Vor fünf Jahren machte sich Frank Nolwo eines Tages vom Oberlauf des Flusses Sepik auf den Weg in die Stadt. Nolwo, ein kräftiger Mann mit sanfter Stimme, 42 Jahre alt, Vater von neun Kindern, plante einen Anbau an seinem Haus und musste Baumaterial kaufen.
Wenn man am Sepik im Norden Papua-Neuguineas lebt, geht man aber nicht einfach mal eben ins Geschäft. Wie in vielen isolierten Orten entlang des Flusses gibt es in Nolwos Dorf keinen Strom, kein Mobilfunknetz und keine Straße, die die palmgedeckten Häuser mit dem Rest der Welt verbindet. Selbst für Papua-Neuguinea gilt die Region als heiß, arm und unwirtlich. Wenn es regnet, gibt es Überflutungen. Wenn Dürre herrscht, trocknen die Flussarme aus und die Menschen sitzen mit ihren Kanus fest. Es dauert Tage, zu Fuß irgendwo hinzulaufen. Und es gibt sehr viele Krokodile.
Nach einem Tag auf dem Wasser erreichte Nolwo einen Ort mit rund 2.000 Einwohnern, in dem er die Nacht verbrachte. Am nächsten Morgen tuckerte er weiter. Neben seiner Arbeit als Boot-Skipper war er auch Vorsteher eines Bezirks mit mehr als 30 kleinen Dörfern. Gegen Mittag des zweiten Tages vertäute er sein Boot und bestieg einen Lastwagen, der ihn an sein Ziel fuhr, die Provinzstadt Wewak, vier Fahrtstunden entfernt. Auf dem Markt in Wewak kaufte er das Baumaterial und traf zufällig einen anderen Bezirksvorsteher vom Oberlauf des Sepik, der ihn zu einem Treffen im besten Hotel der Stadt einlud.
Organisiert hatte das Treffen Stephen Hooper, ein Ex-Football-Spieler und australischer Geschäftsmann. Der breitschultrige Mann arbeitete seit 2007 immer wieder in Papua-Neuguinea, erst in einem Holzprojekt, später in Programmen zum Handel mit Emissionszertifikaten. Nolwo saß da und hörte zu. Er hatte die High School besucht und Fotosynthese sagte ihm etwas, so dass das, was Hooper über Blätter, Kohlenstoff und Sauerstoff erzählte, nicht völlig abstrus klang. Die Kernaussage war: Wegen der Luftverschmutzung in entfernten Ländern und etwas, das mit der Atmosphäre passiert, würden die Menschen am Sepik bald die saubere Luft verkaufen können, die ihre Bäume produzierten. Und es klang so, als könnten sie damit reich werden.
„Ich staunte“, erinnert sich Nolwo heute. „So etwas hatte ich noch nie gehört. Es war etwas komplett anderes als Fische fangen.“ Er war fasziniert. Vier andere Bezirksvorsteher hatten bereits unterzeichnet. Nolwo beschloss, darüber nachzudenken – und machte sich auf den langen Rückweg.
Ein neuer Blick
Zurück auf dem Wasser betrachtete er die Bäume, die mit ihrer grauen Rinde am Ufer wuchsen und sich auf den Hügeln zu Wäldern verdichteten. Sie beherrschten die Landschaft, die er seit seiner Kindheit kannte. Bäume bedeuteten für die Menschen hier Nahrung, Brennmaterial, spirituelle Energie. Der Wald war der Ort, an dem Frauen und Männer ab und an ein paar Tage allein verbrachten, um sich auf Rituale vorzubereiten. Jetzt sah er die Pflanzen in neuem Licht. Er dachte nicht nur an die finanziellen Möglichkeiten, sondern an die Chance, zu einem Projekt von globaler Bedeutung beizutragen. „Es geht darum, die Welt am Leben zu erhalten“, dachte er. Zu Hause erklärte er die Sache seiner Frau.
Auf den ersten Blick wirkt REDD+ beeindruckend. Die Abkürzung ist ein englisches Akronym für die „Reduzierung von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung“ und bezeichnet den Plan der UNO, die Wälder im Kampf gegen den Klimawandel einzusetzen, indem man ihren Beitrag zur Stabilisierung der Atmosphäre misst und bezahlt. Es gibt drei Billionen Bäume. Und sie filtern große Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre, das für die Klimaerwärmung verantwortlich ist. Schätzungen gehen davon aus, dass Wälder und Sümpfe jährlich 1,6 der menschgemachten zehn Gigatonnen Kohlendioxid absorbieren. Aber bekanntermaßen reduzieren wir diese Ökosysteme in rasantem Tempo. Rodungen, die Trockenlegung von Sümpfen und das Abbrennen von Buschvegetation produzieren 10 bis 20 Prozent der globalen Treibhausemissionen. In einer Ära des Klimawandels ist die Vernichtung von Wald das Schädlichste, was wir tun können.
