Wir werden alles tun, was möglich ist, um einen verheerenden No-Deal-Brexit zu verhindern, für den diese konservative Regierung kein Mandat besitzt. Wir haben es hier mit einer Attacke auf unsere Demokratie zu tun, mit dem ein No-Deal erzwungen werden soll, den die Mehrheit der Bevölkerung ablehnt.
Die meisten Briten lehnen einen Brexit ohne Abkommen, wie die Tories ihn planen, ab. Boris Johnsons Regierung will einen solchen No-Deal-Brexit nutzen, um eine Offshore-Steueroase für die Superreichen zu schaffen und einen Sweetheart-Deal mit Donald Trump abzuschließen.
Ein Brexit ohne Abkommen würde Arbeitsplätze vernichten, die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben, unseren öffentlichen Dienst und unsere Sicherheitssysteme an US-Konzerne ausliefern. Der Großteil der Öffentlichkeit will mit diesem Trump-Deal-Brexit im Stile eines Autounfalls, auf den man mit ihnen zurast, nichts zu tun haben.
Johnson und seine konservativen Parteifreunde, die 2016 für Leave warben, haben den Menschen versprochen, dass es ein Abkommen geben würde. 2017 erklärte Boris Johnson, damals Außenminister: „Es gibt keinen Plan für einen No-Deal, weil wir einen Deal bekommen werden.“
Aber ganz offensichtlich haben sie keinen Deal. Und nun, wo er es mit der Angst zu tun bekommt, er könnte für seine rücksichtslosen Pläne eines Trump-Deal-Brexits zur Verantwortung gezogen werden, hat Johnson beschlossen, das Parlament stillzulegen, um es daran zu hindern, ihm am Schlafittchen zu packen.
Fähnchen im Wind
Man muss aber nicht bis ins Jahr 2017 zurückgehen, um unseren neuen Premierminister dabei zu ertappen, wie er sein Fähnchen in den Wind hängt – je nachdem, welche Position ihm gerade opportun erscheint.
Ende Juli versprach er den EU-Bürgern, er würde ein Gesetz erlassen, das ihre Rechte beschützt. Nun erfahren wir, dass der Innenminister die Personenfreizügigkeit am ersten November beenden wird, ohne dass neue Einwanderungsbestimmungen oder Schutzmaßnahmen in Kraft treten sollen. Hier handelt es sich eindeutig um einen Premierminister, dem die Menschen nicht vertrauen können.
In der vergangenen Woche hat die Agentur für Werbestandards – die Advertising Standards Agency, ASA – eine Anzeige des Innenministeriums wegen Irreführung verboten, in der es darum geht, dass EU-Bürger, die in Großbritannien bleiben wollen, sich registrieren sollten. Und die Registrierungs-App der Regierung wird nicht vor Ende des Jahres fertig sein. Also Monate nach den Plänen des Innenministeriums, ihre Rechte zu kassieren.
Der Spectator – das Magazin, für das Johnson früher als Redakteur arbeitete – warnt: „Es gibt besorgniserregende Anzeichen von Nachlässigkeit, ja sogar Fahrlässigkeit, in der Art und Weise, wie das Innenministerium all dies handhabt.“
Wir wissen bereits, welche Art von Konsequenzen solche Entscheidungen haben können. Die Kränkungen, die der Windrush-Generation durch die hostile enviroment policy zugefügt wurden – mit der das Innenministerium unter Theresa May Menschen, die seit Jahrzehnten im GB lebten, aus dem Land ekeln wollte – , drohen nun wiederholt zu werden. Und das sogar in größerem Maßstab, da rund drei Millionen EU-Bürger im Vereinigten Königreich leben.
Die Katze ist aus dem Sack
Jede Woche treffe ich EU-Bürger, die sich um ihre Zukunft in diesem Land Sorgen machen. Leider verlassen viele das Land, die unser Gesundheitssystem, unsere sozialen Einrichtungen und unsere Schulen mit ihrem Einsatz unterstützt haben.
Verteidigungsminister Ben Wallace ließ die Katze aus dem Sack, als er seinen französischen Amtskollegen wissen ließ, das Parlament werde in den Zwangsurlaub geschickt, weil „wir plötzlich keine Mehrheit mehr haben“.
Wenn eine Regierung über keine Mehrheit mehr verfügt, gibt es eine naheliegende und praktische Lösung: Diese besteht nicht darin, die Demokratie zu untergraben, sondern vielmehr darin, die Menschen entscheiden zu lassen – und Neuwahlen auszurufen.
Diese Woche könnte die letzte Chance bestehen, Johnsons Tory-Regierung daran zu hindern, uns in den No-Deal-Abgrund zu stürzen und damit Arbeitsplätze und unser Gesundheitssystem zu gefährden, wieder eine innerirische Grenze zu errichten, damit den Frieden zu gefährden und vom ersten Tag an Engpässe bei Lebensmitteln und Medikamenten zu verursachen.
