Die Geschichte von Andrew Rugasira beginnt vor knapp zehn Jahren. Damals hatte er die Vision, in seinem Heimatland Uganda ein Unternehmen aufzubauen, das mit Kaffee handelt. Rugasira wollte der erste Afrikaner sein, der hochwertigen Kaffee erntet, röstet, vertreibt und direkt an europäische Supermarktketten verkauft. Damit wollte er zeigen, dass es nicht gut gemeinte Hilfe ist, die etwas verändert, sondern nur der freie Handel. Und er wollte beweisen, dass eine nachhaltige Veränderung niemals von außen kommen kann, sondern dass sie eine bewusste Entscheidung derjenigen sein muss, auf deren Leben sie sich auswirkt.
Als Standort für sein Unternehmen wählte er das Ruwenzori-Gebirge. Die zum Teil 5.000 Meter hohen „Mondberge“, wie sie auch heißen, kannte damals kaum jemand. Schriftliche Aufzeichnungen über das Leben der 14.000 Kleinbauern, die hoch über der Stadt Kasese nahe der kriegsgeschundenen Grenze zur Demokratischen Republik Kongo lebten, gab es keine. Ihre mündlichen Erzählungen handelten nicht von Fortschritt und Entwicklung, sondern schlicht vom Überleben. Sie waren vollständig damit beschäftigt, durch den nächsten Tag zu kommen. Ohne technische Hilfsmittel, ohne Transport- oder Zugangsmöglichkeiten zu Märkten bewirtschafteten sie kleine Streifen Land. Und warteten darauf, dass – vielleicht bald, vielleicht aber auch nicht so bald – Zwischenhändler durchreisten und ihnen ihre Kaffeebohnen abkauften. Allerdings passierte das nie zu einem fairen Preis.
Rugasira war überzeugt, dass er das Leben dieser Menschen verbessern könne. Er wollte zeigen, dass Kompetenzen gemeinsam erlernt und in der Gemeinschaft auch weitergegeben werden können. Und er wollte beweisen, dass kontinuierliche Anstrengungen sich auszahlen können. Also ging er mit 34, nachdem er als Manager und Unternehmensberater in der ugandischen Hauptstadt Kampala gearbeitet hatte, hinauf in die Berge und erzählte den Bauern, was ihm vorschwebte.
Von einem der ersten Treffen mit einer Gruppe Dorfältester berichtet er in seinem gerade auf Englisch erschienenen Buch The Good African Story: „Ich erzählte den Menschen von meinem Frust, dass Afrikaner im Westen und manchmal auch selbst daheim als bloße Bettler betrachtet werden: unfähig, benachteiligt, arm, hilflos.“ Er sagte den Bergbauern, dass er entschlossen sei, „mit ihrer Hilfe diese Sichtweise zu korrigieren“. In diesem Moment stand ein junger Mann auf und hob die Hand: „Ich heiße Charles Kahitson“, stellte er sich vor. „Ich bilde andere Landwirte aus. Wenn Sie nach Kasese kommen und Ausbilder brauchen, würde ich gern mit Ihnen arbeiten.“
So fing es an. Mit der Unterstützung von Kahitson und anderen begann Rugasira ein Netzwerk von Bauern aufzubauen, die das Wissen um die besten Anbaumethoden, um die Nassaufbereitung des Kaffees, die Fruchtfolgen und effiziente Erntemethoden weitergaben. Zudem organisierten sie Mikrokredite. Außerdem sagte Rugasira zu, seine Firma Good African würde einen fairen Preis garantieren und Profite mit den beteiligten Landwirten teilen. Und er versprach, in die Welt hinauszugehen, um ihr Produkt zu verkaufen und ihre Geschichte zu erzählen.
Ein-Mann-Delegation
Ich bin Andrew Rugasira erstmals begegnet, als er im Jahr 2005 die Anfänge seiner Geschichte vor dem britischen Oberhaus präsentierte. Er sprach dort neben einem Banner, auf dem „Handel statt Hilfe“ stand. Als Beleg für seinen Glauben an die Kraft der Selbsthilfe konnte er an diesem Tag auf das kleine Wunder verweisen, dass sein Kaffee gerade in die Regale der Supermarktkette Waitrose einsortiert wurde. Ein paar Wochen später reiste ich in die Mondberge, um die Geschichten der Bauern aus erster Hand zu hören. In Kasese machte Rugasira mich mit einigen bekannt. Sie demonstrierten stolz die Verarbeitungstechniken, die sie beherrschten, sprachen von Fortschritten bei Erträgen und Qualität. Und von den Anbauten, die sie nach und nach an ihren Ein-Zimmer-Hütten vorgenommen hatten.