REDD+ verspricht, die Situation umzudrehen. In Entwicklungsländern mit intakter Natur sollen Wissenschaftler herausfinden, wie viel Kohlendioxid aufgenommen und gebunden wird. Regierungen und lokale Communities sollen Anreize bekommen, Wälder zu erhalten, statt sie in Asphalt und agrarindustriell bewirtschaftete Felder zu verwandeln. Ein nicht gefällter Baum soll ebenso viel wert sein wie ein gefällter.
Die Umsetzung ist kompliziert, aber mit den Möglichkeiten der Wissenschaft des 21. Jahrhunderts nicht unmöglich. Satellitenbilder und Bodeninventuren, um Entwaldung zu überwachen, dazu Emissionsmärkte und Ausgleichszahlungen. Die Vision einer solchen Zukunft ist seit 2005 Thema bei den UN-Klimagesprächen. Rund sieben Milliarden US-Dollar sind versprochen, um das System in Gang zu bringen.

Foto: Vlad Sokhin/Laif
Würde es klappen, hätte das große Vorteile. CO2-Emissionen würden sinken und Wälder gerettet – Wälder, die viele bedrohte Tierarten beherbergen, einem Drittel der Großstädte der Welt Wasser liefern und 60 Millionen Mitgliedern indigener Völker eine Heimat bieten. Geld würde von Nord nach Süd fließen und eine neue Waldwirtschaft entstehen, die auf Leben und Biodiversität statt auf Kahlschlag basiert.
Aber nicht jede Theorie besteht in der Praxis. Schon sehr früh wurde REDD+ auch als nicht umsetzbar, finanziell unseriös und vor allem als Ablenkung davon kritisiert, was an erster Stelle stehen sollte: die Beschränkung der Nutzung fossiler Brennstoffe. Für manche Kritiker repräsentiert das Programm alles, was am UN-Kampf gegen den Klimawandel falsch laufe: zu theoretisch und zu schwierig umzusetzen, statt konkret ins aktuelle Gerangel um Ressourcen einzugreifen, das unseren Planeten ruiniert.
Irgendwie verrückt
„Das Konzept ist verrückt“, urteilt der Umweltblogger Chris Lang, der seit 2008 detailliert über das Programm berichtet. Die Frage ist, ob ernsthafte Lösungen für den Klimawandel nicht genau so aussehen müssen – irgendwie verrückt. Niemand hat schließlich gesagt, es würde einfach werden. Verrückt an REDD+ ist unter anderem, dass die Idee in Papua-Neuguinea entstand, und zwar in Wewak, der 20.000-Einwohner-Stadt am Südpazifik. Eines Nachmittags im Frühling 2003 ging der damalige Premierminister und Vater der Unabhängigkeit des Landes, Grand Chief Sir Michael Somare, am Strand spazieren, zusammen mit einem charismatischen Wirtschaftsstudenten namens Kevin Conrad.
Conrad war Mitte 30, und als Sohn amerikanischer Missionare in einem Dorf in der Sepik-Region aufgewachsen. Er kannte Somare, seit er ein Junge war. Nach der Schule hatte Conrad in Kalifornien studiert, für die NASA und Investmentbanken gearbeitet, bevor er einen Job in Papua-Neuguinea annahm. Gerade machte er einen Master in Wirtschaftswissenschaften in London und beriet Somare.
An diesem Tag beschäftigte den Grand Chief das Thema Wald. Papua-Neuguinea besitzt den drittgrößten Regenwald der Welt, nach jenen im Kongo und im Amazonasbecken. Er ist Heimat von 19.000 bekannten Pflanzenarten, von Baumkängurus und Kasuaren, 1,80 Meter großen flugunfähigen Vögeln. Aber seine Bäume haben auch kommerziellen Wert und seit Jahrhunderten gibt es hier eine notorisch korrupte Holzindustrie. Da geschätzt 70 Prozent der Holzexporte des Landes illegal produziert wurden, bot die Weltbank Papua-Neuguinea ein Darlehen von 17 Millionen US-Dollar an, um seine Holzindustrie aufzulösen. Aber die Summe reichte lange nicht an die Lizenzgebühren für Holzschlag heran, die die Regierung einnahm.
