Als Bashar al-Assad seine inzwischen dritte Rede hielt, in der er auf die Protestwelle im Land Bezug nahm, kam Beobachtern des Arabischen Frühlings vieles recht bekannt vor. Es war, als würde er aus einem bekannten Lehrbuch vorlesen, bestand die Ansprache doch aus der gleichen Mischung aus Versprechen und Drohungen, konkreten Plänen und Verschwörungstheorien, wie die Reden anderer Autokraten, die vor ihm versucht hatten, ihre Arbeitsplätze auf diese Weise zu sichern.
Syrische Oppositionelle könnten Trost aus der Tatsache geschöpft haben, dass Tunesiens Ben Ali und Ägyptens Hosni Mubarak vor ihrem unrühmlichen Abgang ebenfalls je drei Reden gehalten haben, die alle nicht dazu taugten, die aufgebrachte Bevölkerung zufrieden zu stellen: Vielleicht wird ja auch Assad nach dem dritten Versuch ausscheiden.
Unterstützer des syrischen Führers könnten dagegen auf einen anderen Überlebenden des Arabischen Frühlings verweisen, der bereits ein halbes Dutzend Verteidigungsreden gehalten hat, seit im Februar die Revolte gegen ihn begann und der sich immer noch in Tripolis hält: Libyens Muammar al-Gaddafi.
Assads verglich die, die sich angeblich gegen ihn verschworen haben, mit „Bazillen“ – Gaddafi bezeichnete die Rebellen auch schon als „Ungeziefer“. Assad versuchte, die Bevölkerung auseinander zu dividieren: In eine Mehrheit mit einigen legitimen Forderungen und eine kleine Gruppe von Kriminellen, islamischen Extremisten und ausländischen Verschwörern. Gaddafi nannte seine Gegner auch Dschihadisten von al-Qaida und fand darüber hinaus ein sehr eigenes Bild: die Proteste würden durch mit halluzigenen Drogen versetzte Milch und Nescafé angetrieben. In Ägypten warnte Mubarak sein Land vor dem „schmalen Grat zwischen Freiheit und Chaos“ und machte dunkle Anspielungen auf die „große Intrige“, die den Protesten zugrunde liege: Diese würden von unsichtbaren Kräften manipuliert, die darauf abzielten, die Stabilität des Landes zu untergraben. Eine seltsame Taktik, wenn man bedenkt, wie schlecht sie sich für Ben Ali bewährt hat.
Am nächsten Tag
Der ehemalige tunesische Staatschef verwandelte lokale Proteste in eine landesweite Revolte, indem er sich in seiner Rede vom 28. Dezember als taub für die Forderungen der Demonstranten erwies und ihnen mit Bestrafung drohte. In seiner zweiten Rede vom 10. Januar machte er die Sache noch schlimmer, indem er sie Terroristen nannte. Drei Tage später wurde ihm klar, einen Fehler gemacht zu haben. Er wechselte vom Arabischen in den lokalen Dialekt und versprach demütig, 2014 nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten. Zu diesem Zeitpunkt war das bereits viel zu wenig und kam viel zu spät. Am darauf folgenden Abend saß er in einem Flugzeug nach Saudi-Arabien.
Mubarak war ebenfalls zu langsam, um sich noch aus der Affäre zu ziehen und vermochte wenig, außer zu signalisieren, dass er immer schwächer und schwächer wurde. Seine zweite Rede im Februar enthielt das Angebot, bei den Präsidentenwahlen im September nicht erneut antreten zu wollen. In seiner letztern Rede vom 10. Februar erklärte er sich schließlich missmutig bereit, das regierungspolitische Tagesgeschäft an seinen Stellvertreter abzugeben. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings sein hartnäckiges Festhalten an der Macht zum einzigen Thema auf Kairos Straßen geworden und der Tahrir-Platz war voller Spott für seine Unfähigkeit, endlich in ein Flugzeug zu steigen. Am nächsten Tag war er verschwunden.
Bahsar al-Assad hat keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass er bereit sein könnte, seinen Hut zu nehmen. Er scheint zu der Erkenntnis gelangt zu sein, dass Gaddafis Unnachgiebigkeit zumindest für den Augenblick noch bessere Resultate zeitigt.
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