Deutschland im Herbst

Regina Schmeken Vier Tage lang dokumentierte die Fotokünstlerin Regina Schmeken die Atmosphäre nach dem Mauerfall. Die Bilder sind derzeit in einer Berliner Ausstellung zu sehen

Am Abend des 9. November 1989 sah ich in den Fernsehnachrichten Ausschnitte der Pressekonferenz mit Günter Schabowski und hörte, wie er verkündete, dass ab sofort die deutsch-deutsche Grenze offen sei. Natürlich traute auch ich zunächst meinen Ohren nicht: so einfach sollte das nun gehen...Kaum vorstellbar !
Am nächsten Morgen buchte ich einen der letzten Plätze in einem Flugzeug von München nach Berlin. Dort angekommen, war es äußerst schwierig in den Osten zu gelangen, wo man mir im damaligen „Grand Hotel“ an der Friedrichstraße ein Zimmer reserviert hatte. Es war das einzige Hotel, in dem Ausländer aus dem Westen unterkommen konnten. Auf den Straßen herrschte Chaos, und ziemlich spät gelangte ich zum Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße. Von dort aus durfte mein „West-Taxi“ nicht weiterfahren, obwohl die Grenze offiziell offen war. Ein „Ost-Taxi“ gab es weit und breit aber nicht. Also musste ich „trampen“, und sprach einen Westberliner an, der mich bereitwillig in seinem Golf zum Hotel fuhr, er wollte „eh mal rüber fahren um zu kieken“.
Natürlich lief ich dann sofort nach der Ankunft los, Richtung Brandenburger Tor. Dort war zwar noch kein Durchkommen, aber von Westen kam das gleißende Licht der Fernsehscheinwerfer, man spürte und hörte es auch: da drüben ist die Hölle los. So kam es zu dieser Nachtaufnahme vom Brandenburger Tor – auffällig sind die Pfeile auf dem Asphalt, sie weisen schon in beide Richtungen.
Zwei Tage später, also am 12. November, wurde die Mauer am Potsdamer Platz geöffnet. Eine ganze Serie von Bildern entstand dort, eine der Aufnahmen zeigt die Mauer im Querschnitt. Rechts von ihr sieht man in der Ferne das Brandenburger Tor, damals in Ostberlin und linker Hand erkennt man den Reichstag, der zum Westen der Stadt gehörte. Beim Betrachten dieser Fotografie erscheint es mir immer wieder absurd, dass dieses in der Profilansicht so schmal und harmlos wirkende Bauwerk es vermochte ein Land, eine Nation zu teilen.



Regina Schmeken ist eine der renommiertesten deutschen Fotokünstlerinnen. Ihre Bilder wurden vielfach preisgekrönt. Schmeken fotografiert seit mehr als 20 Jahren außerdem für die Süddeutsche Zeitung. Die Fotografien sind derzeit in der Ausstellung Szenen und Spuren eines Falls Die Berliner Mauer im Fokus der Fotografen im Max-Liebermann-Haus am Brandenburger Tor zu sehen.

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Ausstellung | The Guardian

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