Nach Europa, Kanada und Mexiko richtet Donald Trump nach der vorzeitigen Abreise vom G7-Gipfel den Fokus auf das eigentliche Ziel seines Handelskrieges – China. Handelsminister Wilbur Ross hat den Auftrag, das monatliche 30-Milliarden-Dollar-Defizit zu reduzieren. Ganz oben auf seiner Liste rangiert der Export chinesischer Hightech-Güter. Dabei steht eines außer Frage, diese Politik ist ein Zeichen von Schwäche, nicht von Stärke. Länder, die auf Protektionismus zurückgreifen, tun das in der Regel aus zwei Gründen: Entweder, damit ihre Ökonomie auf dem Weg nach oben ist, oder um einen Abstieg zu verlangsamen.
Hohe Einfuhrzölle auf industriell verarbeitete Waren halfen den USA im 19. Jahrhundert, ihre Industrie aufzubauen. 1945 waren sie mit Abstand größte Wirtschaftsmacht der Welt und liberalisierten den Handel, um Überseemärkte für ihre Waren zu finden. Protektionistische Tendenzen verschwanden nie ganz und gewannen in den 1980ern aus Angst vor der japanischen Exportwalze wieder an Bedeutung.
Wenn der Kampf zwischen Washington und Peking nur zu einem Handelskrieg führt, kann sich die Welt glücklich schätzen. Doch zeigt die historische Erfahrung, wie gefährlich es sein kann, wenn eine aufstrebende Macht den „Top Dog“ an der Spitze herausfordert. Häufiger schon führte das zu Blutvergießen. Noch gibt es dafür keine Anzeichen. Was relevante Aspekte wie technologische Ausgereiftheit, Militärmacht und Pro-Kopf-Einkommen angeht, liegen die USA meilenweit vorn. Aber China holt auf und ist mitnichten an einer Arbeitsteilung interessiert, bei der sich der Westen die cleveren Jobs sichert, und man selbst mit billiger Arbeit abgespeist wird.
Handel ist nun einmal eine strategische Frage, deren Beantwortung Regierungen ungern den Kräften des Marktes überlassen, sprich: den Entschlüssen, die in den Vorstandsetagen multinationaler Konzerne getroffen und bei der Welthandelsorganisation in Genf durch Liberalisierungsdeals festgeklopft werden. Handel kann heutzutage ein Ersatz für die direkte militärische Intervention sein, womit sich endgültig das politische Ethos erledigt hat, das im Jahrzehnt nach dem Kollaps des Kommunismus vorherrschte. Damals boomte die globale Wirtschaft und protektionistische Zwänge wurden zurückgefahren. Spätestens die Finanzkrise vor zehn Jahren kassierte freilich die Vorstellung, dass die Welt ein besserer Ort wäre, würde sie allein nach den Glaubenssätzen der Freihändler Adam Smith und David Ricardo funktionieren.
Die Angst vorm Stöpsel
Warum konnte China seine Ausfuhren steigern? Weil es seine Währung wettbewerbsfähig hielt und zuweilen geistige Eigentumsrechte der USA verletzte. Aber der Hauptgrund für das US-Handelsdefizit ist ein anderer: Die Öffnung der Weltökonomie erlaubte es US-Firmen, Produktion an billigere Orte auszulagern und damit den „Rust Belt“ (Rostgürtel) zu unterhöhlen. Zudem führten Billigimporte aus China zu einer niedrigen Inflation und das wiederum zu niedrigen Zinsen. So konnten die US-Haushalte günstig Kredite aufnehmen, um wohlfeil chinesische Waren zu kaufen. Konsequenz: Die USA konsumierten mehr, als sie produzierten, und gaben mehr aus, als sie sparten.
Wenn man so will, hat China durch Investitionen in US-Unternehmen und -Schatzanleihen Amerikas Konsumverhalten finanziert. Die Angst, dass Peking jederzeit den Stöpsel aus der US-Wirtschaft ziehen könnte, indem es sein Engagement aufgibt, hat vorherige Regierungen nervös gemacht. Trump hat entschieden: Die Zeit des Zitterns sei vorbei, so bizarr seine Lösungen auch sein mögen. Steuersenkungen sollen die Ausgaben der Verbraucher fördern, während Zölle der heimischen Produktion höhere Kosten erlauben. Sorgt das für mehr Inflation, wird das eine restriktivere Politik der US-Notenbank nach sich ziehen und die Konjunktur ausbremsen. Eine Rezession wäre die Folge, würde aber garantiert das Handelsdefizit senken.
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