Ich habe nie an E-Books geglaubt. Wie sollte ein Elektrogerät die Schönheit des gedruckten Buches ersetzen, fragte ich mich. Und wie die Eleganz dessen Gestalt, die taktilen Sinneseindruck beim Umblättern der Seiten, den Geruch hochwertigen Papiers? Ich liebe Bibliotheken. Ich liebe Buchhandlungen. Ich liebe den Geruch von Ledereinbänden und muffigen Seiten. Die bloße Anwesenheit einer großen Anzahl von Büchern löst bei mir tiefes Wohlbehagen aus. All dies hat sich nie geändert. Allerdings trage ich mich seit einiger Zeit mit dem Gedanken, E-Book-Lesegeräte könnten eine ökologisch verträglichere Alternative zum gedruckten Wort darstellen. Dieser Verdacht hat sich erhärtet, seit ich angefangen habe, selbst eines zu benutzen.
Gedruckte Bücher sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Viele werden billig produziert, riechen merkwürdig nach Chemikalien und sind schon verbogen oder gar beschädigt, bevor man sie überhaupt durchgelesen hat. Viele der Bücher, die meine Eltern besitzen – größtenteils Taschenbücher aus den sechziger oder siebziger Jahren – sind inzwischen nicht mehr lesbar. Der Klebstoff im Rücken der Einbände hat sich in bröselige Flocken verwandelt, die Seiten sind vergilbt und fallen einem entgegen, sobald man die Bücher aufschlägt. Ich dachte immer, ich würde meine Bücher mein Leben lang behalten, doch mir wird immer bewusster, dass sie, wie so viele andere Produkte auch, ein eingebautes Verfallsdatum besitzen.
Mein iLiad E-Book-Leser hingegen ist schlank und hübsch. Es hält sich gut in den Händen und dank eines praktischen Umblätterschalters ist selbst einhändiges Lesen kein Problem. Das matte Display ist eine Wohltat für die Augen. Das Design ist elegant und unaufgeregt, mit einem kleinen Stift lassen sich ganz einfach Notizen im Text machen oder die Schriftgröße verändern. Möglicherweise war mein Beharren auf dem physischen Buch ein wenig kindisch. Immerhin sind die Worte die gleichen, egal in welchem Format ich sie lese. Und schließlich sind es doch die Worte, auf die es ankommt.
Zu meinem Erstaunen habe ich festgestellt, dass viele Bücherliebhaber den Nutzen eines E-Book-Lesegerätes sofort erkennen. Ich habe meinen iLiad zu Schriftsteller-Versammlungen, Buchpräsentationen und Meetings mit anderen Redakteuren mitgenommen. Die Menschen, von denen ich eigentlich Widerstand erwartet hätte – Buchmenschen, die sowohl viel lesen als auch viel schreiben – haben das Gerät von allen Seiten betrachtet, damit gespielt und entzückt und entschieden gesagt: „So eins brauche ich.“ Wenn diese Leute sich so leicht mit dem E-Book-Lesegerät tun, dann ist die Zukunft der Bücher vielleicht tatsächlich elektronisch.
Ob das auch ein Segen für die Umwelt sein wird? Schwer zu sagen. Ein Bericht der Forschungsgruppe der US-Buchindustrie ergab im vergangenen Jahr, dass bei der Herstellung herkömmlicher Bücher mehr als vier Kilogramm Kohlendioxid entstehen – das ist soviel, als würde man zwanzig Meilen mit dem Flugzeug zurücklegen. Hinzu kommen Lagerung und Transport, sowie der Abfall und die giftigen Chemikalien, die in den Papiermühlen anfallen.
