Bush war ganz anders

Selbstsanierung Mit seinen Memoiren "Decision Points" beschreibt sich der Ex-Präsident als unbedingter Freund der Diplomatie, dem nichts ferner lag, als in einen Irak-Krieg zu ziehen

Die Kongresswahlen am 2. November hielten schlechte Nachrichten für den armen George Bush bereit, der inzwischen seit zwei Jahren aus dem Amt ist und die meiste Zeit bemerkenswert still hielt. Als sie beim Verlassen der Wahllokale gefragt wurden, wen sie für die Wirtschaftskrise verantwortlich machen, nannten 35 Prozent der Befragten zwar erwartungsgemäß die Wall Street, doch auf Platz zwei folgte nicht etwa Barack Obama, sondern George Bush mit 29 Prozent. Obama erreichte mit 24 Prozent Platz drei.

Inzwischen ist er ein Multimillionär im Ruhestand – für seine Memoiren bekam er einen Vorschuss von sieben Millionen Dollar und hat bis ans Ende seiner Tage ausgesorgt. Aber sicher will er in die US-Geschichte nicht als einer der schlechtesten Präsidenten aller Zeiten eingehen. Hier kommt Decision Points ins Spiel, sein neues Buch, das als Ausgangspunkt eines Rehabilitationsprozesses gelesen werden kann.

Minimum an Respekt

Der Bush dieser Autobiografie ist bescheidener und gemäßigter als der Präsident, an den sich die Amerikaner erinnern. Jenem wollte 2004 bei einer Pressekonferenz (als im Irak Chaos und Zerstörung wüteten) auf die Frage nach Entscheidungen, die er bereue, partout nichts einfallen. Doch nun meint Bush im ersten Interview zum Buch zu einem der wichtigsten US-Fernsehmoderatoren, er „habe zu den kritischen Stimmen“ des Kriegs gegen den Irak gezählt. Und weiter: „Ich habe der Diplomatie alle Möglichkeit gegeben, erfolgreich zu sein.“

Das tat er mit Sicherheit nicht. Die USA haben Druck auf Mexiko und andere Mitgliedsstaaten des UN-Sicherheitsrates ausgeübt, damit die grünes Licht für den Krieg gaben. Wir wissen aus anderen zuverlässigen Quellen, dass Bush sich den hitzigen Forderungen von Dick Cheney, Donald Rumsfeld und anderen beugte und bereits am 12. September 2001 Saddam ins Visier nahm. Aber es gibt nun einmal gewisse dunkle Wahrheiten, die Männer vom Schlage eines Präsidenten mit ins Grab nehmen müssen.

Was Bush schon immer auszeichnete, war sein Anstand. So äußert er sich in seinem Buch gegenüber Barack Obama ungewöhnlich zuvorkommend. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der Autor seine Memoiren schrieb, während Obama darauf aus war, jeden daran zu erinnern, dass nicht er der Typ war, der – was die Wirtschaft betraf – den Karren in den Graben setzte. Bush hatte stets beteuert, Jimmy Carters scharfe Kritik an seiner Person habe ihn getroffen und gegen seine Vorstellung verstoßen, dass Präsidenten und Ex-Präsidenten einander ein Minimum an Respekt entgegenbringen sollten. Er tut dies in seinen Memoiren, und es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, ob er das aufrichtig meint.

Es gibt viel zu tun

Das Buch selbst ist nichts weiter als „kompetent, lesbar und platt“, um es mit den Worten Jonathan Yardleys von der Washington Post zu sagen. Interessanter ist die Überlegung, wie Bush nun seine Post-Präsidentschaft ausgestalten will. Die anderen beiden Präsidenten des Medienzeitalters, deren Umfragewerte bei der Amtsniederlegung im Keller waren, sind Carter und Nixon. Letzterer schrieb eine ganze Latte von „tiefgründigen“ Büchern, mit denen er versuchte, die Schmach von sich abzuwenden. Carter entschied sich für gute Taten, baute Häuser für die Armen und betätigte sich häufig als Wahlbeobachter, obwohl ihn seine zunehmend schrille Rhetorik gegenüber Israel in der öffentlichen Meinung der Amerikaner Stimmen kostet. Keines von beidem erscheint mir Bush-gerecht. Doch die Umfragen nach den Kongresswahlen zeigen, dass er gut beraten wäre, etwas zu tun. Etwas Unerwartetes. Vielleicht eine Einrichtung gründen, die verarmte Jugendliche unterstützt. Oder einen unabhängigen Thinktank schaffen, der sich für krisengebeutelte Demokraten auf der ganzen Welt einsetzt, selbst für links-liberale.

Der voreingenommenste Präsident in der Geschichte des modernen Amerikas kann nicht einfach ankommen und sagen, er sei ja gar nicht so und habe alles ganz anders gemeint. Das muss er uns dann schon zeigen.

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Übersetzung: Christine Käppeler
Geschrieben von

Michael Tomasky | The Guardian

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