Der K@mpf geht weiter

Kim Dotcom hat in der neuseeländischen Politik ein Blutbad angerichtet und will nun mit seiner neuen Internetseite die Musikindustrie herausfordern
Der K@mpf geht weiter

Foto: Hannah Johnston / Getty

Dicke sind oft nicht besonders beweglich, heißt es. In Neuseeland gibt es aber einen, der jedem, der versucht hat, im Sand ins Getriebe zu streuen, eine gewaltige Menge an Ärger bereitet.

Vor zwei Jahren wurde der deutsche Internet-Magnat Kim Dotcom quasi zum Stillstand gebracht, als das FBI und die neuseeländische Polizei in seiner palastartigen Wohnung im Norden von Auckland festnahm. In den USA warfen ihm die Behörden vor, seine Tausch-Plattform Megaupload habe im großen Maßstab Urheberrechtsverletzungen ermöglicht. Die Seite wurde vom Netz genommen, sein Vermögen eingefroren und Dotcom zusammen mit drei Kollegen verhaftet. Die USA hatten einen Auslieferungsantrag gestellt.

Dotcom war zwar pleite, erhielt aber Unterstützung und begann nun seinerseits, gegen seine Verfolger vorzugehen und hat seitdem beständig an Fahrt aufgenommen. Er hat geschafft, sein „Kimpire“, wie er es einmal großspurig nannte, wieder aufzubauen, indem er die Fehler von Polizei, Staatsanwaltschaft und Spitzeln ins Visier nahm, die das FBI so bereitwillig unterstützten.

Innenpolitisch hat Dotcom in Neuseeland ein Blutbad angerichtet. Ein Minister der Regierung ist zurückgetreten und steht nun unter Anklage, weil er Parteispenden, die er von Dotcom erhalten hat, nicht deklarierte. Premierminister John Key musste sich entschuldigen, weil bekannt wurde, dass ein Geheimdienst, für den er persönlich verantwortlich war, Dotcom illegal ausspioniert hatte. Die Polizei wurde blamiert, als bekannt wurde, dass ihre Razzia mit einer Anti-Terror-Einheit illegal war. An der Durchsuchung bei Dotcom waren neben der neuseeländischen Polizei auch Agenten des FBI und der hochrangige Staatsanwalt Jay Jay Prabhu, der im US-Justizministerium für Cyberkriminalität zuständig ist, beteiligt.

Im März geht die Auseinandersetzung in die nächste Runde. Kim klagt auf sechs Millionen Dollar Schadensersatz für das unrechtmäßige Vorgehen der Behörden. Nach allem, was bislang bekannt wurde, sieht es für die Regierung überhaupt nicht gut aus. Für Keys regierende National Party ist es vielmehr ein Alptraum, der noch düsterer wurde, als Dotcom erklärte, er wolle eine eigene politische Partei gründen. Weil er nur in Neuseeland lebt, aber nicht die Staatsbürgerschaft des Landes besitzt, kann er selbst allerdings nicht kandidieren. Und die Chancen, dass ein von ihm aufgestellter Kandidat auch gewählt würde, sind gering. Doch die Etablierung einer neuen politischen Kraft würde bei den Wahlen, deren Ausgang ohnehin auf des Messers Schneide steht, für einen weiteren Unsicherheitsfaktor sorgen – insbesondere, wenn sie über Informationen verfügt, die der Regierung schaden können. Es steht außer Frage, dass die Regierung sich schon oft gefragt hat, warum sie Dotcom erlaubt hat, sich in Neuseeland niederzulassen, obwohl sie wusste, dass er schon früher verurteilt worden und das FBI hinter ihm her war.

Erstaunlicherweise hat Dotcom es erneut geschafft, zu Geld zu kommen. Im Januar startete er Mega, einen Service, der Daten verschlüsselt in einer Cloud speichert. Angespornt durch den Eingriff des Five-Eyes-Spionageverbandes in sein eigenes Privatleben schuf er zu Beginn des Jahres, in dem der NSA-Leaker Edward Snowden alle unsere Illusionen von digitaler Privatsphäre zerstörte, einen digitalen Hafen der Sicherheit.

