Das Ende des Films ist unbestreitbar ein Happy End à la Hollywood: Südafrikaner in Townships und Townhouses feiern gleichermaßen, weiße Polizisten halten einen schwarzen Jungen in die Höhe, Präsident Mandela (gespielt von Morgan Freeman) segnet den siegreichen Kapitän des südafrikanischen Rugby-Teams (Matt Damon). Clint Eastwoods Film Invictus, der bereits als Kandidat für eine Oscar-Nominierung gehandelt wird, erzählt, wie Präsident Mandela während des Weltmeisterschaft 1995 die Kraft des Sports dafür nutzte, die Wunden der Apartheid zu heilen und schwarze und weiße Südafrikaner zusammenzubringen. Man konnte es den Zuschauern nicht übel nehmen, wenn sie danach das Kino mit dem Eindruck verließen, Mandela habe damit der Regenbogennation erst wahre Gestalt verliehen und das Ende der Apartheid im südafrikanischen Sport eingeleitet. Die Wahrheit der vergangenen 14 Jahre ist jedoch komplizierter.
Kein Rugby im Township
„Viel hat sich nicht verändert“, sagt Frans Cronje, stellvertretender Leiter des South African Institute für Race Relations (SAIRR). „Die Mannschaft sieht immer noch so aus wie 1994. Ob das ein Problem ist, weiß ich nicht.“ Rugby werde weiterhin überwiegend von Weißen gespielt und gesehen. „Haben Sie schon jemals Rugby-Pfosten in einem Township gesehen? Oder Kinder, die mit einem Rugby-Ball spielen? Der Sport konnte sich kaum in schwarzen Schulen etablieren, und es gibt auch nicht viele schwarze Kinder, die die traditionellen Rugby-Schulen besuchen. Das Endspiel damals hat das Land für 48 Stunden zusammengefügt. So etwas erlebte ich danach nie wieder. Glücklicherweise ist Südafrika reif genug und kann damit umgehen, dass sein Rugby-Team weiß und seine Fußball-Mannschaft schwarz ist.“
Im heute nahezu mythischen Finale von 1995 gegen Neuseeland war einer von 15 südafrikanischen Spielern schwarz – sein Name: Chester Williams. 14 Jahre später ist die Zahl auf zwei gestiegen, dabei machen Weiße gerade einmal neun Prozent der südafrikanischen Bevölkerung aus. Williams sagt dazu in einem Interview Anfang Dezember: „Bei einem Blick auf die Zahlen wird die Spaltung zwischen Rugby und Fußball deutlich. Am meisten Sorgen bereitet uns die Entwicklung am unteren Ende. Einige schwarze Kinder bekommen einfach keine Chance.“ Dies hat historische wie kulturelle Gründe. Als Rugby im 19. Jahrhundert aus England nach Südafrika kam, wurde es von den Buren übernommen und Teil der Afrikaans-Kultur. Die Schwarzen in den Townships und Siedlungen bevorzugten den ebenfalls aus England importierten Fußball, auch wenn Rugby etwa in der Provinz Ostkap Fuß fassen konnte.
Doch beim Rugby zeigt sich auch die wirtschaftliche Kluft.Viele der Schulen mit den besten Rugby-Teams sind für die meisten Schwarzen nach wie vor unerreichbar. Bisherige Bemühungen, den Sport ihre Bildungseinrichtungen zu etablieren, fallen allesamt wegen ihrer mangelhaften Konzeption und Unterfinanzierung durch. Der 23-jährige Bora Ngqolombe ist fast der einzige Rugby-Spieler unter seinen Freunden in einem Township in Port Elisabeth. „Sie hielten es für sonderbar, dass ich Rugby spiele, denn sie spielen nur Fußball. Vor allem denken sie, Rugby sei ein weißer Sport und zu groß für sie.“ Rugby-Funktionäre weisen darauf hin, dass mittlerweile viele Schwarze in Jungendmannschaften und niedrigeren Ligen spielen. Trotzdem schaffen immer noch relativ wenige den Durchbruch zur Elite. Einer von ihnen ist der Sprinboks-Flügelspieler Bryan Habana, der eine prestigeträchtige Schule besucht hat, die früher allein Weißen vorbehalten war. Sein Vater und Agent Bernie bestreitet, dass die alten Strukturen noch existieren. „Was seine Hautfarbe angeht, so spielt dies für Bryan keine Rolle. Die Menschen lieben ihn dafür, wie er spielt, nicht für seine Hautfarbe. Hört doch auf, auf der Vergangenheit herumzureiten.“
Heikel wie eh und je
Nichtsdestotrotz mahnt der regierende African National Congress (ANC) eine schnellere Integration schwarzer Spieler in den südafrikanischen Rugby-Sport an. Während der frühere Präsident Thabo Mbeki der Auffassung war, auch Niederlagen seien ein angemessener Preis für mehr schwarze Spieler in der Mannschaft, dürften die südafrikanischen Fans da anderer Meinung gewesen sein. Das Thema der Rasse ist so heikel wie eh und je. Von einer weißen Dominanz in dieser Sportart will der südafrikanische Rugby-Journalist Paul Dobson nichts wissen: „Wenn Sie das noch einmal unterstellen, werde ich ärgerlich und lege den Hörer auf. Sie müssen endlich verstehen, dass Rugby kein von Weißen dominierter Sport ist. Es ist ein Sport.“
Am Ende des Filmes Invictus, der auf dem Buch Playing the Enemy des britischen Journalisten John Carlin basiert, sind während des Abspanns Bilder von Kindern zu sehen, die in einem verarmten Township Rugby spielen. Wer nach Zeichen sucht, die Anlass zu Optimismus geben, der kann sie auch finden. Als die Weltmeister 2007 nachhause zurückkehrten, wurden die Feiern von Schwarzen angeführt, die den Toyi-Toyi tanzten, der früher auf Demonstrationen gegen die Apartheid zu sehen war. Der gegenwärtige Springboks-Trainer, Peter de Villiers, ist schwarz und hat es geschafft, doch die Narben der Apartheid sitzen immer noch tief. Frans Cronje vom SAIRR bleibt optimistisch. „Zynismus halte ich in Bezug auf den Film für unangebracht, auch wenn es nicht viel Fortschritt von der Art gegeben hat, wie Hollywood ihn darstellt. Es gab einen schrittweisen Fortschritt in einem südafrikanischen Sinn. In Südafrika ist heute das Zusammenleben von Schwarzen und Weißen stabil. Das ist bemerkenswert, wenn man die Geschichte des Landes bedenkt. Der Sport hat dabei bestimmt eine Rolle gespielt.“
Übersetzung: Holger Hutt
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