Die Fäden in der Hand behalten

Burma Noch scheint offen, ob die jüngsten Nachwahlen Burma weiter demokratisiert haben. Oder ob sie der bisherigen Elite halfen, die Opposition für ihre Zwecke zu vereinnahmen

Wenn sich autoritäre Herrscher zu Reformen entschließen, tun sie dies beinahe immer in der Hoffnung, dadurch ihre Macht zu erhalten. Abtreten wollen sie diese in der Regel nicht. Und teilen nur dann, solange sie hinter den Kulissen letztlich die Fäden in der Hand behalten. Zu wirklichem Wandel kommt es – wenn überhaupt – nur dann, wenn sich die Ereignisse später der Kontrolle derjenigen entziehen, die sie zu manipulieren versuchen. So geschah es im Südafrika der Apartheid, im Spanien nach Franco, in Russland und den Staaten Osteuropas. So scheint die Entwicklung nach dem Sturz Hosni Mubaraks in Ägypten zu sein und nun auch in Burma.

Aung Sang Suu Kyis Erfolge bei den Nachwahlen am Wochenende könnten sich als erster Schritt in Richtung einer vollständigen Demokratisierung Burmas erweisen. Oder aber als Teil eines weiteren Versuchs der burmesischen Elite, die Opposition zu vereinnahmen und sie für die eigenen Zwecke zu benutzen. Damit soll nicht unbedingt die Aufrichtigkeit von Präsident Thein Sein in Frage gestellt werden. Er scheint ein kluger Mann zu sein, der verstanden hat, dass es Burma unter den Generälen nicht gelungen ist, einen effektiven Umgang mit den Problemen der ethnischen Spaltung, der unausgewogenen Entwicklung und der Korruption zu finden. Hinzu kommt, dass man in eine übermäßige Abhängigkeit von chinesischen Hilfen und Investitionen geraten ist, was patriotische Burmesen als Beleidigung empfinden. Die Regierung sieht sich einer unzufriedenen, desillusionierten Bevölkerung gegenüber, in der Wut über die mangelnde Freiheit und das Ausmaß der Armut in dem Ressourcen reichen Land herrscht.

Vorbild Südafrika und Polen?

Eine Mehrheit hat sich in diesem Land aus der Scheinveranstaltung, zu der das politische Leben geworden ist, zurückgezogen. Einige pseudodemokratische Maßnahmen vor 18 Monaten haben die Sache höchstens schlimmer gemacht. Die Freilassung Aung San Suu Kyis und ihre Rückkehr in die Politik waren ein Reparaturversuch. Wenn Staatschef Thein Sein mit Suu Kyis Hilfe weiter gehen und die landesweiten Parlamentswahlen noch in diesem Jahr zu einem wirklichen Wettbewerb machen will, wird er sich die persönlichen Interessen vornehmen müssen, die seit der ursprünglichen Machtübernahme des Militärs vor über einem halben Jahrhundert entstanden sind.

Seither hat das Offizierskorps eine neue Klasse hervorgebracht, die nicht nur die Streitkräfte dominiert, sondern auch Regierung, Verwaltung und Diplomatie. Viele aus dieser Gruppe haben Blut an den Händen, systematisch Staatsgelder geplündert und sich nationale Ressourcen angeeignet. Diese Leute wollen ihre Privilegien behalten und ungestraft bleiben. Somit erwarten sie vom Präsidenten, dass er diese Vorrechte schützt, statt sie ihnen zu nehmen.

Die Frage für Thein Sein und Suu Kyi ist, ob es in Burma eine Revolution auf dem Verhandlungsweg geben kann, die den Umschwüngen ähneln würde, die in Südafrika oder Polen für fundamentalen Wandel gesorgt haben, ohne das es dabei zu ernsthafter Gewalt gekommen wäre. Die Länder des Westens sollten daher ein anerkennendes Signal geben, indem sie geringfügige Sanktionen aufheben, es aber bei den schweren – besonders im Zusammenhang mit dem Gebrauch des US-Dollars – belassen, bis Burma einen sehr viel größeren Fortschritt vorweisen kann.

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Editorial | The Guardian

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