Das letzte Spiel des Gordon Brown

Großbritannien Für den britischen Premierminister scheint alles vorbei zu sein. Noch länger am Amt festzuhalten, würde der Labour-Party und dem Land großen Schaden zufügen

Jeder Regierungschef, wie mächtig er auch immer sein mag, ist zugleich Mitglied des Kabinetts. Wenn dieses Kabinett das Vertrauen in ihn oder sie verliert und seine Mitglieder damit anfangen, dies auch in der Öffentlichkeit auszusprechen, ist seine Zeit abgelaufen. Nachdem er in drei Tagen drei Minister seines Kabinetts verloren hat, erfolglos versuchte, in der Öffentlichkeit die Karriere seines Schatzkanzlers zu beenden, und mehreren Leuten Jobs in seiner Regierung anbot, ohne dass auch nur einer zugesagt hätte, muss auch Gordon Brown dieser Tatsache nun ins Auge sehen. Der dramatische Rücktritt seines Arbeits- und Rentenministers James Purnell war ein weiterer niederschmetternder Schlag, ein bewusster Frontalangriff. Selbst eine stärkere Führungspersönlichkeit hätte Mühe, so etwas wegzustecken. Und Brown ist keine starke Führungspersönlichkeit.

Alle sind sich einig

Der Premierminister mag glauben, er sei Opfer eines von Blair-Anhängern geschmiedeten Komplotts geworden. Er mag noch eine Weile durchhalten, indem er sich mit einer Gruppe aus Getreuen und Neuzugängen umgibt, zu denen der frühere Tory-Spindoctor und konvertierte Labour-Parlamentarier Shaun Woodward gehören könnte. In Wahrheit ist alles vorbei. Jetzt noch länger am Amt festzuhalten, würde der Sache seiner Partei und dem Land großen Schaden zufügen. Sollte Mister Brown dies nicht erkennen, müssen andere es ihm klarmachen.

Die Partei befindet sich in einer schrecklichen Situation. Fast alle sind sich einig, dass der Vorsitzende gescheitert ist, aber keiner weiß, wie man darauf reagieren sollte. Tony Blair wähnte sich selbst oft von Brown-Anhängern belagert – nun fühlt sich Brown im Gegenzug von Modernisierern bedrängt. Aber die Glücklosigkeit seiner Regentschaft reicht viel tiefer. Die Tragödie besteht darin, dass sich alles lediglich an seiner Person und nicht an einer inhaltlichen Frage festmacht. Optimisten werden hierin etwas Positives sehen, weil Labours Wunden sich in einer solchen Lage viel leichter wieder heilen lassen. Nichtsdestotrotz wird es jeden Vorsitzenden nun eine enorme Kraftanstrengung kosten.

Chance für die Zukunft

Viele Labour-Abgeordnete und Sympathisanten dürften über den leidenschaftlichen Gefühlsausbruch, der Herrn Purnell dazu brachte, das Kabinett zu verlassen, noch bevor die ersten Wahlergebnisse der EU-Wahl vorlagen, zutiefst verstört sein. Dabei ist Purnell nicht wegen der Spesen-Affäre zurückgetreten. Wenn es das gewesen wäre, hätte ihm der Premierminister zu Beginn dieser Woche nicht noch einen anderen Job angeboten. Purnell räumte das Feld, um Labour eine „Chance zu geben, unter Aufbringung aller Kräfte die kommenden Wahlen doch noch zu gewinnen“, wie Purnells Unterstützer es ausdrücken. Das Kabinett weiß, dass Brown sie in eine fürchterliche Niederlage führen wird. Sie wollen keine Rache für die Vergangenheit. Sie wollen für Labour eine Chance für die Zukunft.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Editorial, The Guardian | The Guardian

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