Das Schweigen im Edelholzwald

UN-Klimakonferenz Kurz vor ihrem Tod schrieb die Nobelpreisträgerin diesen Artikel für die Konferenz in Durban: Ein Appell gegen die Rodung heimischer Wälder und falsche Aufforstung in Ostafrika

Diesen Artikel schrieb die Nobelpreisträgerin Wangari Maathai im September, kurz vor ihrem Tod. Ihn ihm reißt sie einige der wichtigsten Themen an, die sie und die Grüngürtel-Bewegung beim UN-Weltklimagipfel, der heute in Durban begonnen hat, zur Sprache bringen wollten.

Ostafrika wird in diesem Jahr von der schlimmsten Dürre seit 60 Jahren heimgesucht, die Millionen zum Kampf ums nackte Überleben zwingt. Misswirtschaft seitens der Regierungen hat die Auswirkungen noch weiter verschärft: Aus einer Dürre, die für diesen Teil Afrikas nicht ungewöhnlich ist, wurde eine Hungerkatastrophe.

Die Regierungen hätten Vorkehrungen für die Dürre treffen können, schließlich hat es in manchen Regionen schon seit vier Jahren nicht mehr ordentlich geregnet. Sie hätten den Menschen helfen können, sich an die veränderten Realitäten der Erderwärmung anzupassen. Sie taten es nicht.

Exotische Baumarten sind keine Lösung

2011 ist das Internationale Jahr der Wälder. Wir wissen, dass intakte Wälder für die Stabilisierung lokaler Klimata und die Sicherung der Lebensgrundlage afrikanischer Landwirte, Hirten und Unternehmer von grundlegender Bedeutung sind. Trotzdem werben einige Regierungen, Institutionen und Organisationen aggressiv für die Anpflanzung exotischer Baumarten und behaupten, diese böten eine Lösung gegen Dürre und Klimawandel. Aber das stimmt nicht.

Einer der größten Vorteile heimischer Wälder für die Umwelt besteht in der Regulierung von Klima und Regenzeiten. Indem sie den Regen aufnehmen und speichern, entlassen diese Wälder das Wasser nur langsam wieder an Quellen, Bäche und Flüsse. Dies reduziert die Abflussgeschwindigkeit des Wassers und damit die Erosion des Bodens. Heimische Bäume spielen darüber hinaus eine wichtige spirituelle und kulturelle Rolle.

Exotische Bäume wie Pinien und Eukalyptus können dies nicht leisten. Sie verdrängen die meisten der heimischen Pflanzen und Tiere. Wie invasive Arten schaffen sie „stumme Wälder“ ohne Wildtiere, Unterholz und Wasser. Leider werden in den Tropen indigene Wälder oft abgeholzt oder verbrannt, um Plantagen für exotische Arten Platz zu machen. Dies zerstört die Biodiversität und verwandelt ehemalige Wälder in landwirtschaftliches Nutz- oder Weideland.

17 Prozent der CO2-Emission

Mit der Initiative Redd+ (Reduced Emissions from Deforestation and Forest Degradation), hat sich die internationale Gemeinschaft dem Schutz und der Rehabilitierung einheimischer Wälder verschrieben. Redd+ zielt darauf ab, die verbleibenden Bestände an einheimischen Wäldern zu retten, deren Zerstörung für 17 Prozent des klimaerwärmenden Kohlendioxids (CO2) verantwortlich ist, das jedes Jahr in die Atmosphäre gepumpt wird. Und sie soll den betroffenen Menschen helfen, die negativen Auswirkungen des Klimawandels abzumildern und sich diesen anzupassen (Dürren und Überschwemmungen mit eingeschlossen).

Regierungen und Privatunternehmen können nicht Redd+ unterstützen und gleichzeitig die Pflanzung exotischer Bäume auf Kosten einheimischer begrüßen. Dies gilt insbesondere für Kenia, wo indigene Wälder weniger als zwei Prozent des Landes bedecken und fast nur noch in Wassereinzugsgebieten zu finden sind. Wer in Wassereinzugsgebieten oder auf privaten Farmen exotische Plantagen anlegt, betreibt eine schlechte Umwelt-, Wirtschafts-, und Sozialpolitik. Langfristig wird dies dazu führen, dass die Gemeinden ohne verlässliche Regenfälle, Flüsse, fruchtbare Böden und Nahrungsmittel dastehen.

In Kenia und anderen tropischen Ländern leben immer noch über 60 Prozent der Bevölkerung in ländlichen oder stark bewaldeten Gegenden. Diese Gemeinden werden verarmen und für die Auswirkungen des Klimawandels immer anfälliger werden. Das Land wird mehr und schwerere Dürren erleben, die die Lebensgrundlage, die Lebensmittelsicherheit und auch die industrielle Produktion infrage stellen werden, da Kenia (wie Brasilien und zunehmend auch China und Indien) auf Wasserkraft setzt.

Noch hat Trinkwasser keinen Weltmarktpreis

Der Nutzen einheimischer Baumarten beläuft sich auf mehrere Billionen US-Dollar pro Jahr. Im Gegensatz zu Edelhölzern wird sauberes Trinkwasser für die einheimische Bevölkerung jedoch nicht auf dem Weltmarkt gehandelt. Kurzfristige ökonomische Vorteile verstellen den Blick auf den wahren Wert solch grundlegender natürlicher Lebensgrundlagen.

Umweltschäden können sich schleichend über einen langen Zeitraum hinweg entwickeln. Vor einigen Jahren hat Kenia einen Eukalyptus-Klon aus Südafrika importiert. Dort steht die Entfernung des Eukalyptus und anderer invasiver Arten von Wasserquellen inzwischen ganz oben auf der Agenda des Regierungsprogramms Working for Water. Gleichzeitig beobachten wir in Kenia, dass viele Flüsse weniger Wasser führen als früher oder sogar vollständig ausgetrocknet sind.

Die Regierungen müssen sich für den Erhalt bestehender und die Wiederaufforstung bereits abgeholzter Wälder einsetzen. Dies kann nur erfolgen, wenn sie die Gesetze ändern, mit denen die kontinuierliche Abholzung und Verschlechterung der Waldbestände gefördert wird und die Gemeinden bei der Pflanzung geeigneter Baumarten unterstützt werden. Sollte dies nicht geschehen, werden beträchtliche finanzielle Mittel aufgewendet werden, ohne dass damit die Armut verringert oder andere Entwicklungsziele erreicht werden können. In Ostafrika sehen wir, dass wir keine Zeit verlieren dürfen.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Wangari Maathai | The Guardian

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