Jacob Zuma Südafrikas Staatschef Zuma nutzt nicht nur die Fußball-WM, um weltpolitisch an Kontur zu gewinnen. Er tut etwas, um dem Ruf eines aufgeräumten Populisten zu entkommen
Jacob Zuma (67) hat Fußböden gescheuert, als Küchenjunge gearbeitet und nie eine höhere Schule besucht, bevor er in die Politik ging
Als Mann der strategische Entwürfe und ideologischen Wegmarken gilt Jacob Zuma nicht unbedingt. Er wird daran als Gast des gerade in Davos stattfindenden Weltwirtschaftsforums vermutlich nichts ändern, aber den dort versammelten Regierungschefs, Ministern und Experten Fragen stellen, die daran erinnern, dass die Weltfinanzkrise nicht nur zu kollabierenden Banken in den USA oder Großbritannien geführt hat, sondern hungernde Nationen in Afrika hinterlässt. 700 Milliarden Dollar, schätzt die Weltbank, sind den ärmsten Ländern der Erde – die liegen vorzugsweise in Afrika – durch krisenbedingte
enbedingten Preisverfall und Handelseinbrüche 2009 verloren gegangen. Ausgleichen lasse sich das vorerst nicht, sagt Jacob Zuma zu Recht.Im Jahr der Fußball-WM ist der südafrikanische Staatschef erkennbar bemüht, weltpolitisch an Kontur zu gewinnen und aus dem Schatten des geschmähten Populisten zu treten. Jeder, der in den frühen neunziger Jahren behauptet hätte, das Land am Kap könnte bald von einem ANC-Vorsitzenden regiert werden, der keine höhere Schule besucht hat, bei öffentlichen Veranstaltungen regelmäßig singt oder tanzt und als Präsident nach alter Zulu-Tradition fortfährt, sich ein Aufgebot mehrerer Ehefrauen zu halten, wäre mit Sicherheit als Rassist beschimpft worden.Würdevolle GestaltenUm so mehr sind viele Südafrikaner erstaunt darüber, wie scheinbar mühelos sich Jacob Zuma in der Politik seines Landes nicht nur behauptet, sondern derselben seinen Stempel verpasst. Auch als Präsident verbringt er noch Zeit auf seiner Farm in der nördlichen Provinz KwaZulu-Natal, wo er sich gerade für 5,4 Millionen Pfund eine Art Palast bauen lässt. Zuma beteuert, es seien keinerlei Steuergelder im Spiel, doch wird er auf private Spender rechnen dürfen, woran der Nutznießer solcherart Mäzenatentums nichts Anstößiges finden kann. Mit großer Geste verteilt er in KwaZulu-Natal seinerseits Lebensmittel an die Bevölkerung, die ihn dafür verehrt.In der Ära Nelson Mandelas hatte sich Südafrika daran gewöhnt, dass der ANC von weisen, erfahrenen Patriarchen geführt wurde, zu denen neben dem ersten Präsidenten der Nach-Apartheid-Ära auch Männer wie Walter Sisulu und Oliver Tambo aus der Gründer-Generation des ANC gehörten. Man sah in ihnen würdevolle Gestalten, die viele Jahre im Gefängnis oder Exil verbringen mussten. Als Thabo Mbeki Präsident wurde, schien diese Ära vorbei und die Stunde des pragmatischen Apparatschiks zu schlagen.Beide – die Veteranen um Mandela und die Modernisierer um Mbeki – waren davon überzeugt, Teil einer avantgardistischen Elite zu sein, die über dem tagespolitischen Geschäft steht und losgelöst davon agiert. Wenn eine dieser beiden Führungsgruppen das Gefühl hatte, man müsse die Südafrikaner an die Wahlurnen bringen, sprachen sie in einer Weise davon, „das Volk zu mobilisieren“, wie sonst nur Generäle den Siegeswillen ihrer Armeen zu wecken pflegen. Es herrschte ein ausgeprägtes Gefühl für Distanz zwischen Parteielite und Parteibasis. Das Privatleben der Parteiführer – nicht zuletzt Mandelas – war zuweilen kompliziert, doch in der Öffentlichkeit versuchten sie, den Eindruck vollkommener Monogamie und Kultiviertheit zu erhalten.Thabo Mbeki versah seine Reden mit Zitaten englischer Dichter und stellte die armen, ungebildeten Afrikaner gern als Rohmaterial einer sozialistischen Zukunft dar. Man war sich natürlich immer bewusst, dass neben dieser Welt auch die der afrikanischen Straße existierte – die Landschaft der Taxiunternehmer, Betrüger und Diebe, Prostituierten und Bordellbesitzer. Früher nahm die ANC-Elite dieses Milieu kaum wahr. Es kam nie als Avantgarde in Frage.Ambitionierter Zulu-JungeAls der ANC vor wenigen Jahren wieder mehr auf die Townships zuging, erhöhte sich deren Einfluss. Thabo Mbeki hatte damit nicht viel im Sinn und predigte weiter, Partei-Aktivisten hätten sich in selbstloser Hingabe zu üben und aus jedem Handgemenge herauszuhalten. Er sprach sogar davon, der ANC werde „den neuen Menschen“ formen. Als er damit begann, den mutmaßlichen Populisten Zuma zu bekämpfen, nahm der bei Taxi-Unternehmern und zwielichtigen Geschäftsleuten jede Unterstützung, die er kriegen konnte. Er war ein Mann der Straße, hatte selbst früher Fußböden gescheuert, als Küchenjunge gearbeitet und nie eine höhere Schule besucht, geschweige denn studiert, als sich ihm 1978 die ANC-Exekutive öffnete. Er wusste, wer sich mit tödlichem Hass gegenüberstand, als er bei ethnischen Konflikten 1991 in seiner Heimat KwaZulu-Natal vermittelte. Was ihn prädestinierte, an den Verhandlungen mit dem alten Regime über einen friedlichen Abschied von der Apartheid teilzunehmen.So kam Südafrika zu einem Präsidenten, der die Jugendträume eines ambitionierten Zulu-Jungen nie vergaß. Dieser Junge hat sich verändert, um reich und mächtig zu werden, aber er wird immer einfache Leute vom Land um sich versammeln, die aus dem Milieu kommen, in dem er sich wohl fühlt. Es ist schon merkwürdig: Die Linken im ANC, vor allem die Gewerkschafter, haben Zuma an die Macht gebracht, aber der wirkt in seinen Leoparden-Fellen immer mehr wie die Imitation eines Zulu-Königs. Jacob Zuma schert das wenig – er genießt sein Leben in vollen Zügen.Übersetzung: Holger Hutt
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