Ihre Geschichte reicht über Jahrhunderte und Kontinente hinweg bis zur Geburt der Vereinigten Staaten und dem Ausklingen der Aufklärung. Sie hält die Errungenschaften der Menschheit in Krieg und Frieden, Kunst und Wissenschaft, Forschung und Entdeckung fest. Sie gilt als Darstellung der Summe allen menschlichen Wissens. Und nun wird sie nicht mehr gedruckt.
Nach 244 Jahren, dutzenden Auflagen und mehr als sieben Millionen verkauften Ausgaben hat die Encyclopedia Britannica angekündigt, dass keine weiteren Exemplare mehr zu Papier gebracht werden. Die 32 Bände der 2010er-Ausgabe sind die letzten in Druckform. Künftig wird die Enzyklopädie nur noch online herausgegeben.
Manchen Lesern wird diese Nachricht Unbehagen ob des unseligen Kurses dieser irregeleitete
ser irregeleiteten Zeiten bereiten. Andere werden sich fragen, was den Tod des Dinosauriers in Zeiten von Wikipedia so lange hinausgezögert hat. Dabei wird keine dieser Herangehensweisen dem sich am Scheideweg befindlichen Unternehmen gänzlich gerecht.Relikt innerhalb der FirmaJorge Cauz, Präsident von Encyclopedia Britannica, Inc., hat angedeutet, dass die Enzyklopädie ohnehin bereits eine Art Relikt innerhalb der Firma sei, die ihr Hauptgeschäft längst von ihrem Markenkennzeichen auf Online-Lern- und Bildungswerkzeuge verlagert hat.„Das Unternehmen hat sich von einem Anbieter von Informationsquellen zu einem Anbieter von Lern- und Lehrlösungen gewandelt“, so Cauz, der prognostiziert, dass nur fünfzehn Prozent der diesjährigen Umsätze durch die Publikation gemacht werden, die mit ihrem Namen für das Gesamtunternehmen Pate steht. Das meiste davon durch den Verkauf von Abos und Apps. Die übrigen 85 Prozent der Einnahmen würden zum Großteil voraussichtlich durch Lernprodukte und Bildungsdienstleistungen reinkommen, sagte Cauz, der zwar keine genauen Summen nennen wollte, aber erklärte, die Firma mache Gewinne.Encyclopedia Britannica, Inc befindet sich im Besitz des Schweizer Bankenmagnaten Jacqui Safra. Die Webseite des Unternehmens, auf der sich auch die Merriam-Webster-Wörterbücher befinden, wurde im vergangenen Jahr internen Zahlen zufolge von über 450 Millionen Internetnutzern aufgesucht .Auch wenn der Wechsel auf den Lern- und Bildungsmarkt, den die Firma im Laufe der zurückliegenden zehn Jahre vollzogen hat, ein beeindruckendes Beispiel für unternehmerische Anpassungsfähigkeit ist, lassen sich auch deutlich die Probleme mit der Konkurrenz ausmachen, mit denen man es zu tun hat.120.000 vs. 3,9 MillionenDie englischsprachige Wikipedia umfasst 3,9 Millionen Artikel. Die Britannica-Gesamtausgabe 120.000. Wikipedia ist kostenlos. Die Britannica kostet auf DVD inklusive zweier Wörterbücher und einem Synonymelexikon bei Amazon dreißig US-Dollar. Künftig wird der Einzelkunde für 70 US-Dollar ein Jahresabo erwerben können (Universitäten wird pro Student ein Dollar berechnet werden). Cauz sagt, den Preis sei das Produkt wert.„Wir sind vielleicht nicht so groß wie Wikipedia, aber bei uns schreiben Gelehrte und Wissenschaftler, es gibt ein Lektorat und faktenbasierte, gut geschriebene Artikel“, erläutert er. „All dies halten wir für sehr, sehr wichtig. Wir bieten eine Alternative, die wir so vielen Menschen wie möglich zugänglich machen wollen. Wir sind der Ansicht, dass es zwischen 1,2 bis 1,5 Milliarden Suchbegriffe gibt, für die wir die beste Antwort haben.“Auf die Frage, ob das Ende der Monumentalreihe der Motivation innerhalb des Unternehmens nicht einen schweren Schlag versetzt habe, antwortet Cauz, das Gegenteil sei der Fall.„Die Umstellung war gar nicht so schwierig“, erklärt er. „Jedem ist klar, dass wir uns verändern mussten. Im Gegensatz zur Zeitungsbranche haben wir die Auswirkungen des digitalen Wandels schon vor vielen Jahren zu spüren bekommen – wir hatten viel Zeit nachzudenken. Alle gehen mit viel Energie an die Sache heran. Soweit ich weiß, sind wir bislang das einzige Unternehmen, das den Übergang von den traditionellen Medien in die digitale Sphäre geschafft hat und dabei weiterhin Gewinn macht und wächst.“Was wird aus dem "kookaburra"?Doch was ist mit den Kindern und Jugendlichen, die nicht mehr im segensvollen Schatten der physischen Präsenz der Lexikon-Bände aufwachsen werden oder in ihrem Lernen von glücklichen Zufällen geleitet werden, wenn sie etwa den „kookaburra“ (Jägerliest; ein australischer Vogel) nachschlagen und unvermutet auf der nebenstehenden Seite den „komodo dragon“ (Komododrachen) antreffen? „Ich verstehe, dass manchen das Ende der gedruckten Britannica wie der unwillkommene Abschied von einem geschätzten, verlässlichen und vertrauenswürdigen Freund vorkommen mag, der ihnen auf der Suche nach Wissen Entdeckerfreuden bereitete,“ schrieb Cauz in einer Ankündigung der Firma. Letztlich würde das Lexikon aber besser werden, wenn es schließlich die räumlichen Grenzen und die schwarzweiße Endgültigkeit des Drucks hinter sich lasse.„Schon heute sind unsere digitalen Datenbanken sehr viel umfangreicher als die Druckausgabe. Außerdem sind sie immer auf dem neusten Stand, weil wir sie jederzeit innerhalb weniger Minuten überarbeiten können, was wir täglich viele Male tun.“