Die Selfie Queen

Porträt Cindy Sherman schlüpft für ihre Fotos in immer neue Rollen. Längst ist sie Gegenstand von Doktorarbeiten. Und auch sie selbst hat einige Fragen an sich
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 35/2016

An dem kleinen Tisch in Cindy Shermans New Yorker Atelier sitzen ein Dutzend Perückenköpfe und starren uns an. Es ist verlockend, sich Shermans Gesicht als das 13. unter ihnen vorzustellen. Dünn, blass, ohne Make-up, das blonde Haar zurückgebunden, so sitzt die 62-jährige Künstlerin da. Seit vier Jahrzehnten ist sie ihr eigenes Model, ihre eigene leere Leinwand. Sie war Alfred-Hitchcock-Muse und Marilyn Monroe, Leiche am Tatort, zerstückelte Sexpuppe, Republikaner-Gattin und Clown. Sherman ist in ihrem Werk so dezidiert abwesend und präsent zugleich, wie Andy Warhol es war. Sie ist Gegenstand unzähliger Doktorarbeiten in den Gender Studies, zweimal hat sie die USA bei der Biennale in Venedig vertreten, ausgewählte Originale aus den 80ern wu