Wie sieht es dagegen mit der elektronischen Alternative aus? Die digitalen Bücher selbst fügen der Umwelt vergleichsweise wenig Schaden zu – aktuelle Daten besagen, dass bei der Übertragung eines Buches in eine digitale Datei ungefähr 0,1 Kilogramm CO2 erzeugt werden. Es sind jedoch weitere Faktoren zu berücksichtigen. Beim Aufladen des Gerätes und beim Umblättern wird Energie verbraucht, genau wie beim Einschalten des Computers und beim Herunterladen der Dateien. Trotzdem scheint unterm Strich das High-Tech-Gerät besser dazustehen. Eine 2003 von der Universität von Michigan durchgeführte Studie kam zu dem Schluss, dass „der Energieverbrauch eines E-Readers weniger umweltschädlich ist, als die Papierproduktion für die konventionelle Buchherstellung.“
Die größte Belastung für die Umwelt wird durch die Herstellung des Gerätes selbst verursacht. Würde man einen einmal gekauften E-Book-Leser dreißig Jahre lang behalten, wäre die Belastung in der Summe immer noch gering. Doch viele Elektrogeräte haben kein langes Leben und die ständigen Weiterentwicklungen bei Leistungsfähigkeit und Funktionalität machen es unwahrscheinlich, dass man ein einziges Lesegerät so lange behalten möchte, wie vielleicht ein Buch.
Zudem ist die Entsorgung elektronischer Geräte extrem problematisch. Allein in Großbritannien werden jedes Jahr sechs Millionen Elektrogeräte weggeworfen; das Kadmium eines einzigen ausrangierten Mobiltelefons genügt, 600.000 Liter Wasser zu verschmutzen. Auch das Recyceln elektronischen Zubehörs ist umweltschädlich, genau wie die Weiterverarbeitung der Einzelteile. Eine von der Hong Kong Baptist University durchgeführte Studie in einem chinesischen Dorf, in dem intensiv E-Müll-Recycling betrieben wird, zeigte vor Kurzem, dass die Bleibelastung in der Region – sogar in den Schulen – enorm, eventuell sogar gefährlich hoch ist. Bücher aus Papier sind zumindest noch biologisch abbaubar, wohingegen E-Book ein bleibendes ökologisches Problem darstellen.
Und noch ein weiteres ethisches Problem schwimmt im Kielwasser der E-Books – die Piraten. Mit dem I-Pod ist auch die Problematik der Musikpiraterie allgegenwärtig geworden, ein Umstand, der Autoren das Fürchten vor dem E-Book lehren könnte. Harry Potter-Autorin J.K. Rowling hat das Erscheinen ihrer Bücher in digitaler Form bereits untersagt. Doch was bringt einem der Besitz eines E-Book-Lesers wenn man die persönlichen Lieblingsautoren nicht auf diesem lesen kann? Ich selbst begegne den Möglichkeiten, die das E-Book eröffnet, zuversichtlicher – auch als Autorin. Mag sein, dass ich eine närrische Optimistin bin, aber ich habe meine Zweifel daran, dass die Buchwelt allzu sehr von Literatur-Piraten geplagt werden wird, solang die Verlage unverzüglich E-Books günstig online erhältlich machen. Musikfans und Lesern sind nicht unbedingt miteinander zu vergleichen: Wer sich für neue Musik interessiert, ist meist eher jung, hat viel Zeit und wenig Geld. Wer sich für Literatur interessiert, ist meist älteren Jahrgangs und hat weniger Zeit, aber mehr Geld zur Verfügung.
Autoren bieten sich mit dem E-Book spannende neue Möglichkeiten. Mann muss sich nur mal vorstellen, ein Buch verfassen zu können, dass Lesern an verschiedenen Aufenthaltsorten verschiedene Inhalte präsentiert. Oder eines, das sich während des Lesens verändert. Das E-Book könnte zu einer vollkommen neuen Kunstform werden. Unsere Gesellschaft begegnet Büchern seit Jahrhunderten mit Ehrfurcht. Es ist nur natürlich und zeugt zudem von Umweltbewusstsein, sie nicht einfach in die Mülltonne schmeißen zu wollen. Für die Umwelt wäre es das Beste, wenn wir diese Einstellung auf das E-Book übertragen würden. So, wie wir uns bemühen, die Lebensdauer und Nachhaltigkeit von Büchern zu erhöhen – indem wir sie zum Beispiel weitergeben, wenn wir sie selbst gelesen haben – müssen wir vermeiden, E-Book-Leser als technische Spielerei zu begreifen, die jedes Jahr durch eine neuere Version ersetzt wird. Soll die E-Book-Revolution eine grüne sein, brauchen wir nicht nur robuste Designs, sondern auch einen ganz neuen Berufstand: den E-Book-Reparierer.
