Das Problem mit Castro

Kuba-Krise Offiziell ist die Krise überwunden. Dennoch versuchen die USA weiterhin den "politisch zersetzenden" Einfluss Castros zu sabotieren. Teil 2 von Noam Chomskys Essay
Fidel Castro bei einer Rede in Kuba während der Krise im Oktober 1962
Fidel Castro bei einer Rede in Kuba während der Krise im Oktober 1962

Foto: AFP/Getty Images

Amerika wäre wohl in einer noch schlechteren „Position gewesen“, wenn die Welt mehr darüber gewusst hätte, was die USA damals so alles unternahmen. Erst vor kurzem ist bekannt geworden, dass die USA sechs Monate zuvor Raketen in der japanischen Präfektur Okinawa stationiert hatten, die praktisch identisch mit denen waren, die die Russen später nach Kuba schickten. Okinawa ist trotz des bitteren Widerspruchs seiner Bewohner bis heute ein wichtiger und offensiv ausgerichteter Militärstützpunkt der Amerikaner. Gegenwärtig empören sich die Einheimischen besonders über die Entsendung von stark unfallgefährdeten V-22 Osprey-Hubschraubern zum mitten im dicht-besiedelten Zentrum der Stadt liegenden Stützpunkt in Futenma.

Die USA versprachen zwar, die Raketen in der Türkei abzuziehen, weigerten sich aber, dies öffentlich zu erklären oder schriftlich zu bestätigen: Es musste wie eine Kapitulation Chrustschows aussehen: „Wenn der Eindruck entstanden wäre, dass die Vereinigten Staaten die Raketenstützpunkte unilateral unter dem Druck der Sowjets abbauten, hätte das [Nato] Bündnis zerbrechen können“, heißt es dazu bei Dobbs – eine interessante Begründung. Wenn die USA also im Rahmen einer Übereinkunft mit Russland, die jeder vernünftige Mensch als äußert fair betrachtet hätte, unnütze Raketen durch eine weitaus tödlichere Bedrohung ersetzt hätten, wie dies bereits geplant war – hätte dies angeblich den Fortbestand der Nato gefährden können. Zugegeben: Als die Sowjets Kubas einzige Abschreckung gegen die anhaltenden Angriffe durch die USA entfernten, damit das Risiko einer unmittelbaren Invasion eingingen und sich leise aus dem Staub machten, waren die Kubaner verständlicherweise wütend. Aber der Vergleich ist nicht fair, schließlich sind wir Menschen und die Kubaner lediglich „Unpersonen“, um Orwells praktischen Begriff zu verwenden.

Kennedy gab ein inoffizielles Versprechen ab, nicht in Kuba einzumarschieren, das er aber an Bedingungen knüpfte: Es sollten nicht nur die Raketen abgebaut werden – die russische Militärpräsenz auf Kuba sollte gänzlich beendet, oder doch zumindest „stark reduziert“ werden. (Anders als in der Türkei, wo an so etwas nicht zu denken war.) Wenn Kuba kein „bewaffnetes Lager“ mehr sei, „würden wir wohl auch nicht einfallen“, so die Worte des Präsidenten. Außerdem, fügte er hinzu, müsse Kuba damit aufhören, Lateinamerika politisch zu zersetzen, so Stern.

Erfolgreicher Widerstand

Diese angebliche politische Zersetzung war schon zuvor immer wieder bemüht worden – etwa als Eisenhower die parlamentarische Regierung Guatemalas stürzte und das gemarterte Land in einen Abgrund stieß, wovon es sich bis heute nicht erholt hat. Und begleitete auch die brutalen Terrorkriege, die Reagan in den 1980ern in Zentralamerika führte. Die „politische Zersetzung“ bestand in der Unterstützung derjenigen, die den mörderischen Angriffen der USA und ihrer Vasallen-Regime widerstanden und manchmal vielleicht sogar die Opfer mit Waffen versorgten.

