Der große Gleichmacher

US-Armee Rechtsaktivisten feiern das überraschende Ergebnis eines Senatsvotums, nach dem es Homosexuellen fortan möglich ist, offen in den Streitkräften zu dienen

Das Abstimmungsergebnis fiel mit 65 zu 31 höher als erwartet aus. Die Demokraten entschieden geschlossen – unterstützt von acht Republikanern und zwei Parteilosen – die Don’t Ask Don’t Tell-Politik außer Kraft zu setzen. Die bisherige Regelung sah vor, dass Homosexuelle in der Armee dienen konnten, solange sie sich nicht offen zu ihrer sexuellen Orientierung bekannten.

Eine der wichtigsten Aktionsgruppen, das Servicemembers Legal Defence Network nannte die Reform „die entscheidende Bürgerrechtsinitiative dieses Jahrzehnts“. Gegner der Aufhebung des Gesetzes wie der sozial-konservative Family Research Council hingegen bezeichneten die Reform als „tragischen Tag für unsere Streitkräfte“. Ihr Vorsitzender Tony Perkins erklärte: „Die amerikanische Armee dient einem einzigen Zweck – Kriege zu kämpfen und zu gewinnen. Nun wird sie dazu missbraucht, um dem Land eine radikale soziale Agenda aufzuzwingen.“

Clintons fauler Kompromiss

Die Abstimmung beschert Barack Obama zum Ende des Jahres hin unerwarteten Auftrieb. Er hatte im Wahlkampf 2008 versprochen, „Don’t Ask Don’t Tell“ aufzuheben. Der US-Präsident teilte über Twitter mit: „Indem wir „Don’t Ask Don’t Tell“ abschaffen, wird von patriotischen Amerikanern nicht länger verlangt, dass sie mit einer Lüge leben müssen, um dem Land zu dienen, das sie lieben.“ Nach Aussage des Weißen Hauses wird der Präsident das Gesetz noch in dieser Woche unterzeichnen.

Die USA schließen sich damit – verspätet – anderen westlichen Streitkräften an, in denen Schwule und Lesben offen in den nationalen Streitkräften dienen können. Bis das Gesetz in Kraft tritt, wird es einige Monate dauern. Für die Demokraten und andere Liberale war es seit langem beschämend, dass ausgerechnet die USA, die sich selbst als fortschrittlich in sozialen Angelegenheiten und Verfechter der Menschenrechte darstellen, Schwulen und Lesben die gleichen Rechte in der Armee verweigern. John Kerry, der demokratische Vorsitzende der außenpolitischen Kommission des Senats erklärte: „Das Militär bleibt der große Gleichmacher. So wie wir uns einst, als Präsident Truman die Rassentrennung innerhalb des Militärs aufhob, gewundert haben, weshalb das so lange gedauert hat, so werden wir eines Tages zurückblicken und uns fragen, weshalb Washington so lange gebraucht hat, um dies in Ordnung zu bringen.“

Bill Clinton hatte „Don’t Ask Don’t Tell“ 1993 als faulen Kompromiss eingeführt, um es schwulen Soldaten zu ermöglichen, in einer Armee zu dienen, von der sie explizit ausgeschlossen waren. Die Betroffenen lebten mit dem Risiko, von Kameraden, Vorgesetzten oder zurückgewiesenen Partnern oder aber durch zufällige Bemerkungen geoutet zu werden. Seit 1993 wurden mehr als 13.000 Homosexuelle aus solchen Gründen aus der Armee ausgeschlossen. Sie sollen nun die Möglichkeit haben, wieder eintreten zu können.

McCain opponiert

Vergangene Woche noch schien die Wahrscheinlichkeit einer Aufhebung des Gesetzes gleich null, da es in einem übergeordneten Kombi-Gesetzentwurf über das Verteidigungsbudget aufgehen sollte. Die Demokraten brachten es jedoch am 18. Dezember als eigenständigen Gesetzentwurf zurück, und so kam es trotz des Widerstandes einiger altgedienter Republikaner, darunter auch John McCain, problemlos durch.

McCain macht nun für das Abstimmungsergebnis Liberale ohne Militärerfahrung verantwortlich, die den Streitkräften in Kriegszeiten sozialen Wandel aufzwingen. Das Militär werde tun, was man von ihm verlange, sagte er, und fügte an: „Aber glauben Sie nicht, dass dafür nicht ein hoher Preis bezahlt werden muss.“
Seit Obama im Amt ist, haben sich sein Verteidigungsminister Robert Gates und hochrangige Militärs, wie etwa der Vorsitzende der vereinten Generalstabschefs Admiral Mike Mullen dafür ausgesprochen, dass Schwule und Lesben offen in der Armee dienen können. Eine Umfrage des Pentagon unter Angehörigen der Army, die im November veröffentlicht wurde, ergab, dass zwei Drittel gegenüber einem Militärdienst an der Seite von Schwulen und Lesben positiv oder neutral eingestellt waren. Am höchsten war noch die Ablehnung unter den Marines.

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Übersetzung: Christine Käppeler
Geschrieben von

Ewen MacAskill | The Guardian

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