Übersetzung: Zilla Hofman
Kommentare 11
Klingt nach einem netten Spielzeug (Gadget im Neusprech).
Sinnlich? Nagut, auch ein technisches oder elektronisches Gerät kann auf seine Art sinnlich sein ... Trotzdem ist es etwas anderes, ein Buch oder eine Zeitung in der Hand zu halten und papierne Seiten umzublättern oder ein handheld mit einem Touchscreen zu bedienen.
Und der Gedanke, einen E-Book-Reader 30 Jahre zu nutzen, ist etwas romantisch (oder realitätsfremd) - schon ein 10 Jahre alter PC ist kaum mehr in der Lage, Alltagsaufgaben zufriedenstellend zu verrichten. Auch am E-Book-Reader wird der Fortschritt hinsichtlich der Software-Anforderungen nicht spurlos vorübergehen
Erst wenn ein E-Book bzw. die Hardware ein Abtauchen in die volle Badewanne übersteht, ist es eine Alternative. Oder die Hardware dürfte nicht mehr kosten als ein Taschenbuch.
Und was die Kopien angeht, schon heute sind unendlich viele Zeitschriften und Bücher größtenteils als PDF-Format irgendwie im Netz zu finden, natürlich in recht unterschiedlichen Qualitäten. Wenn sich da ein Standard durchsetzt (was Qualität, Format o.ä. angeht) wird die Anzahl der Kopien explosionsartig ansteigen. Um da den Autoren ein Einkommen zu sichern bedarf es z.B. einer Kultur-Flatrate aber das ist eine andere Diskussion.
Nun gut, ich lasse mich mal zu einem Kommentar hinreissen.
Wenn das die vielgelobte Qualität vom Guardian sein soll kann ich getrost auf sie verzichten. Dieser Beitrag ist überflüssig, alles was darin steht kann sich ein Mensch der nicht unbedingt denkfaul ist auch selbst aus den fingern saugen.
Allein schon bei dem Satz "Autoren bieten sich mit dem E-Book spannende neue Möglichkeiten." bekomme ich arge Probleme. Soetwas findet man in schlechten Imagebroschüren wie zum Beispiel von der Post oder der Telekom.
Vielleicht liegt ja auch der seltsame gesamteindruck an einer etwas ungelenkten Übersetzung, aber ich kann mir den Gedanken nicht verkneifen, dass hier nicht sonderlich viel Wert auf Tiefe gelegt wird. Man möchte gut konsumierbare, nicht belastende Kost anbieten. Das scheint gelungen zu sein.
Meine Güte wie Überkritisch. Klar der Artikel ist jetzt nicht die total verkopfte und Tiefschürfende Analyse die ja viele Leser hier offenbar permanent erwarten, aber er list sich schön und ist gute Unterhaltung, ein Aspekt der hier oft vergessen wird Zeitung lesen darf auch spass machen und muss nicht immer analytisch belehrend sein
Ich kaufe relativ viele Bücher, wo es nicht ausbleibt beim Lesen festzustellen, daß eine Mehrzahl doch nicht so "der Hit" sind. Deshalb fand ich ein E-Book grundsätzlich interessant in der Annahme, daß die elektronischen Bücher deutlich preiswerter als die papiernen sind. Nach dem Motto: erstmal lesen und hinterher entscheiden, ob ich mir noch die gedruckte Ausgabe für´s Regal kaufe. Nun, die elektronischen Bücher sind nicht deutlich preiswerter, die Auswahl (noch) klein und die Lesegeräte nicht billig. Das wird sich in naher Zukunft vielleicht ändern, dann klappt´s auch mit der Ökologie.
(Ich entschuldige mich schon mal vorauseilend, den anspruchsvollen Lesern keine Kopfschmerzen bereitet zu haben ;-) scnr)
Ich kann mir nicht vorstellen, "E-Reader" zu nutzen. Zwar habe ich mir lange auch nicht vorstellen können, einen MP3-Player zu nutzen und liebe meinen iPod inzwischen, aber da ist trotzdem ein Unterschied: In der Regel lese ich ein Buch zur Zeit, d.h. ich muss auch nur ein Buch mitnehmen. Bei CDs könnte ich auf Reisen immer einen Stapel mitnehmen und hören (wenn ich spontan was anderes hören will, hab ich halt Pech gehabt), aber das wäre schon mehr Volumen und Gewicht.
