Die verrückte Lady

USA Colleen LaRose aus Pennsylvania wollte als Märtyrerin des Jihad den schwedischen Karikaturisten Lars Vilks töten. Jetzt muss sie mit lebenslänglich rechnen

Sie lebte in der Main Street in Pennsburg, was im Nachhinein paradox klingen muss. Ihr Apartment im zweiten Stock eines Mietshauses in einer Stadt im Staat Pennsylvania war unscheinbar, abgesehen von einem Windspiel und einem Stern, die vom Balkon hingen. Doch vor einer Woche erfuhr die Welt von Colleen LaRoses zweitem Leben, das mit der maßvollen Erscheinung, die sie nach außen hin darstellt, nicht viel gemein hat. LaRose ist blond, hat blaue Augen, ist 1,58 groß und laut ihrem Ex-Freund Kurt Gorman durch und durch bescheiden. „Mir kam sie ganz normal vor. Sie war ein guter Mensch“, sagte er gegenüber Philadelphia Daily News.
Für die FBI-Agenten jedoch, die sie spätestens seit vergangenem Juli auf Schritt und Tritt überwachten, erschien sie möglicherweise als gefährliche Möchtegern-Terroristin – fest entschlossen, zur Märtyrerin zu werden und die Pseudonyme Jihad Jane und Fatima LaRose zu verwenden.

Am 10. März wurde nun Anklage wegen eines geplanten Mordes an einem Schweden gegen sie erhoben. Angeblich wollte sie die Tat begehen, um „der ganzen Welt der Ungläubigen“ Angst zu machen. Auch wenn der Name in der Anklageschrift nicht auftaucht – sie soll es auf Lars Vilks abgesehen haben, einen Karikaturisten, der ein satirisches Bild mit dem Kopf des Propheten Mohammed auf dem Körper eines Hundes zeichnete. US-Medien berichten, der Fall LaRose stehe mit dem Fall von sieben Verschwörern aus Algerien, Kroatien, Palästina, Libyen und den USA in Verbindung, die in Irland verhaftet wurden. Al-Qaida soll auf die Ermordung Vilks eine Belohnung von 100.000 US-Dollar ausgesetzt haben.

Viel mit Katzen gesprochen

Für US-Sicherheitsexperten ist die Causa der 46-Jährigen LaRose ein Indiz dafür, dass Terroristen versuchten, weiße Amerikaner für ihre Sache zu rekrutieren, um so die strengen Sicherheitskontrollen leichter umgehen zu können. Davis Kris vom Justizministerium sagte, der Vorwurf, dass eine „Frau aus einer amerikanischen Vorstadt sich dazu bereit erklärt hat, in Übersee einen Mord zu begehen, unterstreicht die Dynamik der Bedrohung, mit der wir es zu tun haben.“ Michael Levy, Generalstaatsanwalt für Pennsylvania, meint: „Der Fall zeigt, dass Terroristen Amerikaner suchen, die ihre Sache unterstützen. Er erschüttert jeden Gedanken daran, wir könnten die Attentäter an ihrem Äußeren erkennen.“ LaRose wurde bereits am 15. Oktober verhaftet, als sie von einer Europa-Reise in die USA zurückkehrte, Einzelheiten des Falles wurden aber erst jetzt öffentlich gemacht, um internationalen Agenten die Möglichkeit zu geben, LaRoses Kontakte zu überprüfen. Sie sitzt im Bundesgefängnis in Philadelphia in Untersuchungshaft.

Aufgewachsen ist LaRose in Texas, 2004 zog sie nach Philadelphia. Sie neige zu exzentrischem Verhalten sagen Nachbarn in Pennsburg. „Sie war die sehr, sehr merkwürdige Lady von gegenüber. Wir nannten sie immer verrückte Lady“, sagt Eric Newell, und fügt hinzu, dass er trotzdem nie daran gedacht habe, sie könnte gefährlich sein. Seine Frau Kristy gab an, LaRose habe viel mit ihren Katzen gesprochen.

Erste Kontakte im Jahr 2008

Wann und warum LaRose zum Islam konvertierte, ist bislang unbekannt. Die Anklageschrift datiert ihrer Beteiligung an terroristischer Verschwörung auf Juni 2008 zurück, als sie angeblich unter dem Pseudonym Jihad Jane einen Kommentar auf YouTube gepostet haben soll, in dem sie schrieb, sie wolle unbedingt etwas tun, um den leidenden Moslems zu helfen.

Die jetzt erhobenen Vorwürfe geben einen detaillierten Einblick, wie sie über das Internet mit fünf voneinander unabhängigen und nicht namentlich genannten, aber bekannten Jihadisten in Europa und Südasien in Kontakt kam. Die erste Verbindung ergab sich angeblich Ende 2008 mit einer Kontaktperson aus Südasien, die „in den Heiligen Krieg ziehen und zum Märtyrer werden“ wollte.

Der Anklageschrift zufolge antwortete ihm LaRose, sie habe das gleiche Ziel. Am 20. Februar 2009 schrieb sie in einer Mail, dass sie dank ihrer äußeren Erscheinung gut mit vielen Menschen harmoniere, was dazu führen könne, „zu erreichen, was mir am Herzen liegt“. Im darauf folgenden Monat legte ihr eine Kontaktperson nahe, sie könne wegen ihrer Nationalität an viele Orte gelangen. LaRose soll zudem versucht haben, über das Internet Frauen mit Pässen und leichten Reisemöglichkeiten in Europa zu rekrutieren, um den gewaltsamen Jihad zu unterstützen.

Das FBI hat sie nun befragt, ob sie als Jihad Jane über das Internet finanzielle Mittel für terroristische Zwecke eingetrieben und Beiträge auf terroristischen Websites gepostet habe – ohne Erfolg. Am 23. August verschwand sie zum Erstaunen ihres Freundes plötzlich aus ihrem Apartment. „Ich kam nach Hause, und sie war weg“, erzählt er und fügt hinzu, dass sie seinen Ausweis gestohlen habe. An diesem Tag reiste sie nach Europa und begann laut Anklageschrift ab Anfang September mit der aktiven Suche nach ihrem schwedischen Opfer, indem sie Mitglied in der Netz-Community des Künstlers wurde. Am 30. September versandte sie eine Mail, in der sie schrieb, es sei für sie „eine Ehre und ein großes Vergnügen, zu sterben oder zu töten“.
Aus unbekannten Gründen führte sie den Anschlag dann aber doch nicht aus und kehrte am 15. Oktober in die USA zurück und wurde dort verhaftet. Wenn sie verurteilt wird, erwartet sie lebenslange Haft und eine Strafe von bis zu einer Million Dollar.

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Geschrieben von

Ed Pilkington | The Guardian

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