Es ist der Augenblick gekommen, innezuhalten und uns selbst zu betrachten. In Kopenhagen entscheidet die Menschheit darüber, was sie ist und was sie werden will. Ob sie so weitermachen will wie bisher und den Planeten, den sie bewohnt, in ein Ödland verwandelt. Oder ob sie innehält und sich neu definiert. Hier geht es um viel mehr als um den Klimawandel. Hier geht es um uns.
Wir sehen uns mit der ursprünglichen Tragödie unserer Seins konfrontiert. Als universale Menschenaffen sind wir mit soviel Erfindungsreichtum und Aggression ausgestattet, dass wir Tiere erlegen können, die viel größer sind, Land zu erschließen und die Grenzen der Natur zu verspotten. Nun merken wir, dass uns die Konsequenzen dieser unserer Natur eingeholt haben und wir von ihnen gefangen sind.
Das Zeitalter des rücksichtslosen Heldentums ist vorüber, das Zeitalter des Ausgleichs ist angebrochen. Wir können nicht länger ohne Selbstbeschränkungen leben und nicht mehr länger jedem, der sich uns in den Weg stellt, mit der Faust im Gesicht herumfuchteln. Bei allem, was wir tun, müssen wir nun auch an das Leben der anderen denken. Wir können nicht länger nur für den Augenblick leben und so tun, als gäbe es kein Morgen.
Wütende Männer, universelle Menschenaffen
Beim Klimagipfel in Kopenhagen geht es zum einen um Chemikalien: die Treibhausgase. Es treffen aber auch zwei Weltanschauungen aufeinander. Die wütenden Männer, die versuchen, ein Abkommen und jegliche Begrenzung ihres Strebens nach Selbstverwirklichung zu verhindern, haben das besser verstanden als wir. Eine neue Bewegung, die aus Nordamerika und Australien kommt, sich aber mittlerweile überall bemerkbar macht, verlangt, auf dem Leben anderer herumtrampeln zu dürfen, als handele es sich hierbei um ein Menschenrecht. Es soll nicht durch Steuern, Waffengesetze, Regulierungen, Gesundheit, Sicherheit oder die Umwelt eingeschränkt werden. Diese Bewegung weiß, dass es die fossilen Brennstoffe waren, die dem universellen Menschenaffen eine Ausdehnung seines Herrschaftsbereiches ermöglichten.
Die wütenden Männer wissen, das Goldene Zeitalter ist vorüber, aber sie finden keine Worte für die ihnen verhassten Beschränkungen. Sie bezichtigen diejenigen, die sich ihnen in den Weg stellen könnten, des Kommunismus, Faschismus, der Religiosität und der Menschenfeindlichkeit. Insgeheim wissen sie aber sehr wohl, dass diese Beschränkungen durch etwas notwendig gemacht und gefordert werden, das den Hemmungslosen noch viel mehr abstößt: das Mindestmaß an Anstand, das wir unseren Mitmenschen schulden.
Die Menschheit teilt sich nicht länger in Konservative und Liberale, Reaktionäre und Fortschrittliche, auch wenn beide Seiten von diesen älteren politischen Gegensätzen geprägt sind. Heute verlaufen die Fronten zwischen Expansionisten und denen, die zur Zurückhaltung aufrufen (restrainers) – zwischen denjenigen, die der Ansicht sind, dass es keinerlei Beschränkungen geben sollte und denjenigen, die diese für notwenig erachten. Die heftigen Auseinandersetzungen, die wir bislang schon zwischen Grünen und Leugnern des Klimawandels, zwischen Leuten, die sich für die Verkehrssicherheit einsetzen und Geschwindigkeitsfanatikern, zwischen wirklichen Graswurzelbewegungen und von Unternehmen finanzierten angeblichen Basisinitiativen erleben, sind erst der Anfang.
Rahmen unserer Möglichkeiten
Auch wenn die Delegierten in Kopenhagen sich ihrer Verantwortung bewusst sein sollten, können sie doch nicht anders als uns zu verraten. Jeder will ein letztes Abenteuer erleben. Im politischen Establishment gibt es kaum jemanden, der wirklich akzeptiert, was es bedeutet, im Rahmen unserer Möglichkeiten zu leben und dabei an Morgen zu denken.