In den Jahren seither habe ich Rugasira immer mal wieder getroffen, wenn er nach England kam, um seine Geschichte weiterzuerzählen und damit um Kapital und Lieferverträge für seine Firma zu werben. Diese afrikanische Ein-Mann-Delegation schien manchmal voller Hoffnung – etwa als er Verträge mit weiteren Supermarktketten abschloss. Manchmal, wenn er Probleme mit der Finanzierung hatte oder versuchte, die hart erkämpften Kontrakte zu retten, war er sehr verzweifelt. Er errichtete eine Kaffeerösterei in den Mondbergen, um zu zeigen, dass auch vor Ort eine Wertsteigerung des Produktes erzielt werden kann. Er expandierte nach Amerika. Und er ließ mich wissen, was sich im Leben der Bauern, die ich kennengelernt hatte, verändert hatte – wer sich ein Fahrrad gekauft hatte, wer seine Kinder nun auf eine gute Schule schickte.
Sechs Jahre nach der Gründung von Good African schrieb er sich überraschenderweise für ein Masterstudium der Afrika-Studien an der Universität Oxford ein. Damit erfüllte er ein altes Versprechen, das er seiner Mutter einmal gegeben hatte. Er hatte nach der Schule an der Universität London einen Bachelor gemacht, wurde dann aber durch den Tod seines Vaters gezwungen, nach Hause zurückzukehren. Dort sah er sich in einem noch immer von den brutalen Regimes Idi Amins und Milton Obotes gebeutelten Land in die Rolle des Familienoberhaupts gedrängt. Oxford musste 20 Jahre warten. Als er schließlich sein Studium dort antrat, ließ er seine Frau und seine fünf Kinder in Uganda zurück – ebenso wie sein Unternehmen. Ich traf ihn ein paar Mal während dieser Studienzeit. Er lebte spartanisch und versuchte zugleich, über die Distanz hinweg Good African zu führen und ein guter Ehemann und Vater zu sein. Zudem schrieb er auch noch sein Buch.
In der Times schrieb ein Rezensent, aus den Memoiren spräche „verfrühter Triumph“. Die Geschichte von Good African sei noch nicht zu Ende, das Modell nicht bewiesen. Rugasira sagt dazu: „Ich fand, es sei an der Zeit, eine Debatte anzustoßen. Plötzlich heißt es überall, Afrika stünde für Geschäfte offen. Aber niemand sagt, was das heißen soll.“ In dem Buch demontiert er kenntnisreich Hilfsprogramme von NGOs, erörtert den historischen Kontext von Staatsversagen und Korruption in Afrika und zeigt, dass Wandel dort immer noch oft mehr Wunsch als Wirklichkeit ist. Nicht Triumph zieht sich durch diese Seiten, sondern viel Frust und Mühsal. Es hat sich zwar seit 2003 einiges getan, damals galt Afrika noch praktisch ausschließlich als Betätigungsfeld für wohltätige Zwecke – aber nicht immer half das den Menschen.
Zwei Diskussionen gebe es momentan, sagt Rugasira: „Eine findet unter Investoren statt. Sie verweisen auf den McKinsey-Bericht, demzufolge das Wachstum in Afrika sechs bis sieben Prozent beträgt. Da haben sie natürlich Interesse.“ Doch dann gebe es noch die anderen, fügt er hinzu. „Sie werden auf unserem Kontinent geführt – in der wachsenden jungen Bevölkerung, die noch immer auf der Suche nach Arbeit und Kapital ist. Es ist egal, wie oft jungen afrikanischen Unternehmern gesagt wird, Afrika sei offen für Geschäfte. Es bleiben Geschäfte zu den Konditionen anderer.“
Rugasiras Groll richtet sich gegen gut gemeinte Auslandshilfe und zweckgebundene Investitionen. „Es ist einfach, an einem abgelegenen Ort ein Wasserloch zu bohren, die Medien dort hinzubringen und zu sagen: ‚Schaut, diese Menschen haben jetzt Wasser.‘ Es sind aber immer noch die gleichen, verarmten Leute, nur mit einem Bohrloch. Die Frage muss lauten: Wie versetzt man sie in die Lage, ihr eigenes Loch zu bohren?“ Er zitiert das Buch Kicking away the Ladder des Wirtschaftswissenschaftlers Chang Ha-joon. Dieser kritisiert, dass alle Industrienationen interventionistische und protektionistische Maßnahmen angewandt haben, um zu Wohlstand zu gelangen, und nun verhindern, dass Entwicklungsländer es ihnen gleichtun.
