Abdul Hakim Belhaj, derzeit Sicherheitsbefehlshaber in Tripolis, zieht eine Klage in Betracht. Ein unter den vielen Papieren der ehemaligen Regierung zurückgelassenes Dokument lässt erkennen, wie sich ein hochrangiger Offizier des britischen Geheimdienstes MI6 damit brüstet, eigene Geheimdienstinformationen hätten zu Belhajs Verhaftung am 6. März 2004 geführt. Belhaj gehörte damals zur Führungsriege der Libyschen Islamischen Kampfgruppe (Libyan Islamic Fighting Group/LIFG). Er wurde in Bangkok festgenommen und an die CIA übergeben, deren Beamten ihm ein Wahrheitsserum injizierten, bevor sie ihn zurück nach Tripolis flogen, wo er verhört werden sollte. Aus den Dokumenten wird ersichtlich, dass der MI6 fünf Tage vor Belhajs Verhaftu
ajs Verhaftung dessen französische und marokkanische Deckidentitäten an Libyen weitergab und mitteilte – der Betreffende befinde sich im malaysischen Sepang in Haft.Belhaj gibt gegenüber dem Guardian zu verstehen, britische Spione hätten ihn mit als erste verhört, nachdem er nach Tripolis zurückgebracht worden sei. Er sei sehr „überrascht“ gewesen. „Ich durfte drei Jahre lang nicht baden und habe ein Jahr lang die Sonne nicht gesehen“, berichtet er weiter. „Sie hängten mich an eine Wand und steckten mich in eine Isolationszelle. Ich wurde regelmäßig gefoltert.“Anfang 2011 wurde Belhaj dann dank einer von Gaddafi erlassenen Amnestie aus dem Abu-Selim-Gefängnis – einer Art libyschem Guantánamo – entlassen und übernahm dann rasch eine Führungsrolle in der Rebellenbewegung. „Dies wird das neue Libyen nicht daran hindern, geregelte Beziehungen zu den USA und Großbritannien zu unterhalten“, sagte er. „Aber das hätte nicht passieren müssen.“Verbindungen verteidigt Eine Vielzahl von Dokumenten, die in der verlassenen britischen Botschaft und in den Büros hoher Mitarbeiter des Gaddafi-Regimes gefunden wurden, deuten nicht nur auf die unmittelbare Beteiligung des MI6 an der Sache hin, sondern legen – teilweise äußert detailliert – dar, wie eng die britischen Geheimdienste mit libyschen Staatsbeamten kooperierten, nachdem Gaddafi 2004 aus dem diplomatischen Abseits zurückgekehrt war. Aus den Unterlagen geht hervor, dass der MI5 offenbar einen Austausch von Informationen über in London lebende libysche Dissidenten gegen in Tripolis gewonnene Informationen anstrebte – auch wenn die auf Folter zurückgingen.In britischen Regierungskreisen werden die Libyen-Verbindungen verteidigt. Die Behörden hätten im Einklang mit „ministeriell autorisierten Regierungsrichtlinien“ gehandelt. Nichtsdestotrotz wirft das Material ein bezeichnendes Licht auf die wechselhafte Natur der Geheimdienstarbeit und die schmutzigen Deals, die im Namen der nationalen Sicherheit üblich sind. Darüber hinaus ergeben sich verstörende Fragen über das Wissen Großbritanniens um Folter und die Beihilfe, die das Land zu Misshandlungen leistet.Besonders unbehaglich wird die Angelegenheit für den MI6, da sie Gegenstand einer anstehenden Untersuchung sein dürfte, in der es um die britische Beteiligung an Auslieferungen und das Wissen der Geheimdienste um die Folterung von Gefangenen gehen soll. Belhaj sagt, er sei in Bangkok von zwei CIA-Agenten gefoltert worden: „Sie spritzten mir etwas, hängten mich an Armen und Beinen an eine Wand und steckten mich in einen von Eis umgebenen Container. Sie ließen mich nicht schlafen, und es war immer laut. Und dann schickten sie mich zu meinem Feind.“ In Libyen wurde er wieder gefoltert.Auslieferungsflüge der CIADer MI6 kannte Belhajs Aufenthaltsort, weil er Asyl in Großbritannien beantragen wollte – diese Informationen haben die britischen Behörden offenbar genutzt, um ihn verhaften zu lassen. Das Interesse an Belhaj rührte daher, dass die Libysche Islamische Kampfgruppe, der er angehörte, angeblich Verbindungen zu al-Qaida hatte. Aus der Korrespondenz zwischen Briten und Libyern geht hervor, dass der MI6 darauf bestand, dass jede Information, die Belhaj seinen libyschen Vernehmern gab, direkt an die Briten und nicht die Amerikaner gehe.Die Dokumente enthalten Hinweise darauf, dass in diesem Zeitraum insgesamt acht Gefangene aufgegriffen und in „Auslieferungs“-Flüge des CIA gesetzt wurden. Sie decken auch auf, dass der MI5 im Jahr 2005 eine Delegation nach Tripolis entsandt hat. Dahinter stand offenbar die Absicht, zu einer Zeit die Beziehungen zu festigen, zu der eine der Hauptsorgen des Dienstes die potentielle Bedrohung der britischen Sicherheit durch andere in Großbritannien lebende LIFG-Mitglieder darstellte. Ein ausdrücklich nur für Briten und Libyer bestimmtes Dokument zeigt, dass der britische Sicherheitsdienst den Libyern die Namen, persönlichen Informationen und Adressen von 50 in GB lebenden LIKG-Mitgliedern übermittelt hat. Die Informationen wurden „ausschließlich zu Nachforschungs- und Analysezwecken“ bereitgestellt, wie es heißt.Im Gegenzug enthält ein MI5-Bericht die Bitte um Kooperation der Libyer „zum Erreichen unser gemeinsamen Ziele.“ Auch das britische Verteidigungsministerium ist nun in die Defensive geraten: Zwei Dokumenten ist zu entnehmen, dass zwei Söhne Gaddafis im Juli 2006 zu einem Besuch des Hauptquartiers der britischen Spezialeinheit SAS eingeladen wurden. Khamis und Saadi Gaddafi sollten eine Demonstration der Arbeit des SAS und der Marinespezialeinheit SBS erhalten, außerdem sollten vertrauliche Briefings unter anderem mit Generalstabschef Sir Michael Jackson stattfinden. Auch britische Verteidigungsfirmen sollten den Brüdern vorgestellt werden. Auch wenn es nicht wie geplant zu dem Besuch kam, werden die Bemühungen, die das Verteidigungsministerium auf Geheiß der Regierung zu unternehmen bereit war, diejenigen Militärs blamieren, die jetzt an der Jagd nach Gaddafi und seiner Verwandtschaft beteiligt sind.