Ein Rüpel, ein Visionär

Israel/Palästina Der Ultranationalist Donald Trump hat die Zwei-Staaten-Lösung zu Grabe getragen. Kommt nun die erste wirkliche Demokratie in Nahost?
Ausgabe 50/2017
Donald Trump
Donald Trump

Foto: Joe Raedle/Getty Images

Theodor Trump, der Visionär der Ein-Staaten-Lösung. Gänzlich ohne Herzls Bart oder Basel, den Schauplatz des ersten Zionistenkongresses 1897, könnte Donald Trump zum Begründer der Demokratie in Israel-Palästina werden. So wie seine Obszönität und sein gravierender Sexismus die #MeToo-Bewegung befeuert haben, so könnte seine offene Parteinahme für den Zionismus und die israelische Besatzung eine Gegenreaktion zur Folge haben, die am Ende zur letzten denkbaren Lösung führt. Manchmal braucht es eben einen Rüpel, um drastische Veränderungen herbeizuführen. Trump ist dieser Typ. Wir sollten diesem gefährlichen Mann danken: Er hat nun der Maskerade ein Ende bereitet.

Denn dieser US-Präsident hat der Welt die Wahrheit gesagt: Die Vereinigten Staaten von Amerika sind kein ehrlicher Vermittler, sie waren es niemals und werden es nie sein. Sie sind der mächtigste Verbündete der israelischen Besatzung, sie unterstützen diese Besatzung, sie bewaffnen und finanzieren sie. Sie wollen, dass die Besatzung andauert, und haben nie etwas unternommen, um sie zu beenden. Bevor Trump kam, hielten sie die Welt darüber hinaus auch noch mit einem endlosen „Friedensprozess“ zum Besten, der nie zu etwas anderem führte – und auch nie zu etwas anderem führen sollte – als zur Verlängerung der Besatzung. Die USA haben zahllose vermeintlich neutrale Friedenspläne entwickelt, sie aber nie zu implementieren versucht. Sie schickten zahllose vermeintlich neutrale Unterhändler, die meisten davon zionistische Juden. Und dennoch taten sie so, als seien sie nur der unparteiische Makler.

Trump hat dem ein Ende bereitet. Indem er sich entschloss, Jerusalem vollständig als Hauptstadt Israels – und nur Israels – anzuerkennen, ließ er keinerlei Raum für Zweifel: Die Vereinigten Staaten unterstützen die Besatzung, sie unterstützen Israel – und zwar nur Israel. Natürlich haben die USA und ihr gewählter Präsident das Recht dazu – die meisten Israelis freuen sich ganz sicher darüber –, aber dieses Vorgehen wird weder Frieden noch relative Gerechtigkeit bringen.

Donald Trump hat also die Zwei-Staaten-Lösung zu Grabe getragen, welche nach langem Siechtum schon seit Ewigkeiten darauf gewartet hatte, endlich beerdigt zu werden. Nun gilt es, einen Nachfolger für dieses Modell zu finden. In seiner furchtbar einseitigen Ankündigung erklärte Trump, es gebe keine zwei Nationen mit gleichen Rechten in diesem Land zweier Nationen. Es gebe eine Nation mit einer Hauptstadt und allen Rechten und eine andere Nation, die weniger wert sei und keine Rechte habe. Diese andere Nation verdiene keinen eigenen Staat, und sie verdiene auch nicht Jerusalem als Hauptstadt. Diese andere Nation müsse nun ihre Situation anerkennen und ihre Ziele an die von Trump verkündete Realität anpassen.

Der Erste, der ebendies tat, war der langjährige palästinensische Unterhändler Saeb Erekat. Er sagte: Einverstanden, dann eben nur ein Staat. Die Palästinensische Autonomiebehörde werde sich darauf einstellen müssen. Sie könne nicht mehr länger von einer Zwei-Staaten-Lösung reden, sondern müsse damit anfangen, für das Offensichtliche zu kämpfen: gleiche Rechte für alle. Eine Person, eine Stimme. Ein demokratischer Staat für zwei Völker. Das ist nun die einzig verbleibende Option – abgesehen von der Apartheid. Es gibt bereits 700.000 jüdische Siedler, einschließlich derer in Ostjerusalem. Und nun steht Amerika auch offiziell hinter ihnen. Der Besatzer wurde einmal mehr belohnt, während dem Besetzten ein weiterer Schlag versetzt wurde.

Die Europäische Union wird sich dieser Realität ebenfalls anpassen und verstehen müssen, dass der Winter kommt. Bisher stand die EU als treuer Diener im Schatten der USA, wenn es um die Nahostpolitik ging. Abgesehen von ein paar wenigen unbedeutenden symbolischen Schritten entspricht ihre Politik nicht der öffentlichen Meinung in Westeuropa, die die Besatzung mehrheitlich ablehnt.

Vielleicht wird Trumps Extremismus die Europäische Union aufrütteln und sie zu couragierteren und – das ist hierbei am wichtigsten – unabhängigeren Positionen bewegen. Vielleicht wird Europa ebenfalls damit aufhören, das Mantra von der Zwei-Staaten-Lösung herunterzubeten, wo nun einige Regierungschefs von Mitgliedsländern erklärt haben, dass sie nicht mehr länger tragfähig sei. Vielleicht wird Europa jetzt in einem neuen Dialog über gleiche Rechte für alle die Führung übernehmen.

Und wem hätten wir das zu verdanken? Dem Präsidenten der Vereinigten Staaten. Donald Trump. Wenn die einzig wirkliche Demokratie im Nahen Osten schließlich irgendwann in ferner Zukunft Realität geworden sein wird, dann sollte dieser Mann hierher eingeladen werden. Dieser US-amerikanische Ultranationalist, der mit Moral, Gerechtigkeit oder internationalem Recht, Menschenrechten oder Minderheiten oder Palästinenserinnen und Palästinensern eigentlich rein gar nichts am Hut hat, sollte zum Ehrenbürger dieses neuen, gerechten Staates ernannt werden.

Gideon Levy ist langjähriger Autor und Mitglied des Herausgeberkreises der israelischen Tageszeitung Haaretz

Übersetzung: Holger Hutt

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Geschrieben von

Gideon Levy | The Guardian

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