König Abdullah von Saudi Arabien und andere arabische Verbündete der Vereinigten Staaten haben die USA wiederholt zu einem Angriff auf den Iran gedrängt, um dessen Atomprogramm zu zerstören, da sie ebenso wie die israelische Führung der Überzeugung sind, die Islamische Republik stehe kurz davor, Atomwaffen herstellen zu können. Eine Bombardierung der iranischen Nuklearanlagen galt bislang als letzter verzweifelter Ausweg, der einen viel weiter reichenden Krieg entfachen könnte.
Der saudische König habe „die USA häufig dazu ermahnt, den Iran anzugreifen, um dessen Nuklearprogramm zu beenden“, steht in einem der geheimen Memos, die Wikileaks jetzt veröffentlicht hat. „Er forderte Sie (die Amerikaner) auf, „den Kopf der Schlange abzuschlagen“, sagte der Botschafter Saudi-Arabiens in Washington, Adel al-Jubeir, laut einem Bericht über ein Treffen Abdullahs mit dem US-General David Petraeus im April 2008.
Die Dokumente belegen auch Israels Sorge um die Bewahrung seines Atommonopols in der Region sowie seine Bereitschaft, den Iran im Alleingang anzugreifen. Verteidigungsminister Ehud Barak schätzte im Juni 2009: der Zeitrahmen, in dem der Iran noch davon abgehalten werden könne, sich in den Besitz von Atomwaffen zu bringen, betrage „von nun an sechs bis 18 Monate“. Danach, so Barak, „würde jede militärische Lösung zu inakzeptablen Kollateralschäden führen“.
Die weitergeleiteten Dokumente enthüllen des Weiteren, dass:
• Vertreter Jordaniens und Bahrains offen dazu aufgefordert haben, das iranische Atomprogramm mit allen Mitteln, auch mit militärischen, zu stoppen.
• Führer in Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten den Iran als „existenzielle Bedrohung“ sowie als eine Macht bezeichnet haben, „die uns in einen Krieg hineinziehen wird“.
• US-Verteidigungsminister Robert Gates im Februar 2010 davor gewarnt hat, dass man im Falle eines Scheiterns der diplomatischen Bemühungen „die Ausbreitung von Atomwaffen im Nahen Osten, einen durch einen israelischen Luftschlag ausgelösten Krieg oder beides“ riskiere.
• der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Generalmajor Amos Yadlin, im vergangenen Jahr gewarnt hat: "Israel ist nicht in einer Position, den Iran zu unterschätzen und sich überraschen zu lassen, wie die USA am elften September 2001.“
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip J. Crowley, sagte zunächst auf Anfrage, die USA würden keine Kommentare zu möglicherweise durchgestochenem Material abzugeben.
Iran hält daran fest, sein Atomprogramm verfolge das Ziel, Kraftwerke und keine nuklearen Sprengköpfe zu bauen. Nach über einem Jahr der Blockade und des Hinhaltens, soll am fünften Dezember eine weitere Gesprächsrunde mit den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates und Deutschlands beginnen.
Bei einem Treffen mit Italiens Außenminister hatte Gates indessen gesagt, die Zeit laufe ab. Wenn man zulasse, dass Iran Atomwaffen entwickle, würden sich die USA und ihre Verbündeten in vier bis fünf Jahren einer veränderten Weltlage mit einem nuklearen Wettrüsten im Nahen Osten gegenübersehen. König Abdullah hatte die Amerikaner gewarnt, dass, wenn der Iran Atomwaffen entwickle, auch alle anderen in der Region dies tun würden, einschließlich Saudi Arabien.
Amerika mangelt es nicht an Verbündeten, wenn es darum geht, gegen den Iran vorzugehen, aber einige treten eindeutig offensiver für eine definitive Beendigung der atomaren Entwicklung Teherans ein, als die Obama-Administration. In einem der Kabel hielt ein US-Diplomat fest, wie moderat die Bürokraten im saudischen Außenministerium sich in ihrer Einschätzung des Iran gäben, sie unterschieden sich dadurch aber "bedeutend von den wesentlich kriegerischen Ratschlägen, die wir aus dem saudischen Königshaus erhalten haben“.
In einem Gespräch mit einem amerikanischen Diplomaten trat König Hamad bin Isa al-Khalifa von Bahrain "nachdrücklich dafür ein, die notwendigen Maßnahmen zur Beendigung des iranischen Atomprogramms zu ergreifen, egal welche. Das Programm müsse gestoppt werden. Die Gefahr, es weiter vorankommen zu lassen, sei größer als die, es zu beenden“. Der damalige Präsident des jordanischen Senats, Zeid Rifai, sagte einem US-Diplomaten: "Bombardiert Iran oder lebt mit der iranischen Bombe. Sanktionen oder Belohnungen werden nicht fruchten.“
Abu Dhabis Kronprinz Scheich Mohammad bin Zayed sprach sich in einem Gespräch mit US-Diplomaten dafür aus, eher früher als später gegen den Iran vorzugehen. „Ich glaube, dieser Kerl wird uns in einen Krieg hineinziehen … das ist nur eine Frage der Zeit. Ich persönlich kann es mit einem Kerl wie Ahmadinedschad nicht riskieren. Er ist jung und aggressiv."
Bei einem anderen Meinungsaustausch warnte ein ranghoher saudischer Beamter, die Golfstaaten könnten selbst Atomwaffen entwickeln oder deren Stationierung auf ihrem Territorium erlauben, um der Bedrohung durch den Iran zu begegnen.
Vertreter Israels haben wiederholt davor gewarnt, die Zeit laufe ab. „Wenn die Iraner damit fortfahren, ihre Nuklearanlagen zu schützen, wird es immer schwieriger, sie ins Visier zu nehmen und zu zerstören“, zitiert die amerikanische Botschaft israelische Sicherheitsexperten im November 2009. Die Meinungen in Israel gehen auseinander. Aber die US-Botschaft meldet, die israelische Armee sehe in einem Militärschlag immer mehr die einzige Möglichkeit, die iranischen Pläne zunichte zu machen oder zu verzögern.
Israels Premier Benjamin Netanjahu sagte den Amerikanern im Mai vergangenen Jahres, er und Ägyptens Präsident Hosni Mubarak stimmten darin überein, dass eine Atommacht Iran dafür sorgen werden, dass andere Staaten in der Region ebenfalls Atomwaffen entwickeln würden, was zur größten Bedrohung der Bemühungen um die Nichtverbreitung von Atomwaffen seit der Kubakrise führen würde.
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