Die tiefe Krise in der Ukraine bereitet Russland große Sorgen. Wir können die Lage eines Landes sehr gut nachvollziehen, das vor 20 Jahren unabhängig wurde und sich beim Aufbau eines souveränen Staates noch immer komplexen Herausforderungen gegenübersieht. Dazu gehört ein Ausgleich der Interessen zwischen den verschiedenen Regionen, deren Bewohner unterschiedliche historische und kulturelle Wurzeln haben, verschiedene Sprachen sprechen und aus unterschiedlichen Perspektiven auf ihre Vergangenheit, Gegenwart und den künftigen Platz ihres Landes in der Welt blicken.
Angesichts dieser Umstände hätten externe Kräfte daraufhin wirken müssen, der Ukraine bei der Stabilisierung des noch immer fragilen inneren Friedens zur Seite zu stehen. Russland hat mehr getan als jedes andere Land, um den unabhängigen ukrainischen Staat zu unterstützen und dessen Wirtschaft viele Jahre mit niedrigen Energiepreisen gefördert. Als die jetzige Krise im November ihren Anfang nahm, bekräftigten wir Kiews Wunsch nach schnellen Konsultationen zwischen der Ukraine, Russland und der EU, um die Harmonisierung des Integrationsprozesses zu diskutieren. Brüssel lehnte dies kategorisch ab. Dies spiegelte eine unproduktive und gefährliche Haltung wider, wie sie die EU und USA schon vordem eingenommen hatten. Es wurde versucht, die Ukraine zu einer schmerzhaften Entscheidung zwischen Ost und West zu drängen, und dadurch zu einer weiteren Vertiefung interner Differenzen beigetragen.
Vorschläge abgewiesen
Ungeachtet der in der Ukraine herrschenden Realitäten wurden politische Bewegungen, die eine Einflussnahme des Westens begünstigen, massiv unterstützt. Dies geschah überdies unter Bruch der ukrainischen Verfassung: Auf Druck der EU war schon 2004 Viktor Juschtschenko in einem dritten Wahlgang zum Präsidenten gewählt worden, obwohl dies in der Verfassung nicht vorgesehen war.
Im aktuellen Fall nun wurde die Regierungsgewalt in Kiew auf undemokratische Weise durch gewaltsame Straßenproteste ergriffen, an denen sich Minister und offizielle Vertreter der USA und verschiedener Ländern der EU beteiligten.
Behauptungen, Russland habe die Bemühungen um die Stärkung von Partnerschaften auf dem europäischen Kontinent untergraben, entsprechen nicht den Tatsachen. Im Gegenteil hat sich unser Land beständig für ein System der gleichen Sicherheit für alle im euro-atlantischen Raum stark gemacht. Wir haben vorgeschlagen, dies in einem Vertrag festzuhalten und uns für die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschafts- und Gesellschaftsraums vom Atlantik bis zum Pazifik ausgesprochen, der auch für andere Mitgliedsstaaten der Sowjetunion offen stehen sollte.
Statdessen haben die westlichen Länder trotz wiederholter gegenteiliger Bekundungen die NATO immer stärker ausgeweitet, die militärische Infrastruktur des Bündnisses nach Osten verlagert und mit der Umsetzung von Plänen zur Raketenabwehr begonnen. Das EU-Projekt Östliche Partnerschaften dient dem Zweck, sogenannte Schwerpunktländer eng an sich zu binden, und die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit Russland zu verhindern.
Krasse Doppelmoral
Wenn diejenigen, die die Sezession des Kosovo von Serbien und Mayottes von den Komoren betrieben haben, den freien Willen der Krim-Bewohner infrage stellen, kann man dies nur als krassen Fall von Doppelmoral betrachten. Nicht weniger besorgniserregend ist, dass so getan wird, als sehe man nicht die Gefahr, die von Extremisten und Neo-Nazis für die Zukunft der Ukraine ausgeht.
Russland unternimmt alles in seiner Macht Stehende, um in der Ukraine schnell eine Stabilisierung herbeizuführen. Wir sind fest davon überzeugt, dass dies erreicht werden kann durch:
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eine echte Verfassungsreform, die die legitimen Rechte aller ukrainischen Regionen gewährleistet und auf Forderungen aus dem Südosten eingeht, Russisch zur zweiten Amtssprache des Landes zu machen.
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der Verankerung einer Sicherheitsgarantie für einen neutralen Status der Ukraine in den Gesetzen des Landes, wodurch seine Rolle als Verbindungsglied in einer unteilbaren europäischen Sicherheitsarchitektur sichergestellt würde.
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sofortige Maßnahmen, um der Aktivität illegaler bewaffneter Formationen des Rechten Sektors und anderer ultranationalistischer Gruppen Einhalt zu gebieten.
Keine Grundschule
Wir zwingen niemandem etwas auf. Wir sehen nur, dass die Ukraine ohne diese Schritte noch tiefer in die Krise gerät und dies unabsehbare Folgen hätte. Wir stehen bereit, uns an internationalen Anstrengungen zum Erreichen dieser Ziele zu beteiligen. Wir unterstützen den Vorschlag der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens, das Abkommen vom 21. Februar umzusetzen. Ihr Vorschlag – Gespräche zwischen Russland und der EU mit der Ukraine und anderen Staaten der Östlichen Partnerschaft über die Konsequenzen des EU-Assoziierungsabkommens zu führen – entspricht unserer Position.
Die Welt von heute ist keine Grundschule, in der Lehrer willkürlich Strafen verhängen. Aggressive Erklärungen, wie jene, die auf der NATO-Außenminister-Tagung am 1. April in Brüssel zu hören waren, passen nicht zur Forderung nach Deeskalation. Deeskalation sollte mit Rhetorik beginnen. Es ist Zeit, nicht weiter unbegründet Spannungen zu schüren und zu ernsthafter gemeinsamer Arbeit zurückzukehren.
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