Eine Branche nach der anderen warnt vor den negativen Auswirkungen eines No-Deal-Brexits. Den Sommer über habe ich mir die Sorgen von Landwirten, Beschäftigten in der Automobilindustrie, im Gesundheitswesen und vielen anderen im ganzen Land angehört.
In Anbetracht des brennenden Regenwaldes im Amazonas, den Trumps Verbündeter, der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, zu verantworten hat, könnte sich nicht deutlicher zeigen, dass wir im weltweiten Kampf gegen die Klimakatastrophe stärkere Beziehungen mit anderen internationalen Verbündeten aufbauen müssen.
Eine Atmosphäre der Angst
Die Gefahr eines No-Deal-Crashs schafft eine Atmosphäre der Angst und Unsicherheit. Doch ich bin entschlossen, dafür zu sorgen, dass Labour die Menschen zusammenbringt, indem die Partei ihnen Hoffnung und Zuversicht gibt, dass eine andere Zukunft möglich ist – und für jede Gemeinde, für jede Nation und jede Region unseres Landes ein echter Wandel herbeigeführt werden kann.
Die Bewegung von Menschen, die entschlossen sind, einen No-Deal-Brexit zu verhindern, wächst schnell an. In der vergangenen Woche ist es im ganzen Land zu spontanen Demonstrationen gekommen.
Die Menschen sind wütend darüber, dass diejenigen, die behauptet haben, wir würden „die Kontrolle zurückerlangen“ diese Kontrolle nun für sich behalten – mit dem Ziel, sie in einem Freihandelsabkommen, das geltende Sozial- und Umweltstandards unterlaufen würde, an Donald Trump und die US-Konzerngiganten auszuhändigen.
Am vergangenen Wochenende haben Labour-Abgeordnete sich an weiteren Protesten im ganzen Land beteiligt. Die Menschen sind entschlossen, nicht zuzulassen, dass eine unaufrichtige, populistische Regierung in der Downing Street, die allein nach den Interessen der Reichsten handelt, ihnen ihre demokratische Stimme verweigert.
Neuwahlen sind der Ausweg
Die Menschen selbst sollten über die Zukunft unseres Landes entscheiden – und nicht ein Premierminister, der nicht einmal vom Volk gewählt wurde.
Neuwahlen stellen den demokratischen Ausweg dar. Und bei diesen Wahlen wird Labour den Menschen die Gelegenheit geben, die Kontrolle zurückzuerlangen und in einer öffentlichen Abstimmung das letzte Wort zu behalten – mit glaubwürdigen Optionen für beide Seiten, einschließlich der Möglichkeit, in der EU zu verbleiben.
Im Strudel der kommenden Tage und Wochen dürfen wir nicht vergessen, dass die Souveränität weder in der Downing Street noch beim Parlament liegt – sondern bei der Bevölkerung.
Kommentare 7
Jeremy Corbyn, der die neoliberal verseuchte Labour Party mit linker Politik reinigte und belebte, sich damit die bittere Feindschaft der Parteioligarchen einholte, gewann wieder junge Leute und neue Mitglieder für die Partei, während anderen linken Parteien in ganz Europa die Mitglieder in Massen davonlaufen. Dass man Corbyn als Linken ernst nehmen muss, bezeugt Woche für Woche die deutsche Medienlandschaft, wo Corbyn verleumdet und beschimpft wird, wie hierzulande Sarah Wagenknecht. Besonders perfide sind die Abfälligkeiten einer Frau Bettina Schulz, die den Labour-Vorsitzenden regelmäßig auf den Seiten „Der Zeit“ verunglimpfen darf. Möge sich Corbyn durchsetzen und in Europa das kleine Flämmchen Hoffnung am Leben halten. Dafür muss er aber den Londoner Trump namens Johnson in die Wüste schicken, kein leichtes Unterfangen in einem Land, wo Rupert Murdoch die Schlagzeilen und Denkmuster vorgibt.
Guter Text, welcher neben der aufführung der gängigen Fakten, die bei einem Chaos-Brexit drohen, auch die nötige Entschlossenheit transportiert.
Speziell zwei Punkte der Agenda von Johnson und seinen Brexit-Hardlinern kann man nicht oft genug betonen: a) die anvisierte neue Stellung des UK als Finanzzentrum und Steueroase (mit allen Konsequenzen und Verwerfungen, die das mit sich bringen würde), b) der enge Schulterschluss mit den Trump-USA, der quasi die politische Vorausbedingung von Johnsons Kamikaze-Kurs ist.