Kein langfristiges Kapital
Mit diesem Paradox, das so vielen afrikanischen Unternehmern das Leben schwer macht, kämpft auch Rugasira: „Um zu wachsen braucht man eine langfristige Markterwartung. Aber man kriegt keinen Zugang zu langfristigem Kapital. Ich wurde von afrikanischen Banken für die Kreditvergabe um Bestellnachweise der Supermarktketten gebeten. Ich musste ihnen erklären, dass es so nicht funktioniert.“ Eine Folge war, dass zwei große Ketten Good-African-Kaffee vergangenes Jahr wieder aus den Regalen nahmen. „Bei Waitrose konnten wir nicht die geforderten Verkaufszahlen erfüllen. Wir hatten nicht die Ressourcen, um die nötige Werbung zu bezahlen.“
Seit der Firmengründung stand Rugasira mehrmals kurz vor der Pleite. Er hat sein Haus verkauft und ist mit seiner Familie in eine kleinere Wohnung gezogen. Und es gab Tage, an denen er den Kaffee, der ihm geliefert wurde, nicht bezahlen konnte. Doch auch das hat ihn etwas gelehrt: „Erst als die Bauern sahen, dass auch wir als Firma finanziell ein Risiko eingingen, erkannten sie, dass wir es ernst meinen. Als wir ihnen sagten: ‚Wir können euch diese Woche nicht bezahlen‘, ließen sie uns nicht stehen, wie ich befürchtet hatte. Sie sagten: ‚Okay, behaltet den Kaffee und zahlt nächste Woche.‘“
Nachdem er mit seiner Initiative die Qualität und Verlässlichkeit der Kaffeeproduktion im Ruwenzori-Gebirge gesteigert hatte, sind nun andere Aufkäufer auch dorthin gekommen und konkurrieren mit ihm. Rugasira sieht aber auch das positiv. „Ich habe zu meiner Frau gesagt: ‚Wo sonst hätten wir die Dinge lernen können, die wir in diesen acht Jahren gelernt haben?‘“ Dann lacht er: „Sie stimmt mir zu, aber sie will auch, dass ich dieses Jahr die Schäfchen ins Trockene bringe. Andernfalls will sie wissen, wo ich mich demnächst überall bewerbe.“
Er hofft, sein Buch zeige „die Würde, die es hat, etwas selbst zu schaffen“. Er hat gerade den Ausbildern, die für ihn Kaffeebauern schulen, Exemplare geschickt. Kurz darauf erhielt er einen Anruf: „Ich möchte dir danken, dass du meinen Namen Charles Kahitson in die Welt getragen hast“, rief es aus dem Hörer. „Dabei habe ich das gar nicht gemacht“, sagt Andrew Rugasira und lacht auch. „Charles hat die Gelegenheit genutzt, es selbst zu tun.“
Klassisches Produkt des "Fairen Handels"
Kaffee gehört zu den wichtigsten Welthandelsgütern – und ist für viele Länder der südlichen Hemisphäre eine Haupteinnahmequelle. Bei den 25 Millionen Kaffeebauern weltweit kommt aber in der Regel nur ein geringer Prozentsatz des Preises an, den der Endverbraucher im Laden bezahlt. Zudem treffen Kleinbauern die Preisschwankungen
des globalisierten Marktes besonders hart, da sie ihre gesamte Existenz auf die Einnahmen aus dem Kaffeeanbau gründen. Deshalb gelten Kaffeebohnen als klassisches Produkt des „Fairen Handels“, durch
den die Produzenten stärker am Gewinn beteiligt werden sollen und ihnen ein Mindestpreis garantiert wird. In Deutschland vergibt
der gemeinnützige Verein TransFair das Fairtrade-Siegel. 7.200 Tonnen Fairtrade-Kaffee werden hier jährlich verkauft.
Andrew Rugasiras Good-
African-Kaffee gibt es bisher nur in Großbritannien flächendeckend zu kaufen. In den USA hat er zudem einen Online-Vertrieb aufgebaut. Von seinen Erfahrungen als afrikanischer Geschäftsmann, der auf seine Eigenständigkeit pocht und mit Geschäften
das Leben von Menschen vor Ort verbessern will, erzählt er in seinem gerade erschienen Buch A Good African Story (Bodley Head Adults). jap
Tim Adams ist Reporter des Observer
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