Somare war überzeugt: Papua-Neuguinea konnte sich unter diesen Bedingungen den Verzicht auf Abholzung nicht leisten. Das Land ist sehr arm. Somare forderte Conrad deshalb auf, eine Alternative zu finden, um mit den Wäldern Geld zu verdienen. Zwei Jahre arbeitete Conrad an der Antwort. Er wusste nichts über Entwaldung oder Klimawissenschaft, aber er lernte schnell. Er las von „Zahlungen für Ökosystem-Dienstleistungen“ – einer Idee, die in Costa Rica ausprobiert wurde. Er informierte sich über Emissionshandel, über internationale Ausgleichszahlungen von Unternehmen für ihre Emissionen. Er dachte an den Kohlenstoff, der in Papua-Neuguineas Wäldern gespeichert ist. Er grübelte über den unverständlichen Textem des UNFCCC, der mammutartigen Klimarahmenkonvention der UNO. Schließlich hatte er eine Idee: Könnte ein Land wie Papua-Neuguinea nicht dafür bezahlt werden, seine Wälder intakt zu halten? Könnte es nicht Abermillionen Tonnen Emissionen, die durch Nicht-Rodung eingespart werden, als Emissionsrechte verkaufen?

Foto: Imago
Conrad war entschlossen, konventionelles Denken über Entwicklungshilfe und Umweltschutz hinter sich zu lassen. In seiner Kindheit am Sepik hatte er viele ausländische NGOs kommen sehen – mit vagen Ideen zum Schutz der Natur, aber ohne Geld für die Menschen, die dort lebten. „Das war frustrierend“, erzählt er. „Sie forderten von ihnen, weiter arm zu bleiben, obwohl sie ein Weltklassegut besaßen.“ Im November 2005 reichte Conrad mit dem Segen Somares und der Unterstützung Costa Ricas einen elfseitigen Entwurf beim UN-Klimagipfel in Montreal ein. Timing und Art der Idee passten perfekt. Die Errechnung der finanziellen Folgen des Klimawandels und die Entwicklung marktbasierter Mechanismen zur Lösung waren gerade gefragt. Kurz darauf erhielt REDD sein Akronym.
In der gespaltenen Welt der globalen Klimagespräche spielte REDD eine politische Sonderrolle. Hauptgrund für den Stillstand über all die Jahre war, dass die Entwicklungsländer den Industrienationen vorwerfen, den Planeten zu zerstören, und viele Milliarden Dollar dafür als Kompensation fordern. Die reichen Länder dagegen wollen angesichts der Tatsache, dass heute fast zwei Drittel der Treibhausgase aus der sich entwickelnden Welt stammen, nicht bedeutend reduzieren. Und schon gar kein Geld bezahlen, solange nicht alle anderen bereit sind, Emissionen zu reduzieren.
REDD ignorierte dieses Patt. „Das hat das Spiel grundlegend verändert“, erinnert sich Conrad. Die kommerzielle Ausrichtung von REDD löste die Blockierung, die wichtigen Verhandlungspartnern allerdings zu passkam. „Die USA waren dagegen. Sie wollten den Status quo erhalten, also nichts tun.“
Conrad personifizierte selbst die dynamische, ideologisch flexible Natur seines Konzepts. Mit Wohnsitz in New York, aber Repräsentant Papua-Neuguineas, gut aussehend und gern im Rampenlicht stehend, sprach er die Sprache des Marktes und der Technologie. Gleichzeitig konnte er mit Geschichten aus seiner bescheidenen Kindheit am Sepik aufwarten. 2007 war er weltweit in den Medien, als er die Bush-Regierung anprangerte, den Fortschritt des Klimawandelgipfels in Bali zu blockieren. „Wenn Amerika nicht gewillt ist, die Führung zu übernehmen, dann gehen Sie uns aus dem Weg“, sagte er vor tausenden Delegierten.
Ich traf Conrad zum ersten Mal 2009 während einer Woche angespannter Verhandlungen in Bonn im Vorfeld des desaströsen Klimagipfels in Kopenhagen. REDD war dann eines der wenigen Elemente des UN-Prozesses, die den Schiffbruch von Kopenhagen ohne Rückschlag überlebten. 2010 unterzeichneten Norwegen und Indonesien den ersten großen REDD-Vertrag in Höhe von einer Milliarde US-Dollar.