Im Falle Kubas erklärte der politische Planungsrat des US-Außenministeriums:

„Die größte Gefahr, die Castro für uns darstellt … ist die Wirkung, die seine bloße Existenz auf die linken Bewegungen in vielen lateinamerikanischen Ländern ausübt. Es ist schlicht eine Tatsache, dass Castro für den erfolgreichen Widerstand gegen die USA steht, für die Negation unserer gesamtem, beinahe anderthalb Jahrhunderte dauernden Strategie in auf der Erdhalbkugel.“

Mit der Monroe-Doktrin war die, damals nicht realisierbare, Absicht der USA formuliert worden, die westliche Hemisphäre zu dominieren.

Das Ende … aber nur offiziell

Offiziell endete die Kubakrise am 28. Oktober. Am Abend jenes Tages sagte Charles Collingwood in einer Sondersendung von CBS News, die Welt sei „in einer erniedrigenden Niederlage der sowjetischen Politik“ „der schrecklichsten Bedrohung einer nuklearen Massenvernichtung seit dem Zweiten Weltkrieg“ entkommen. Dobbs kommentiert, die Russen hätten versucht, so zu tun, als handele es sich „um einen weiteren Triumph für Moskaus friedliebende Außenpolitik über die kriegstreiberischen Imperialisten“, da die „ausgesprochen weise, immer vernünftige sowjetische Führung die Welt vor der Gefahr einer atomaren Zerstörung errettet habe“.

Doch die Krise war noch nicht wirklich vorüber. Am achten November erklärte das Pentagon, das alle bekannten sowjetischen Raketenstützpunkte abgebaut worden seinen. Am selben Tag, berichtet Stern, „führte ein Sabotage-Kommando einen Angriff auf eine kubanische Fabrik aus“, auch wenn Kennedys Terror-Kampagne zum Sturz der Revolutionsregierung, Operation Mongoose, auf dem Höhepunkt der Krise eingeschränkt wurde. Raymond Garthoff schreibt in seinem Bericht der Kubakrise von 1987 dazu, nach einen Brief der kubanischen Regierung an den UN-Generalsekretär „sprengte ein verdecktes kubanisches Sabotageteam, das von den USA entsandt worden war, am achten November eine kubanische Industrieanlage in die Luft und tötete 400 Arbeiter.“ Garthoff schreibt dazu: „Die Sowjets konnten darin nur einen Versuch sehen, von der für sie wichtigsten Frage der amerikanischen Zusicherung, Kuba nicht anzugreifen, zurückzurudern, insbesondere, da die exilkubanischen Terroristen von den USA aus gestartet waren.

Aus der selben Quelle erfahren wir, dass der Präsident am 23 August 1962 das National Security Memorandum No 181 – „eine Direktive zur Anstachelung einer internen Revolte, die auf eine amerikanische Invasion folgen sollte und bedeutende Manöver und Truppenbewegungen der Amerikaner umfasste“, die die Russen und Kubaner gewiss kannten. Im August wurden auch die Terrorangriffe intensiviert. Zu ihnen gehörten Angriffe mit Schnellbooten auf ein kubanisches Strandhotel, „von dem bekannt war, dass sich dort sowjetische Militärtechniker trafen, bei denen mehrere Kubaner und Russen getötet wurden“; Angriffe auf britische und kubanische Frachtschiffe; die Kontamination von Zuckerlieferungen sowie andere Gräueltaten und Sabotageakte, die zumeist von kubanischen Exilorganisationen ausgeführt wurden, die in Florida frei operieren durften. Der im Oktober folgende „gefährlichste Augenblick in der Geschichte der Menschheit“ kam also nicht gerade aus heiterem Himmel.

Sie lesen Teil 2 von Noam Chomskys Essay über die Kuba-Krise. Zum ersten Teil geht es hier entlang. Den dritten und letzten Teil finden Sie hier

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Mit Lust am guten Argument

Übersetzung der gekürzten Fassung: Holger Hutt
Geschrieben von

Noam Chomsky | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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