Immanent ist darüber hinaus der politische Preis, den GB für den Kurs seiner Brexiteers zu zahlen hätte: eine dauerhafte Ramponierung seines demokratischen Systems – wenn nicht sogar die Einleitung des Übergangs in eine autoritäre Staatsform.
Wenn wir doch wenigstens einen Corbyn in Deutschland hätten. Seine Geradlinigkeit ist bewundernswert. Er ist Europa gegenüber ambivalent, und das ist vernünftig; denn wir hoffen auf ein Europa, aber es muß ein anderes sein. Corbyn kann sogar ja zu Europa sagen angesichts der Gefahr einer transatlantischen Irrsinnsfahrt, denn dieser Wahnsinn droht dem Vereinigten Königreich.
Neuwahlen? Von wann ist denn dieser Text?
Die Labour Party hat vorgestern im Unterhaus jedenfalls verrücktgespielt und Neuwahlen verhindert.
Eine derart absurde Szene, dass ein Abgeordneter der Tories zutreffend über den Flur fragen konnte, ob die Abgeordneten der Labour Party denn fürchten, dass ihr eigener Vorsitzender Premierminister werden könne.
Tut mir ja leid, Grinzold, aber: Reingefallen auf die Tricks des Pausenclowns BoJo. Einen Sturz aus der EU ohne Deal zu verhindern ist jetzt die Aufgabe der Stunde. Dem muss auch der Wunsch nach baldigen Neuwahlen (den Labour schon seit Monaten hatte, aber am Widerstand der anderen Parteien scheiterte) unterordnen.
Herr Corbyn hätte ja genügend Zeit gehabt, das nun drohende Desaster zu verhindern. Das Thema Brexit war ihm aber die letzten drei Jahre nicht wichtig genug. Und bis heute wissen wir nicht so recht, ob Labour für oder gegen einen Brexit ist. Was Herr Corbyn wohl auch nicht bedacht hat: Wenn Boris Johnson sich beharrlich weigert, vor dem 31.10. in Brüssel um eine Verlängerung des Austrittsdatums nachzusuchen, dann tritt der ungeregelte Brexit am 1.November automatisch in Kraft. Die EU wird ja wohl kaum eine Verlängerung beschließen, wenn dazu kein Ersuchen aus London vorliegt.
Derweil bereitet Nigel Farage eine Wahlallianz mit Boris vor. Denn irgendwann muss es ja jetzt zu Neuwahlen kommen, ob nun am 15.Oktober oder nach Halloween. Die Allianz soll darin bestehen, dass Farages Brexit Partei in umkämpften Wahlkreisen nicht antritt, in denen der Tory-Kandidat nur einen geringen Vorsprung hat. Entsprechendes wird von Tory-Kandidaten erwartet, d.h. sie müssen auf ihre Kandidatur verzichten, wenn der Wahlkreiskandidat der Brexit Partei größere Chancen hat.
Ein ähnliches Arrangement hatte vor ein paar Wochen bereits auf der "Gegenseite" bei einer Nachwahl in Wales funktioniert. Dort hatte der Labour Kandidat auf seine Kandidatur verzichtet, so dass der Kandidat der Liberalen den Wahlkreis gewinnen konnte.
Nur für den Fall, dass es zu einer Wahlallianz zwischen Brexit Partei und Tories kommt, hat der Großfinanzier der Brexit Partei, der Millionär Arron Banks bereits angekündigt, dass er auch an Boris Johnson großzügig spenden wird. Die Tories benötigen für ihren Wahlkampf ca. 20 Millionen Pfund.
Für Boris Johnson ist eine Wahlallianz mit Farage ein zweischneidiges Schwert. Sollte aus irgendeinem Grund der Brexit am 31.Oktober nicht eintreten, dann steht Boris als Lügner da und die Brexit Anhänger wählen dann womöglich das "Original" Farage, wie sie es schon bei der Europawahl taten. Dann wäre Boris Johnson der Premierminister mit der kürzesten Amtszeit. Boris Johnson heißt bei seinen Gegnern schon jetzt "Boris the Brief".
Falls sich Boris Johnson weigert, in Brüssel die Verlängerung des Austrittstermins zu verlangen, sollte Herr Corbyn den Europäischen Gerichtshof bitten, in der Causa Söder eine Eil-Entscheidung zu treffen. Bekanntlich hat die Deutsche Umwelthilfe den bayerischen Ministerpräsidenten am EUGH verklagt, weil Söder in Bayern geltendes Recht bezüglich Diesel-Fahrverboten nicht umsetzt. Nun soll Brüssel ihm Beugehaft androhen. Da in Großbritannien bis zum 31.Oktober EU Recht gilt, könnte Boris Johnson gleich mit in Beugehaft genommen werden.
Ob Herr Corbyn den Fall Söder überhaupt kennt?