Die größte Klima-Vandalin des Planeten

Klimapolitik Angela Merkel genießt noch immer den Ruf, den Umweltschutz zu fördern. Dabei ist die Bilanz ihrer Umweltpolitik eine Katastrophe
Offiziell steht Angela Merkel für Energiewende und Umweltschutz. Doch im Verborgenen agiert sie als Klima-Vandalin
Offiziell steht Angela Merkel für Energiewende und Umweltschutz. Doch im Verborgenen agiert sie als Klima-Vandalin

Foto: Guido Bergmann/Bundesregierung-Pool via Getty Images

Welche lebende Person hat am meisten zur Zerstörung der Natur und des Wohlergehens der Menschheit beigetragen? Donald Trump wird schon bald die richtige Antwort sein, wenn die volle Wucht seiner zerstörerischen Politik zu spüren sein wird. Doch für den Augenblick würde ich auf diese Frage noch einen anderen Namen nennen: Angela Merkel.

Was? Habe ich den Verstand verloren? Angela Merkel, die „Klimakanzlerin“? Die Person, die als deutsche Umweltministerin durch bloße Willenskraft das erste UN-Klimaabkommen ausgehandelt hat? Die Kanzlerin, die die Regierungschefs der G7 dazu überredet hat, bis zum Ende dieses Jahrhunderts schrittweise aus der Nutzung fossiler Brennstoffe auszusteigen? Die Architektin der deutschen Energiewende? Ja, genau die.

Anders als Trump hegt sie keine böswilligen Absichten. Sie hat nicht wirklich geplant, die Vereinbarungen zunichte zu machen, die mit ihrer Hilfe zustande gekommen sind. Doch der Planet Erde reagiert nicht auf Leitlinien, Absichtserklärungen, Reden oder Ziele. Er reagiert auf harte Fakten. Was zählt, ist, was Merkel tut und nicht das, was sie sagt. Und wenn man sie danach beurteilt, hat sie eine Katastrophe von planetarischen Ausmaßen zu verantworten.

Politischer Vorteil vor ethischen Vorstellungen

Merkel hat eine fatale Schwäche: eine Schwäche für die Lobbyisten der deutschen Wirtschaft. Wann immer ein wichtiges Thema zur Entscheidung ansteht, wägt sie ihre ethischen Vorstellungen mit dem politischen Vorteil ab – und entscheidet sich für den Vorteil. Dies ist, zum großen Teil, der Grund dafür, dass Europa in einer Wolke aus Diesel-Abgasen erstickt.

Die Entscheidung der EU, Benzin-Motoren durch Diesel-Modelle zu ersetzen, wurde zwar auch von der deutschen Automobilindustrie vorangetrieben – das lag aber vor Merkels Kanzlerschaft. Es handelte sich dabei um eine klassische EU-Mogelpackung: den Versuch, einen Systemwandel zu vermeiden, gleichzeitig aber den Eindruck zu vermitteln, man würde etwas unternehmen. Das Ganze basierte auf der Behauptung (die sich jetzt als falsch herausstellt), Dieselmotoren würden weniger Kohlendioxid erzeugen als Benziner. Als Angela Merkel dann aber Kanzlerin wurde, nutze sie jedes nur erdenkliche Mittel, um dieses tödliche Ausweichmanöver beizubehalten.

Der schlimmste Fall ereignete sich 2013, als die übrigen europäischen Regierungen sich nach fünfjährigen Verhandlungen schließlich auf einen neuen Standard zur Energieeffizienz für Pkw geeinigt hatten: Diese sollten im Jahr 2020 im Durchschnitt nur noch maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Merkel intervenierte, um die ganze Sache zu Fall zu bringen.

Angeblich drohte sie dem irischen Premierminister Enda Kenny – damals EU-Ratspräsident – damit, die sogenannten Rettungskredite an Irland zu stoppen. Sie stellte den Niederländern und Ungarn in Aussicht, die deutschen Autowerke in deren Ländern würden geschlossen und bot David Cameron in einem schmutzigen Deal an, die Bemühungen für eine europäische Bankenregulierung zu durchkreuzen, wenn er ihr helfe, die Abgasbestimmungen zu blockieren. Mit diesen Erpressermethoden gelang es ihr, die Einigung zu Fall zu bringen. Die 700.000-Euro-Spende, die ihre Partei daraufhin von den Hauptanteilseignern von BMW erhielt, lässt nicht darauf schließen, dass man dort besonders unglücklich über das war, was Merkel erreicht hatte.

Tausende bezahlen mit ihrem Leben

2014 wies die Europäische Kommission die deutsche Bundesregierung in einem Schreiben darauf hin, dass die Luftverschmutzung durch Dieselmotoren weitaus höher sei als von den Herstellern behauptet. Die Regierung ignorierte die Warnung. Selbst heute, zwei Jahre nachdem der Dieselgate-Skandal öffentlich wurde, verteidigt Merkel den Diesel noch immer und erklärt, die Bundesregierung werde ihren ganzen Einfluss nutzen, um zu verhindern, dass deutsche Städte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge erlassen und Quoten für Elektrofahrzeuge einführen. Der „Fehler“, den Diesel-Hersteller gemacht hätten, so Merkel, „gibt uns nicht das Recht, die gesamte Industrie ihrer Zukunft zu berauben“. Stattdessen beraubt ihre Politik nun tausende Menschen ihres Lebens.