Solange die Volkswirtschaften wachsen, bedarf es keiner gesellschaftlichen Gerechtigkeit, da der Lebensstandard auch ohne Umverteilung angehoben werden kann. Solange die Volkswirtschaften wachsen, müssen die Menschen den Eliten ihrer Länder nicht entgegentreten. Solange die Volkswirtschaften wachsen, können wir uns freikaufen und uns Schwierigkeiten vom Leibe halten. Aber wie den Bankern werden uns die Probleme, die wir heute zur Seite schieben, morgen um ein Vielfaches teurer zu stehen kommen.
Mit dem Wirtschaftswachstum erkaufen wir uns Zeit, die wir mit unverhältnismäßig hohen Zinsen zurückzahlen müssen. Es stellt sicher, dass alle Reduzierungen, die in Kopenhagen vereinbart werden könnten, schließlich doch nicht eingehalten werden. Selbst wenn es uns gelingen sollte, einen Zusammenbruch des Klimas zu verhindern, sorgt das Wirtschaftswachstum dafür, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir an die nächste Grenze stoßen, die wiederum nach einer neuen globalen Antwort verlangt: Öl, Wasser, Phosphate, Boden. Die Krise wird sich zu einer existentiellen auswachsen, solange wir uns nicht mit der zugrunde liegende Ursache befassen: Auf einem endlichen Planeten ist unendliches Wachstum nicht möglich.
Ökonomie der Vorräte
Den Unterhändlern in Kopenhagen ist es immer noch nicht wirklich ernst mit dem Klimawandel. Die meisten der Nationalstaaten, die in Kopenhagen um eine Übereinkunft ringen, verfolgen in Sachen fossile Brennstoffe zwei Strategien: Eine besteht darin, die Nachfrage zu reduzieren, indem sie uns dazu anhalten, unseren Verbrauch zu minimieren. Die andere besteht in der Maximierung der Versorgung, indem sie die Unternehmen dazu anhalten, so viel wie möglich aus dem Boden zu holen.
Wir wissen, dass wir lediglich 60 Prozent der gegenwärtigen Vorräte an Kohle, Öl und Gas verwenden können, wenn die durchschnittliche Temperatur weltweit nicht um mehr als zwei Grad ansteigen soll. Wenn wir, wie viele arme Länder fordern, nur einen Anstieg von 1,5 Grad zulassen wollen, können wir noch viel weniger verbrennen. Wir wissen, dass das Auffangen und die Lagerung nur einen geringen Teil des in diesen Brennstoffen enthaltenen Kohlendioxids beseitigen wird. Hieraus ergeben sich zwei offensichtliche Schlussfolgerungen: Die Regierungen müssen entscheiden, welche existierenden Vorräte an fossilen Brennstoffen unter der Erde bleiben sollen und ein weltweites Moratorium für die Erschließung neuer Reserven einsetzen. Keine dieser beiden Fragen wurde bislang zur Diskussion gestellt.
Aber diese erste weltweite Schlacht zwischen Expansionisten und denen, die für eine Beschränkung eintreten, muss irgendwie gewonnen werden. Danach müssen die Auseinandersetzungen um den steigenden Verbrauch, die Macht der Unternehmen und das Wirtschaftswachstum beginnen. Wenn die Regierungen in Sachen Klimawandel keine Einigung erzielen, werden die Expansionisten versuchen, daraus Gewinn zu schlagen. Mit derselben Taktik aus Verleugnung, Vernebelung und Appellen an das Eigeninteresse werden sie gegen die Maßnahmen vorgehen, mit denen die Menschen bislang voreinander und das Ökosystem der Erde vor seiner Zerstörung geschützt werden.
Dieser Kampf wird nie enden. Es gibt keine Linie, die diese Leute nicht überschreiten werden. Sie sind sich des Umstandes nur zu gut bewusst, dass es sich hier um eine Schlacht zur Neudefinierung des Menschen handelt, und wenn es nach ihnen geht, dann geht er daraus als eine noch habgierige Spezies hervor, als er es heute schon ist.
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