Ein fast freiwilliger Schnitt

EU-Gipfel "Haircut" in den frühen Morgenstunden: Mit Sicherheit mussten Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere europäische Staatschefs Druck auf die Banken ausüben

Es ging sicher nicht ganz ohne Muskelspiele, als Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Staatschefs sich heute in den frühen Morgenstunden mit Vertretern des Interessenverbandes der Bankenindustrie, dem Institute of International Finance, zu direkten Gesprächen trafen. Die Verhandlungen hatten sich zuvor festgefahren, die Atmosphäre, in der die Politiker versuchten, den Wertpapierbesitzern den größtmöglichen Schuldenschnitt (Haircut) abzuringen, dürfte wohl ziemlich angespannt gewesen sein. Charles Dallara, der Chefunterhändler für den IIF, machte deutlich, dass das Treffen mit Merkel und Co kurz nach Mitternacht von entscheidender Bedeutung war: „Es bedurfte eines Treffens auf dieser Ebene, um zueinander zu finden.“

Das heißt aber nicht, dass Dalara sich die Vereinbarung nicht hätte versüßen lassen. Während für Griechenland der Nennwert seiner Anleihen um 50 Prozent reduziert wird, gibt es noch keine Übereinkunft darüber, wie sich dies für die Besitzer der Staatsanleihen auswirken wird. Ein Teil des Rettungspaktes für Griechenland könnte darauf verwendet werden, die Verluste der Anleger zu reduzieren. Im Juli hatten diese sich bereits widerwillig bereit erklärt, einen Abschlag von 21 Prozent hinzunehmen. Dass sie nun, nur drei Monate später, erneut gebeten werden, nochmal Verluste in der gleichen Größenordnung zu schlucken, zeigt, wie groß die Probleme Griechenlands sind.

Jane Foley, Chefstrategin in Fragen der Währungspolitik bei der Rabobank, sieht es so: „Die Europäische Währungsunion konnte die Katastrophe zwar abwenden, es gibt aber immer noch viele Bedenken mit Blick auf ihre Zukunft. Der Rettungsplan, der gestern Abend beschlossen wurde, weist noch immer viele Löcher auf." Der 50-prozentige Abschlag auf griechische Anleihen, dessen Akzeptanz vom privaten Sektor erwartet wird, ist nur dem Grundsatz nach vereinbart. Während die jüngsten 130 Milliarden an Sicherheitsleistungen für Griechenland zum Teil dazu dienen, die griechischen Banken wieder mit ausreichend Kapital zu versorgen, gelten andere Institute, insbesondere in Frankreich, immer noch als gefährdet.

Freiwilligkeit spart Geld

Niemand, der Anleihen zeichnet, möchte, dass diese nicht im vollen Wert zurückgezahlt werden. Aber Dallara legte am Donnerstag besonderen Wert darauf, dass der IIF freiwillig zugestimmt hat: "Wir werden nicht dazu gezwungen“. Denn für manche Marktsegmente ist diese Freiwilligkeit von entscheidender Bedeutung. Hedgefonds und Banken verkaufen Kreditausfallversicherungen. Und da wiederum könnte eine Auszahlung drohen, wenn ein Land wie Griechenland einen großen Teil seiner Schulden nicht mehr zurückzahlen kann.

Gavan Nolan, Kreditanalyst bei der Markit, betont, nicht die Höhe des Kreditausfalls sei von Bedeutung, sondern die Art und Weise: "Es geht darum, dass die Zeichner der Staatsanleihen zugestimmt haben. Es geht nur darum, dass dies freiwillig geschehen ist." Diejenigen, die sich gegen den Verlust mit einer Kreditausfallversicherung zu schützen versuchten, dürften sich nun fragen, warum sie sich überhaupt die Mühe gemacht haben.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Jill Treanor | The Guardian

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