Bürger auf dem Öko-Laufsteg

Stromsparen Ein Trottoir, auf dem sich Strom gewinnen lässt? In Toulouse flanieren die Bürger schon Probe und lassen eine Straßenlampe aufleuchten

Als Teil eines breit angelegten Versuchs, die französische Technologie-Hauptstadt im Südwesten der Republik in Sachen grüne Energie ganz nach vorne zu bringen, testen die örtlichen Behörden gerade ein Verfahren, das die beim Gehen der Passanten entstehende Energie in Elektrizität für den Betrieb der Straßenbeleuchtung umwandelt.

Die Konstrukteure behaupten, die mit acht speziell entwickelten Modulen versehene Teststrecke im Zentrum der Stadt könne in zweiwöchigen Testphase zwischen 50 und 60 Watt Elektrizität liefern – genug, um eine in der Nähe befindliche Straßenlaterne zu versorgen.

Es ist das erste Mal, dass die Module des niederländischen Unternehmens Sustainable Dance Club (SDC) auf der Straße getestet werden. Entwickelt wurden sie für den Einsatz in Nachtclubs. Der für nachhaltige Entwicklung zuständige stellvertretende Bürgermeister der Stadt, Alexandre Marciel, schreibt dieser neuen Anwendungsmöglichkeit großes Potential zu. „Die Idee existiert schon lange in den Köpfen der Menschen, aber bisher hat sie noch niemand in die Realität umgesetzt.“

Mikrosensoren unter den Füßen

Toulouse ist die jüngste Zwischenstation für die SDC-Module, die ihren ersten Auftritt im vergangenen Jahr im Rotterdamer Club Watt hatten und seitdem die Phantasie von Konstrukteuren auf der ganzen Welt angeregt haben. Mit Mikrosensoren versehen, die Energie produzieren, wenn Menschen darüber laufen, sieht Marciel in den Modulen eine völlig neue Möglichkeit, den Energiehaushalt der Städte zu mindern. „Wir beobachten, dass im öffentlichen Raum Energie verschwendet wird und es gut wäre, sie irgendwie zurückzugewinnen. Diese Idee ist natürlich nicht neu, was das niederländische Start-up entwickelt hat, indes schon.

Obwohl die Behörden nach eigenen Angaben auch gegenüber den Skeptikern unter den Toulouser Bürgern bewiesen haben, dass die Idee funktioniert, räumen sie zusammen mit den Konstrukteure auch Schwierigkeiten ein. Der Prototyp der Module war nicht auf der Straße einsetzbar, „man musste schon auf sie drauf springen wie ein Känguru, damit sie funktionierten“. Also musste eine Variante entwickelt werden, die auch bei normalem Gehen immer noch genügend Energie für den Betrieb der Laternen produzierte.

Energie fürs Fußballstadion

Seit vergangenem Jahr wurden die Konstrukteure von SDC mit Bestellungen für die Module überschwemmt. Toulouse ist zwar die erste, aber nicht die einzige europäische Stadt, die ihr Potential erkannt hat. Der Marketingdirektor des Unternehmens, Jaap van den Braak, erzählt, Rotterdams Fußballstadion habe unlängst den Vertrag für ein Pilotprojekt unterzeichnet. „Es gibt eine ganze Reihe solcher Pilotprojekte an Orten wo viele Menschen in Bewegung sind, wie Bahnhöfen oder Sportstadien.“

Marciel räumt ein, es sei noch ein langer Weg, bis die Straßenbeleuchtung aus dem Bürgersteig Wirklichkeit werden könne. Die verhältnismäßig hohen Kosten der Module seinen noch ein Hindernis. Wo der politische Wille vorhanden sei, dürfte dies seiner Meinung nach die Behörden aber nicht abschrecken. „Toulouse will in Sachen praktischer Innovationen, die auf die Bedürfnisse unserer Bürger eingehen, zur Hauptstadt zu werden“, so Marciel. Er fügte hinzu, ein Versuch mit hitzeempfindlichen Laternenpfählen habe dazu geführt, dass zwei Unternehmen die Idee kommerziell nutzen.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

The Guardian

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