Dabei könnte das noch die kleinste der Umweltkatastrophen sein, die sie zu verantworten hat. Denn diesem tödlichen Zugeständnis an die deutsche Autoindustrie ging 2007 ein noch schlimmeres voraus. In diesem Fall zwang ihre unverblümte, von den üblichen diplomatischen Schikanen begleitete Weigerung, die vorgeschlagenen Verbesserungen der Standards bei Pkw-Motoren zu akzeptieren, die Europäische Kommission dazu, andere Mittel zu finden, um die Treibhausgase zu reduzieren. Fatalerweise entschied diese sich dafür, fossile Brennstoffe durch Biotreibstoff zu ersetzen – ein Schritt, den Merkel lautstark unterstütze.

Biokraftstoff befördert Umweltkatastrophen

Merkel und die Europäische Kommission ignorierten wiederholte Warnungen, dass diese Praxis mit großer Wahrscheinlichkeit zu Unterernährung und massiver Umweltzerstörung führen würde, da noch mehr Wälder gerodet und noch mehr Getreide statt für die Deckung des Nahrungsmittelbedarfs für die Produktion von Biokraftstoffen verwendet werden würde. Die europäische Biotreibstoff-Verordnung befördert massiv eine der größten Umweltkatastrophen weltweit: die Abholzung der indonesischen Regenwälder, um die so entstandenen Flächen für den Anbau von Palmöl bzw. Palmfrüchten zu nutzen.

Dadurch wurden nicht nur große und artenreiche Ökosysteme vernichtet – einschließlich der Orang-Utans, Nilpferde, Gibbons und tausender anderer Arten, denen sie eine Heimat boten. Bei der Brandrodung der Wälder und der Oxidation von Torf kommt es auch zu wesentlich höheren Emissionen als bei der Verbrennung fossiler Treibstoffe. Was diese Geschichte besonders bitter macht, ist, dass die Richtlinie, die Merkel 2007 verhindert hat, zum ersten Mal im Jahr 1994 von einer deutschen Umweltministerin vorgeschlagen wurde. Wie war ihr Name noch gleich? Lassen Sie mich überlegen – ah ja, Angela Merkel.

Geht es noch schlimmer? Es ist schwer, solche Verbrechen gegen die Biosphäre zu hierarchisieren. Das Peinlichste ist aber vielleicht Deutschlands erschreckendes Versagen, das Stromsystem zu dekarbonisieren – trotz Investitionen in Milliardenhöhe. Während die Treibhausgasemissionen in anderen europäischen Ländern stark reduziert werden konnte, sind sie in Deutschland mehr oder weniger gleichgeblieben.

Merkels Deals haben reale Auswirkungen

Der Grund dafür ist einmal mehr Merkels Willfährigkeit gegenüber den Lobbyisten der Industrie. Ihr Büro hat wiederholt die Bemühungen des Umweltministeriums blockiert, eine Deadline für den Kohleausstieg festzusetzen. Noch immer werden 40 Prozent des deutschen Stroms aus Kohle, insbesondere Braunkohle gewonnen, die mit den kanadischen Teersanden um den Titel des schmutzigsten Brennstoffs wetteifert. Da Merkel sich weigert, die Verwendung der Kohle zu beschränken, hat das Energiewende-Programm den absurden Effekt, dass der Strompreis immer weiter fällt und somit einen Wechsel von Erdgas zur billigeren Braunkohle befördert (das sogenannte Energiewende-Paradox). Aber Merkel scheint das nicht zu kümmern. Sie hat erklärt, Kohle werde noch eine ganze Zeitlang eine Säule der deutschen Energieversorgung darstellen.

Sollte aber nicht das Emissionshandelssystem der EU dieses Problem nicht lösen, indem es Kohlestrom aus dem Markt drängt? Ja, aber das wurde 2006 von einer deutschen Politikerin sabotiert, die darauf beharrte, dass so viele Zertifikate an die Industrie ausgegeben werden, dass der Preis in den Keller rutschte. Ich denke, Sie ahnen, von wem die Rede ist.

All dies sind reale Auswirkungen, während Merkel mithilfe von Gefälligkeiten und schmutzigen Deals, wie ich sie oben aufgeführt habe, verhindert hat, dass die Vereinbarungen, die sie auf dem Papier mit aushandelte, nie in die Tat umgesetzt wurden. Dass sie dennoch eine Aura der Unantastbarkeit umgibt, ist schon eine gewisse Leistung – für die größte Umweltvandalin des Planeten.

George Monbiot ist Kolumnist des Guardian

Übersetzung: Holger Hutt

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Geschrieben von

George Monbiot | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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