Doppeltes Spiel

Terror Eigene Leute bei Al Qaida einzuschleusen, gelingt westlichen Geheimdiensten und ihren Verbündeten kaum. Der Unterwäschebomber scheint ein seltenes Beispiel zu sein

Über erfolgreiche Infiltrationen des Al-Qaida-Netzwerks war in den letzten Jahren kaum etwas zu hören. Das liegt zum Teil daran, dass solch heikle Operationen streng geheim sind. Aber auch daran, dass sie nur sehr, sehr selten gelingen. Selbst nahöstlichen Geheimdiensten fällt es immens schwer, Agenten bei Al-Qaida-Ablegern oder gar in den engmaschigen Kern der Gruppe einzuschleusen oder von dort anzuwerben. Westliche Geheimdienste kollaborieren zu diesem Zweck, soweit bekannt, immer mit Verbündeten wie Saudi Arabien, die über die nötigen lokale Expertise, Sprachkenntnisse und den kulturellen Hintergrund verfügen.

Der Fall des „Unterwäschebombers“ scheint nun ein Paradebeispiel für eine gelungene Mission zu sein. Die Operation lief mit saudischen Partnern – hochrangige CIA-Beamte nahmen regelmäßig Platz auf den tiefen Sofas in den Riader Büroräumen von Prinz Mohammed bin Nayef, der die Sicherheitsangelegenheiten des Königreichs leitet. Der Agent scheint nicht nur einen ausgeklügelten Anschlagsplan vereitelt, den Sprengsatz an seine Auftraggeber ausgehändigt und Informationen weitergeben zu haben, die zur Tötung eines der militantesten lokalen Al-Qaida-Führers führten. Am Ende kam er offenbar auch sicher aus der Sache herausgekommen.

Wenn stimmt, was uns gesagt wird, dann handelt es sich um einen großen Schlag. Die Tatsache, dass er sich gegen die Al Qaida auf der arabischen Halbinsel richtete, macht ihn umso bedeutsamer. Unklar ist, seit wann die Operation in Gange war. Vor über zwei Jahren erhielten westliche Geheimdienste Informationen, mit Hilfe derer die Paketbomben aufgespürt werden konnten, die aus dem Jemen an Ziele in den USA verschickt worden waren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Mann, der den Jemen im vergangenen Monat mit einer Bombe in der Unterhose verließ, auch damals die Quelle war.

"Bin bei KSM"

Wie gesagt, derartige Operationen sind selten, aber sie sind auch nicht vollkommen unbekannt. Zu den Erfolgen zählte die Gefangennahme von Khalid Scheich Mohammed, dem wichtigsten Planer der Anschläge vom 11. September 2001, der 2003 in der nordpakistanischen Garnisonsstadt Pawalpini gefasst wurde. Ein Mann aus dem nahen Umfeld Mohammeds, der für den pakistanischen Geheimdienst ISI und die CIA arbeitet, schrieb seinen Auftraggebern während eines Abends, an dem er mit dem Gesuchten aß und sich unterhielt, von einer Toilette aus per SMS: „Bin bei KSM.“

Wenige Stunden später war die Nummer Drei der Al Qaida in Gewahrsam der pakistanischen Behörden, die ihn später an die USA auslieferten. Im kürzlich erschienen Buch Hunting in the Shadows des Analysten Seth Jones ist zu lesen, der Verfasser dieser SMS sei von den USA großzügig belohnt worden. Die Motive der Quelle scheinen vorrangig finanzieller Natur gewesen zu sein, ihre Identität sei noch nicht einmal dem damaligen Präsidenten George W. Bush offenbart worden, berichtet Jones.

Im vergangenen Jahr erfuhr der Guardian von einem britischen Offiziellen, dass Insiderinformationen aus Übersee – vermutlich Pakistan – es den britischen Geheimdiensten ermöglicht hätten, zwischen 2008 und 2009 mindestens einen gegen Großbritannien gerichteten Anschlagsplan zu vereiteln. Zeugenaussagen aus mehreren Verfahren der jüngsten Jahre ließen vermuten, dass zeitweise zumindest in eher marginalen Qaida-Gruppen in Pakistan und anderen Ländern Geheimdienstagenten platziert wurden.

Spektakulärer Reinfall

Genauso gab es aber auch spektakuläre Fehlschläge. Der offenkundigste ereignete sich im Dezember 2009, als ein jordanischer Arzt sich im CIA-Büro einer US-Basis in Afghanistan in die Luft jagte und dabei sieben CIA-Beamte tötete. Humam Khalil Abu Mulal al-Balawi war von der CIA und dem jordanischen Geheimdienst rekrutiert worden, nachdem er in seinem Heimatland wegen vermeintlich pro-extremistischer Aktivitäten aufgegriffen worden war. Offenbar hat er seinen Dschihadismus aber nie aufgegeben. Sein Versprechen, seine Auftraggeber zu Ayma al-Zawahiri, dem damaligen Vize- und jetzt obersten Chef von Al Qaida zu führen, war nie glaubhaft.

Vor seinem Tod zeichnete Balawi ein Video auf, in dem er behauptete, Millionen Dollar als Gegenleistung für Arbeit für die USA abgelehnt zu haben. Auch dieser Fall war allerdings eine Ausnahme. Wie von den meisten Erfolgen wird auch von den meisten Reinfällen nichts berichtet.

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Jason Burke | The Guardian

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