Der CO 2 -Rausch
Zu Hause in Papua-Neuguinea liefen die Dinge aber nicht nach Plan. Seit den ersten Besuchen weißer Händler im 19. Jahrhundert und einem fieberhaften Goldrausch in den 1930er Jahren hatte die Unzugänglichkeit des Landes – seine Schluchten, seine Dschungel und seine Kannibalismus-Vergangenheit – wie ein Magnet auf Abenteurer gewirkt. Solche zog auch Conrads Idee an. 2008 und 2009 reisten mehr als 90 ausländische „CO2-Developer“ an.
Die internationale Publicity schuf eine Nachfrage, die Papua-Neuguinea gar nicht bedienen konnte. Eine Agentur für Klimawandel und CO2-Handel wurde geschaffen und prompt von Vorschlägen für REDD-Programme überschwemmt, die sie nicht umsetzen konnte. Die Idee bestand auf dem Papier, mehr nicht.
Draußen in den Wäldern nahmen Zusammentreffen zwischen CO2-Developern und den Wald-Clans hässliche, ausbeuterische Züge an. Papua-Neuguineas Verfassung garantiert den Communities feste Landrechte, aber etwa ein Drittel der Bevölkerung sind Analphabeten. Fantastische Ideen begannen unter den Menschen zu kursieren, die sich den Handel mit einem Gas nicht vorstellen konnten, das in ihren Bäumen gelagert sein sollte. Sie stellten sich riesige Schiffe vor, die vor der Küste ankern würden, um Luft aus den Wäldern im Inland zu saugen. Auf den Märkten wurden Plastiktüten verkauft, um darin CO2 zu sammeln. Dorfbewohner sorgten sich, dass dem Land der Sauerstoff ausgehen könnte. 2009 wurde dann der Leiter der neuen Klimawandel-Behörde, ein Schulfreund von Conrad, suspendiert, weil er angeblich seine eigenen Emissionstitel gedruckt hatte.
Aber nicht nur in Papua-Neuguinea liefen frühe REDD-Experimente schief. Am Amazonas wurde von „CO2-Cowboys“ berichtet, die Indigene vom Land ihrer Ahnen vertrieben – für Projekte, die Konzerne bezahlten, um ihren CO2-Ausstoß auszugleichen. Waldschützer, die die Arbeit mit Indigenen kennen, waren von diesen Geschichten keineswegs überrascht. Wenn es um Geld und Bäume geht, sind es meist die Menschen vor Ort, die über den Tisch gezogen werden.
Für seine Kritiker waren diese Anfangsschwierigkeiten Beweis für zwei grundsätzliche Probleme von REDD. Erstens ist es sehr abstrakt und basiert auf einer Hypothese. Wie misst man etwas, das nicht gemacht wird? Die Vorstellung war bei Treffen internationaler Forstexperten schwierig genug zu vermitteln, geschweige denn in Teilen der Welt mit schwachen Regierungen und umstrittenen Landbesitzverhältnissen. Und zweitens monieren Kritiker, dass REDD es reichen Ländern erlaubt, weiter die Umwelt zu verschmutzen, solange sie es sich leisten können, arme Leute dafür zu bezahlen, ihre Bäume nicht zu fällen. Umweltblogger Chris Lang hält es für Augenwischerei: „Man erweckt den Eindruck, Abholzung und Klimawandel in den Griff zu kriegen, ohne das Schwierige zu tun, nämlich die fossilen Brennstoffe im Boden zu lassen. Wenn wir den Klimawandel nicht stoppen, verbrennen die Wälder sowieso.“
Im Dezember 2010 wurde REDD in REDD+ umbenannt. Es zielt nun nicht mehr nur auf CO2-Reduzierung, sondern basiert auf einem ganzheitlicheren Bild vom Wert der Wälder und seiner Bewohner. Finanziert werden können jetzt auch nicht-CO2-bezogene Aktivitäten. Conrad wurde auf der internationalen Bühne an den Rand gedrängt. Seine Dynamik wurde jetzt als Selbstherrlichkeit und Arroganz interpretiert. Und obwohl REDD+ weiter seine Kernidee in sich trägt, ärgert er sich über ihre Aufweichung. „Es ging nur noch darum, dass alle im Wald Händchen halten und Kumbaya singen“, sagt er. „Es war frustrierend.“ Der CO2-Rausch in Papua-Neuguinea hat auch ihm geschadet. 2012 wurde Conrad als Klimawandel-Botschafter des Landes entlassen. Seither repräsentiert er Panama bei den Verhandlungen.
