Was denn nun?

Brexit Theresa May wird nicht müde, sich vor der Realität zu drücken. Es wird höchste Zeit für einen neuen Ansatz – sonst droht der Supergau
Vor unseren Augen könnte sich schon bald ein Tragödie abspielen
Vor unseren Augen könnte sich schon bald ein Tragödie abspielen

Foto: Tolga Kmen/AFP/Getty Images

Theresa Mays Backstop ist Donald Trumps Mauer – ein Aufheulen der Macht, konterkariert durch die unerbittliche Opposition einer demokratischen Versammlung. Mit der Präsentation ihres vermeintlichen Plan B am Dienstag stellt sich die Premierministerin weiter gegen die Abgeordneten, welche verzweifelt um einen parlamentarischen Konsens in Sachen Brexit ringen.

May wird den rechten Flügel ihrer Konservativen anflehen, einem vermeintlich verbesserten Abkommen in Bezug auf die Grenze in Irland zuzustimmen. Zwei Jahre lang haben Experten der Idee eines „Brexit mit offener Grenze“ zwischen Irland und Nordirland hintergejagt – sie haben nichts weiter gefunden als einen Widerspruch in sich. Man kann nicht gleichzeitig einer Zollunion angehören und keiner Union angehören. May scheint offenbar zu glauben, sie könne ihre immer hinfälligere Regierungskoalition vom Gegenteil überzeugen. Dieses Mal bleiben ihr allerdings eher Stunden als Tage, um dies unter Beweis zu stellen.

Von Anfang an strebte May – zurecht – einen Deal an, dem eine Mehrheit der im Unterhaus vertretenen Parteien zustimmen könnte. Sie könnte unmöglich ihre Autorität bewahren, wenn ein Drittel ihrer eigenen Abgeordneten gegen sie wäre und nur Jeremy Corbyns Labour-Partei sie unterstützen würde. Vergangene Woche ist sie mit dieser Taktik auf die Nase gefallen. Sie hätte Corbyns Angebot – Aufnahme von parteiübergreifenden Gesprächen gegen den endgültigen Ausschluss der No-Deal-Option – als Bluff vorführen können. Doch stattdessen verlor sie die Nerven. Sie brachte es nicht über sich, die Einheit ihrer Partei zugunsten des nationalen Interesses zu opfern.

Eine Debatte in Gang bringen

Insofern sich May nicht vollständig von der Realität verabschiedet hat, muss ihr klar sein, dass die Option, die von einer steigenden Zahl einflussreicher Abgeordneter aus allen Parteien vertreten wird, jetzt die vernünftigste ist. Wie die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper, die Tory-Abgeordnete Nicky Morgan und andere ausgeführt haben, soll der Vollzug von Artikel 50 zum EU-Austritt verschoben, ein No-Deal-Brexit ausgeschlossen, bisherige „rote Linien“ zurückgenommen und eine Debatte darüber in Gang gebracht werden, welche Art von Brexit das Land denn wirklich will.

Diese Debatte hätte eigentlich schon vor Jahren stattfinden müssen. Dass sie nicht angestoßen wurde, dafür trägt Theresa May die Verantwortung. Eine solche Debatte wäre nicht, wie Handelsminister Liam Fox jüngste behauptete, gegen den Brexit gerichtet. Vielmehr wäre sie ein sinnvolles Zugeständnis an die, die den EU-Austritt befürworten – vorausgesetzt, eine Revision des Referendums würde von vornherein ausgeschlossen. Eine solche Debatte hätte zum Ziel, die Frage zu beantworten, die das Referendum schlichtweg offengelassen hat: Wenn Brexit, dann welcher?

Dass Theresa May diese Debatte auf eine Minderheit von Hardlinern innerhalb ihrer eigenen Partei beschränkt hat, ist unverzeihlich – das Scheitern dieses Vorgehens ist offenkundig. Es gibt ausdrücklich keine parlamentarische Mehrheit dafür, die EU ungebremst mit einem Knall und ohne weiters Abkommen zu verlassen. Doch May riskiert nun genau das. Das Parlament muss sich zu einer Einheit zusammenfinden und sie aufhalten.

Simon Jenkins ist Kolumnist des Guardian

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Simon Jenkins | The Guardian

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