Das Patriarchat kocht

Fridays for Future Greta Thunbergs Weigerung, nach ihren Regeln zu spielen, treibt alte weiße Männer in den Wahnsinn. Und das ist auch gut so
„Greta Thunberg ist 16 Jahre alt. Und das sind erwachsene Männer“
„Greta Thunberg ist 16 Jahre alt. Und das sind erwachsene Männer“

Foto: Mark Wilson/Getty Images

Manchmal merkt man nicht, wie konditioniert man eigentlich ist, bis man jemanden trifft, der es eben nicht ist. Sicher, ich bin vielleicht recht unverblümt in meinen Texten, aber ich sage immer noch Entschuldigung, wenn mich jemand auf der Straße anrempelt. Ich lächle, wenn andere sich – nun ja – schwierig verhalten. Schließlich bin ich in einem bestimmten Alter und wurde bewusst oder unbewusst dazu erzogen, ein freundlicher Mensch zu sein.

In den 1980er Jahren stand ich zögerlich vor einem Selbstverteidigungsklasse – Feministinnen machten früher viele solche Sachen – unsicher, ob ich anklopfen sollte oder nicht – nur weil ich fünf Minuten zu spät dran war. Jetzt, da ich älter geworden bin, gefalle ich mir selbst wesentlich mehr – und alle anderen wesentlich weniger. Und ich lasse mir oft von jüngeren Frauen Tipps geben.

Die merkwürdigen Reaktionen einiger Männer auf Greta Thunberg, die rein gar nichts mit ihrer dringlichen und absolut notwendigen Botschaft bezüglich der Klimakrise zu tun haben, zeigen einem eindrücklich, was passiert, wenn sich eine junge Frau einfach mal weigert, sich sexualisieren zu lassen. Die alten weißen Herren kommen damit überhaupt nicht klar.

Sie haben Angst

Thunbergs Verhalten mag man mit ihrem Asperger in Verbindung bringen, aber es ist vor allem ihr Trotz, der sie beunruhigt. Alte männliche Intellektuelle in Frankreich furzen nur so vor sich hin, weil Greta nicht „sexy“ genug ist. Es ist wirklich wahr. Der 84-jährige Philosoph Bernard Pivot, Präsident der Académie Goncourt, einer französischen Literaturgesellschaft, schwafelte von den sexy schwedischen Mädchen seiner Jugend. Greta schien für ihn nicht in diese Schablone zu passen. Michel Onfray, 60, ein weiterer Philosoph, sagte, sie habe sowohl das Alter als auch den Körper eines Cyborg. Pascal Bruckner, 70, sagte, ihr Gesicht sei „beängstigend“ und dass sie mit ihrem Autismus hausieren gehe. Und Trump? Man müsste taub sein, um zu überhören, wie er über sie spottet.

Greta Thunberg ist 16 Jahre alt. Und das sind erwachsene Männer. Sie haben Angst. Das ist wunderbar. Wer hätte gedacht, dass man das Patriarchat erschüttern könnte, indem man sich einfach dagegen sperrt, ihm ein Lächeln zu schenken und sich nach seinen Vorstellungen zu kleiden – und es so herausfordert? Die einfache Weigerung, dem „Male Gaze“ – dem männlichen Blick – nachzugeben, bringt die Dinosaurier zum Ausflippen.

Greta, du klärst uns über mehr als nur ein Klima auf. Dafür möchte ich dir danken.

Suzanne Moore ist Guardian-Kolumnistin

Lesen Sie mehr darüber, wie Greta Thunberg die Macht der alten weißen Männer herausfordert, in Ausgabe 40/2019 des Freitag

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Übersetzung: Jan Jasper Kosok
Geschrieben von

Suzanne Moore | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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