Zu Hause am Sepik wusste Frank Nolwo von alledem nichts. Nach dem Treffen in Wewak diskutierte er CO2-Handel mit den Leuten in seinem Dorf und dann im weiteren Bezirk. 2011 unterschrieben die Clans und autorisierten Stephen Hooper, für sie Emissionsrechte zu verkaufen. Nach dem Chaos des CO2-Rauschs hatte die Regierung fünf offizielle Pilotprojekte im Land autorisiert, von denen Hoopers Programm für den Sepik das fortgeschrittenste war.
Ein Wissenschaftler flog aus Neuseeland ein, um die Menge des Kohlenstoffes in den Bäumen zu messen. Nolwo begann zu warten und zu hoffen. Das ist auch der Stand für den Rest der Welt: Warten, hoffen und sich fragen, ob dieses vielversprechende Konzept aufgehen kann. „Wenn es irgendwo funktioniert, dann in Papua-Neuguinea“, sagte der UN-Koordinator vor Ort, Roy Trivedy. „Es ist eines von sehr wenigen Ländern, das eine wirkliche Chance hat, sich für ein alternatives Entwicklungsmodell zu entscheiden.“ Aber welche Opfer muss das Land dafür bringen? Rund 85 Prozent der Menschen leben hier in ländlichen Gebieten. Und Kleinbauern-Landwirtschaft zur Versorgung einer wachsenden Bevölkerung ist eine bedeutende Antriebskraft für Entwaldung. Das Land schreit nach moderner Landwirtschaft und anständigen Straßen.
Ein großes Problem von REDD+ und grünen Ökonomien ist die Frage, wie genau ein Land jemals wohlhabend und industriell werden kann, wenn es die Wildnis nicht roden und trockenlegen darf. Der Ruf der Holzindustrie in Papua-Neuguinea ist so schlecht, dass es sich kaum übertreiben lässt, und dennoch ist sie für viele isolierte Communities die einzige Hoffnung auf eine Straße, eine Brücke, eine Schule und ein wenig Einkommen durch Lizenzgebühren für Abholzungen.
Die ersten Lichter
Der UN-Koordinator für Papua-Neuguinea, Roy Trivedy, räumt ein, dass REDD+ zu lange braucht, um Früchte zu tragen: „Die Ungeduld wächst.“ Zwar gibt es Fortschritte, aber es wird noch mindestens ein Jahrzehnt dauern, bis ein funktionierendes REDD+-System etabliert ist, sagt Trivedy.
Die Unternehmer und Communities, die in den vergangenen Jahren Pilotprojekte auf den Weg gebracht haben, wollen aber jetzt Emissionszertifikate auf freiwilligen Märkten verkaufen. Sie wollen nicht auf eine globale Struktur warten. So auch Stephen Hooper. Sein Projekt ist zertifiziert, in den nächsten 38 Jahren 23 Millionen Tonnen CO2-Emissionen zu sparen. Bei fünf US-Dollar pro Tonne, dem derzeitigen Wert für REDD+-Transaktionen, könnten so 115 Millionen US-Dollar zusammenkommen. Bisher hat Hooper rund 200.000 Tonnen an Unternehmen verkauft, die freiwillig ihre Emissionen ausgleichen. Rund 300.000 Dollar hat er dafür gekriegt. Das Erste, was die Landbesitzer dafür haben wollten, waren Boote. Hooper kaufte fünf.
Zusammen mit Stephen Hooper mache ich mich von Wewak auf den Weg in Frank Nolwos Bezirk. Wir liefern Solarlampen in eines der Dörfer am Oberlauf, das keinen Strom hat. Bei unserer Ankunft mit einem der neuen Boote steht Nolwo vor einem Bogen aus Palmblättern. Ein Sing-Sing, eine zeremonielle Feier, wird abgehalten. Die Männer und Frauen tragen Federschmuck.
Nolwo führte die Prozession weg vom Fluss, hoch in die Dorfmitte. Nach fünf Jahren, in denen vom Emissionshandel gesprochen wurde, sehen viele hier zum ersten Mal ein Ergebnis bei ihnen ankommen. Die Lampen werden aufgehängt und angeschaltet. Die ersten vier gehen in der Dorfkirche an, einem skelettartigen Bau, der ein echtes Gebäude nur erahnen lässt. Die Kinder sollen das Licht nutzen, um auch bei Dunkelheit Hausaufgaben zu machen. Das erste Mal in der Geschichte des Dorfes.
Aber es ist erst Nachmittag, noch ist nichts zu sehen. Die Leute schlendern davon. Dann kommt die Dunkelheit, wie sie es in Papua-Neuguinea tut, plötzlich, unvermittelt. Und auf dem Hügel leuchten – dank der Verschmelzung von Geld und Bäumen – vier Lampen im Dunklen.
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