Ich kaufe Musik meist immer noch auf CDs, die ich dann einmal benutze (um sie in iTunes zu übertragen), die aber schön im Regal aussehen und etwas "Greifbares" sind. So ist das auch mit Büchern, die ich seit jeher lieber kaufe, als sie z.B. aus der Bibliothek auszuleihen. Sie sollen eben auch ganz physisch Teil meines Lebens sein.
Was ich mir allerdings wünschen würde sind volltextdurchsuchbare PDF-Dateien zu jedem Buch, das man kauft. So könnte ich z.B. in den Büchern von Max Goldt die Stellen finden, die ich gerade gerne zitieren würde.
Wenn schon digital, warum dann nicht gleich Hörbuch, MP3 und vorlesen lassen?
Bei allen ökologischen und technischen Vorteilen, verloren geht das Erfolgserlebnis beim Lesen. Ich möchte neben dem schon geforderten Tiefgang auch wissen, wie viel ich schon gelesen habe und wieviel noch kommt.
Wenn das Buch gut ist, spare ich mir gerne was auf - wenn es langweilt, weiß ich, dass die Hälfte schon hinter mir liegt. Bei einem E-Book bleibt das abstrakt.
meine Erfahrung ist ähnlich positiv. Ich habe mir gerade ein solches Gerät von Sony gekauft (PRS 505). Und zwar in Amerika, wo es 239 $ kostet und nicht 399 € (Angebot laut Thalia.de, die den PRS 505 hier ab 11. März vertreiben wollen). Ein wesentlicher Aspekt meines positiven Eindrucks ist allerdings der Preis von 239 $, denn hätte ich 399 € bezahlt -ein Preis für den man schon ein sehr anständiges Netbook bekommt- dann wäre es wohl nur halb so schön, damit umzugehen. Mein erster Tipp also: Wartet noch etwas, Leute und kauft das Ding, wenn es einen angemessenen Preis hat.
Das Lesen macht allerdings wirklich Spass. Es hat sogar wieder das Meditative, was ich in meiner Kindheit und Jugend beim Lesen empfunden habe. Denn Dank des Umblätterknopfes braucht es nur noch eine ganz kleine physische Intervention um weiterzulesen und nicht das Geräuschvolle und -besonders im Liegen- aufwändige Umblättern. So versinkt man also ganz langsam in dem Text, merkt gar nixcht mehr, was um einen herum vor sich geht. Erst wenn es dunkel wird, bemerkt man, dass der PRS 505 leider kein eingebautes Licht hat und man wie beim klassischen Buch zur Leselampe greifen muss, um weiter zu versinken.
Mike Berlin
ebooks können praktischer, schöner, bunter, besser sein.
ökologisch vorteilhafer als bücher werden sie nur in ausnahmefällen (lange nutzungsdauer und vielleser) sein.
eigentlich spricht der artikel das problem an, aber so naiv optimistisch auch nur in erwägung zu ziehen, der reader würde länger als drei jahre funktionieren sollte man nicht sein.
by the way: typografisch werden ebooks noch lange brauchen um an die qualität eines durchschnittlich gesetzten buches zu kommen.
die geräte sind sogar noch weit entfernt von den schlechten blocksatzeinstellungen der ausgabe des print-freitags.
Als hätte nicht alles im Leben vor Nachteile...
Wohl kaum ein anderes Medium ist so leicht zu aktualisieren und vor allem so aktuell wie das Internet oder Medien, die via Internet verbreitet werden. Auch wenn ich persönlich kein Fan von großen E-books bin, so finde ich kleine, themenrelevante "10 seiten" ebooks doch sehr hilfreich.
Etwas anderes sind diese EReader wie Amazon etc. sie verkauft, hier sehe ich durchaus Potential.
Ich bleib bei Zeitungen und dem "echten Internet".