Abspecken Die Krise bei der BBC ist schlimm, das Management bricht derzeit zusammen. Doch der Sender kann, wenn er die richtigen Lehren zieht, gestärkt daraus hervorgehen
BBC-Verwaltungsratschef Chris Patten, selbst in der Kritik, fordert tiefgreifende Reformen
Foto: Justin Tallis/AFP/Getty Images
Bei der BBC herrscht, wie auch bei vielen anderen Zeitungen, die seltsame Auffassung, dass gute Journalisten automatisch auch gute Führungskräfte abgeben. Dabei sind die erforderlichen Fähigkeiten jeweils vollkommen andere. Bei der „Beeb“ wuchs und wuchs die Zahl der Manager auf den mittleren Führungsebenen, die einander in endlos langen, ständig mehr werdenden Meetings gegenüber saßen. Büropolitik wurde zu einer hochkomplexen Kunst: Man deckte einander den Rücken, Memos wanderten die bürokratischen Ebenen hoch und runter. Ganze Managementebenen reisten in Hotels auf dem Land, um dort zu lernen – bessere Manager zu werden.
Leute, die echten Journalismus machten, hatten das Gefühl, sich ständig gegenüber Leute
;ber Leuten behaupten zu müssen, die all dies aufgegeben hatten und nun ihre Zeit damit verbrachten, andere davon abzuhalten. Es gibt bei der BBC eine Kultur der obsessiven „Konformität“. Filme werden von viel zu vielen Leuten geprüft, auf Risiken reagiert man mit Nervosität. Groteskerweise könnte eben diese Nervosität zum zweiten Newsnight-Versagen geführt haben: Frustrierte Reporter fürchteten so sehr, gestoppt zu werden, dass sie zu schnell vorpreschten und niemanden darüber informierten, was sie genau vorhatten.Die BBC ist an ihrer „Über-Managerisierung“ nicht ganz allein schuld. Jede Institution neigt dazu, zu wachsen, wenn sie die Möglichkeit dazu hat. Mit den Jahrzehnten sind massenhaft neue Management-Positionen für Leute entstanden, deren Beförderung überfällig war. Wer einen neuen Posten erhalten hatte, verlangte rasch einen Stellvertreter. Geschützt durch die Gebühreneinnahmen und die relative Isolation von der übrigen journalistischen Welt, kam die BBC eben damit durch.Je mehr Manager desto schwierigerAuch ihre Nervosität hat die BBC sich nicht ganz allein zuzuschreiben. Sie wird ständig von Gegnern aus der Zeitungsbranche angefallen, die jeweils eigene Agenden verfolgen – allen voran von den Murdoch-Leuten, aber auch von Blättern der Telegraph- und der Mail-Gruppe. So werden die Fehler der BBC genauer und hämischer unter die Lupe genommen, als die der meisten anderen.Zu verstehen bedeutet allerdings nicht, zu vergeben. Gutes Management heißt, gute Leute zu haben, die eine klare – allerdings nicht zu große – Verantwortung tragen; die freie Entscheidungen treffen können, für Fehler aber auch den Kopf hinhalten müssen. Es ist ein wohlverstandenes Paradox, dass das Management um so schlechter wird, je mehr Manager man hat. Chris Patten, der Vorsitzende des BBC-Trust, Übergangs-Generaldirektor Tim Davie und wer immer auch den Job von ihm übernimmt, müssen die kopflastigen Strukturen aufbrechen und bei der BBC wieder für vernünftige Größenverhältnisse und Proportionen sorgen.Das ist durchaus möglich. Patten scheint dazu zu neigen, Außenstehende mit diesen Veränderungen zu beauftragen. Bei der BBC wiederum herrscht der hochmütige Glaube, dass Leute von außen, die nicht von der hochgeschätzten und einzigartigen Kultur des Hauses durchdrungen sind, in dieser nicht effektiv sein könnten – weil sie zu lange bräuchten, um sie zu verstehen. Dabei ist es genau anders herum. Es dürfte eben Insidern, die innerhalb der selbstgefälligen Management-Kultur der BBC groß geworden sind, besonders schwer fallen, die nötigen Veränderungen herbeizuführen. Einer der erfolgreichsten und beliebtesten Generaldirektoren der jüngsten Zeit war mit Greg Dyke jemand, der von außen kam.Arme, alte "Newsnight"Es könnte zukünftig auch notwendig sein, die Rolle des Chefredakteurs von der des Generaldirektors zu trennen. Ganz sicher bin ich mir da zwar nicht, denn immerhin braucht jede Organisation jemanden, der sie anführt und wenn dieser jemand nicht Chefredakteur ist, ist er dann überhaupt wirklich Chef? Dennoch kann angesichts des enormen Ausmaßes der Tätigkeiten der BBC im Unterhaltungs-, im geschäftlichen und im technischen Bereich niemand über all dies den Überblick behalten und gleichzeitig über jede kontroverse Story Bescheid wissen, die gerade vorbereitet wird. Unter dem vorletzten BBC-Generaldirektor Mark Thompson gab es einen Vize-Generaldirektor, der außerdem Chefredakteur war. Das wäre eine Möglichkeit. Ein hochrangiger Nachrichtenverantwortlicher, der trotzdem eindeutig dem Generaldirektor untersteht. Mit der Schaffung einer solchen Position könnte das Schiff des Generaldirektor wohl fahrbar gemacht werden.Und was passsiert nun mit der armen, alten „Newsnight“? Bezeichnenderweise hat Patten den Sendeplatz für Nachrichten und Zeitgeschehen am späteren Abend verteidigt, nicht aber die Sendung selbst. Die hat ohnehin im Laufe der Jahre unter dem immer gleichen Banner enorme Wandlungen durchlaufen. Als Newsnight 1980 auf Sendung ging, wurde dort gar kein Investigativjournalismus betrieben. Man hatte hervorragende, kluge Moderatoren wie John Tusa, Peter Snow oder Charles Wheeler, originelle, schlaue politische Filme von Vincent Hanna und poetische Beiträge von David Sells aus jenen Teilen der Welt, aus denen sonst nirgendwo berichtet wurde. Dafür hatte man die notwendigen Ressourcen – nicht aber für die langwierige, akribische Arbeit, derer investigative Recherchen bedürfen.Jede Sendeanstalt, die so groß ist wie die BBC, braucht ein abendliches Flaggschiff für Nachrichten und Aktuelles. Vielleicht bedarf es aber eines neuen Ansatzes. Einen Neuanfang wird man auch bei weiten Teilen des Managements machen müssen, wobei die neuen Spitzen von außen kommen sollten. Dann aber gibt es absolut nicht den geringsten Grund, warum Newsnight und die BBC als Ganze sich nicht wieder erfolgreich aufstellen können sollten. Die „Beep“ ist viel mehr als nur ihr Management – zu ihr gehören auch viele talentierte Journalisten, Entertainer und Produzenten.
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