1967 besetzten und seitdem schwer gesicherten Golanhöhen – ist geschlossen. Den Angehörigen der beiden Nationalitäten ist es verboten, das jeweils andere Land zu besuchen, direkte Kommunikationswege gibt es nicht. Die Behörden in Damaskus haben aber bereits vorangegangenen spontanen Austausch über das Internet toleriert und gegen den Launch dieser permanenten Online-Plattform anscheinend nichts einzuwenden.

„Das ist der erste systematische Versuch dieser Art zwischen zwei verfeindeten Ländern überhaupt, nicht nur zwischen Syrien und Israel“, sagt Camille Ortrankji, der auf syrischer Seite beim Betrieb der Seite mithilft. „Es ist ein Experiment. Wir hoffen, dass es die Dinge einen Schritt weiter bringt.“ Yoav Stern, einer der israelischen Organisatoren der Seite, löste in beiden Ländern großes Interesse aus, als er in Israels führender links-liberaler Tageszeitung Haaretz über syrische Blogger berichtete. „Wir sind es gewohnt, einander zu dämonisieren. Hier verhält sich die Sache anders.“ Ein Jahr lang haben Wissenschaftler, Journalisten, Geschäftsleute und andere Fachleute aus beiden Ländern die strittigen Themen in einem privaten Online-Forum besprochen. Sie erstellten eine Liste mit allen möglichen Einwänden, die von beiden Seiten gegen einen Frieden erhoben werden könnten und wählten die 20 aus, die man in Syrien und Israel am häufigsten zu hören bekommt. Danach erarbeitete die Gruppe zu jedem der Vorbehalte überzeugende Gegenargumente.

Nicht Verhandlungen, nur Kommunikationsübungen

Trotz der erbitterten Feindschaft, standen die Friedensverhandlungen zwischen den beiden Ländern in den vergangenen 20 Jahren schon dreimal kurz vor einem Durchbruch. Offiziellen syrischen Stellen zufolge konnten 85 Prozent der Probleme, einschließlich entscheidender sicherheitspolitischer Fragen, bereits mit vier israelischen Verhandlungsführern, von Jitzchak Rabin bis Ehud Barak gelöst werden. Die Türkei vermittelte 2008 vier weitere Gesprächsrunden, die allerdings ebenfalls zu keinem Ergebnis führten. Viele Experten sind nach wie vor der Ansicht, dass Syrien auch dann kein Friedensabkommen mit den Israelis unterzeichnen würde, wenn dieses die vollständige Rückgabe der Golanhöhen vorsähe, solange es nicht Teil eines umfassenden Abkommens unter Berücksichtigung der Palästinenserfrage wäre.

Syrien sieht inoffizielle Friedensinitiativen wie die eines israelischen Diplomaten im Ruhestand und eines amerikanisch-syrischen Geschäftsmannes nicht gern – die beiden hatten angeregt, den Golan in ein Naturschutzgebiet zu verwandeln. „Wir legen Wert darauf, dass dies keine Verhandlungen sind, sondern lediglich Kommunikationsübungen“, betont Otrankji. Die Organisatoren wollen vermeiden, dass ihrem Projekt das Gleiche widerfährt wie der hoch angesehenen, in den USA ansässigen Internetplattform Syria Comment, die von pro-israelischen Bloggern angegriffen wurde.

Der nächste Schritt für OneMideast.org wird nun darin bestehen, Experten und Meinungsmacher beider Seiten zur weiteren Diskussion über den Friedensprozess einzuladen auf der Seite konstruktives Feedback zu geben, das auf der Seite veröffentlicht werden kann. In den israelischen Medien war gestern zu lesen, Assad habe ein Angebot von Israels Präsident Shimon Peres abgelehnt, wonach Israel die Golanhöhen unter der Bedingung zurückgeben würde, dass Syrien seine Beziehungen zu Iran, Hisbollah und der Hamas abbricht.


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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Ian Black | The Guardian

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