Der britische Wirtschaftsminister Lord Mandelson plant nun doch, Breitband-Verbindungen für Internet-Benutzer zu kappen, die urheberrechtlich geschützte Musik und Filme aus dem Netz illegal herunterladen. Dabei stößt er allerdings auf massiven Widerstand in Großbritannien. Eine Allianz aus Datenschützern, Internet-Providern und Labour-Abgeordneten verurteilt die Pläne als unpraktikabel, unnötig und nicht verfassungskonform.
Im regierungseigenen Bericht Digital Britain vom Juni war die Abschalt-Idee als Strafe für illegale Downloads noch verworfen worden. Die überraschende Entscheidung, nun wieder auf diesen Vorschlag zurückzugreifen, brachte Mandelson nun Vorwürfe ein, er sei in geheimen Treffen mit führenden Vertretern der Mu
delson nun Vorwürfe ein, er sei in geheimen Treffen mit führenden Vertretern der Musik- und Filmindustrie beeinflusst worden.Großbritanniens größter Breitband-Provider TalkTalk warnte davor, unschuldige Internet-User könnten von Internet abgeschnitten werden, wenn ihr Anschluss von Piraten gekapert werde, welche die neuen Bestimmungen umgehen wollten. Der Schritt werde „wahrscheinlich grundlegende Menschenrechte verletzen“, sagte ein Sprecher. "Kaum zwei Monate nach der Veröffentlichung von sinnvollen und pragmatischen Maßnahmen zur Lösung des Problems scheint Lord Mandelson unter dem mächtigen Druck der Content-Lobby, eingenickt zu sein.“Abendessen in einer Villa auf KorfuAnfang August war bekannt geworden, dass der Wirtschaftsminister mit Hollywood-Mogul David Geffen in einer Villa auf Korfu diniert hatte. Mandelsons Berater dementieren, dass es bei diesem Abendessen um die Frage gegangen sei, wie die Verluste kompensiert werden könnten, die der Branche durch illegalen Datentausch verursacht werden. Regierungsinsider neigen indes eher zu der Ansicht, die Kehrtwende sei auf ein Treffen des Ministers mit einem der mächtigsten Männer im britischen Musikgeschäft zurückzuführen: Lucian Grainge, dem Chef von Universal Music, die Künstler wie Lady Gaga und Rihanna unter Vertrag haben.Graine ist einer der schärfsten Gegner des illegalen Datentausches, gleichzeitig aber einer der wichtigsten Regierungsberater und Mitglied der sogenannten Cabinet-Gruppe, welche die Ministerien bei der Förderung der Kreativindustrie berät. Er gehörte auch zu einer Expertengruppe der Regierung („gang of five“) und erklärte noch vor der Veröffentlichung des Berichts einem Publikum in der British Library, unter dem sich auch Mitglieder von Mandelsons Ministerium befanden, Künstler und Investoren könnten mit den illegalen Tauschbörsen nicht überleben. Es werde die Branche dezimieren.Der Digital-Britain-Bericht empfahl noch, illegale Datentauscher sollten Briefe erhalten, in denen sie über die strafrechtlichen Folgen ihres Tuns aufgeklärt werden sollten. Da Graine der Überzeugung ist, die Regierung hätte weiter gehen sollen, soll er sich mehrmals mit Mandelson getroffen und auf härtere Maßnahmen gedrängt haben. Ein Sprecher des Departement for Business, Innovation and Skills sagte hierzu, Mandelson habe sich mit vielen Vertretern der Kreativindustrie getroffen, weshalb die Entscheidung der Regierung nicht auf ein einzelnes Gespräch zurückgeführt werden könne.Die Regierung will die schärferen Regeln gegen Online-Piraterie nun in ein Gesetzespaket zur "digitalen Wirtschaft" einbringen, das im Herbst verabschiedet werden soll.In Frankreich scheiterte die Idee vor GerichtDatenschützer und Bürgerrechtler betonen, die neuen Pläne seien nicht verfassungskonform und würden einer Überprüfung vor Gericht nicht standhalten – in Frankreich hatte das Verfassungsgericht erst im Juni ein ähnliches Gesetz kassiert. Simon Davis, Sprecher der BürgerrechtsbewegungPrivacy International, warnte: „Dieser Antrag kehrt die Beweislast um und stellt die Bürger unter Generalverdacht. Er ist technisch nicht umsetzbar, lädt zur Umgehung ein und schafft einen gewaltigen Konflikt zwischen Rechteinhabern und Usern. Darüber hinaus werden Grundrechte verletzt.“ Larry Whitty, Vorsitzender der Verbraucherschutzorganisation Consumer Focus sagt: „Den Leuten wegen des Vorwurfs der Verletzung von Urheberrechten den Internetzugang zu sperren, ist unverhältnismäßig“ Die Regierung dürfe dies rechtlich nicht: „Dies zu tun, ohne den Konsumenten das Recht einzuräumen, die gegen sie vorgebrachten Beweise anzufechten, untergräbt das Grundrecht auf ein gerechtes Verfahren.“Ein Sprecher von Virgin Media ergänzte: „Überzeugungsarbeit nicht Zwang ist der Schlüssel zur Änderung des Konsumenten-Verhaltens – ein schwerfälliges Strafsystem wird beim Durchschnittsuser lediglich Befremden auslösen. Die Regierung sollte eine Balance zwischen Maßnahmen gegen Wiederholungstäter und der schnellen Entwicklung neuer legaler Filesharing-Dienste sorgen, die eine echte Konkurrenz für die illegalen Anbieter darstellen.“