Das Vermögen von Mega ist seitdem ebenso kontinuierlich gestiegen wie sein Ranking bei Alexa. Und seitdem das Unternehmen seine Verschlüsselung als Antwort auf die Überwachung durch den NSA vermarktet, geht es noch schneller bergauf. Bei der Durchsuchung von Megaupload begründete das FBI seine Forderung nach Entfernung von urheberrechtlich geschütztem Material damit, dass das Unternehmen in der Lage sei, Seiten mit Kinderpornografie und solche, die mit Terrorismus in Verbindung stehen identifizieren und aus dem Netz hätte nehmen können. Daraufhin hat Dotcom Mega so aufgebaut, dass niemanden, nicht einmal die Administratoren der Seite in Erfahrung bringen können, welche Inhalte die Nutzer in der Cloud gespeichert haben. Mit anderen Worten bedeutet dies: Das Vorgehen des FBI hat zur Entstehung einer Website beigetragen, die außerhalb der Überwachungsmöglichkeiten existiert, die Snowden offenbart hat. Und das war mit Sicherheit nicht das, was die US-Behörden mit der Stilllegung von Megapload beabsichtigt hatten.

Dotcom kämpft an allen Fronten und zeigt, dass mit einem 175 Kilo schweren Internet-Visionär, der sich ungerecht behandelt fühlt, nicht zu spaßen ist. Als nächstes ist sein ursprünglicher Kontrahent, die Musikindustrie, wieder an der Reihe. Nächstes Jahr wird Dotcom Baboom! Auf den Markt bringen – ein Online-Musikdienst, der Künstler unmittelbar dafür honorieren soll, wenn Nutzer deren Lieder kostenlos hören. Der Preis, den man für das freie Herunterladen bezahlt, besteht in der Installation von „MegaKey“, einer Software, die eingebettete Werbung durch solche austauscht, die Dotcom verkauft.

Derlei Pläne legen nahe, dass Dotcom nicht von seinem Konfrontationskurs mit der Rechteindustrie abzubringen ist. Er verkörpert die Gefahr, die die Technologie für die Urheberrecht darstellt, seitdem die Motion Picture Association of America sich beklagte, Betamax Video-Player würden Hollywood zerstören.

Im September erklärte das frühere Mitglied der Band Longpigs, Crispin Hunt, die britische Musikindustrie müsse wieder Terrain von Dotcom zurückerobern. Hunt, der jetzt als Sprecher der Featured Artists Coalition fungiert – einer Gruppe von Musikern, die über Piraterie diskutiert – forderte die Vereinigung der britischen Musikindustrie, BPI, auf, sie müsse das Image der Branche verbessern und sich als „die Guten darstellen, die uns großartige Musik bieten, anstatt als die bösen Jungs zu gelten, die junge Talente ausbeuten“. Dotcom, so Hunt, sei ein „pummeliger Che Guevara, der seine Privatinteressen als Idealismus bemäntelt“.

Aber die Musikindustrie bewegt sich nicht. Sie bleibt gefangen in einem unflexiblen Geschäftsmodell und drängt die USA, ihre Position rund um den Globus mit Handelsabkommen zu stärken, die striktere Urheberrechtsgesetze beinhalten.

Dotcom tanzt indessen geschmeidig um diese großen Brachen herum und schlägt ihnen ein Schnippchen. Dicke sind oft nicht besonders beweglich, heißt es. Falls man aber so fest entschlossen ist, sich nicht zu bewegen, wie die angesprochenen Branchen, ist es leicht, flink zu erschienen. Wenn Megaupload bereits für Ärger gesorgt hat, darf man gespannt sein, was als nächstes kommt.

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Geschrieben von

David Fisher | The Guardian

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