Ein linker Amerikaner

Ted Kennedy Der verstorbene demokratische Senator Edward Kennedy hat in den vergangenen Jahrzehnten wie kaum ein anderer die Sozial- und Bildungspolitik in den USA geprägt

Politiker beginnen ihre Karriere oft als Idealisten und enden als Opportunisten. Wenn überhaupt, dann machte es Senator Edward Kennedy ganz anders. Er begann als privilegierter Machtpolitiker, war am Ende aber ein Mann, der für seine Überzeugungen verehrt wurde. Einfach war es freilich nie mit Ted Kennedy. Schon 1965 setzte er sich als 33-jähriger Senator bravourös, aber erfolglos für die Stärkung des Wahlrechtsgesetzes, des Voting Rights Act, ein und forderte ein Verbot von Kopfsteuern. Die wurden seinerzeit erhoben, um arme schwarze Wahlberechtigte davon abhalten zu können, sich als Wähler registrieren zu lassen. Noch in der vergangenen Woche kämpfte er – um im Senat die höchstmögliche Stimmenzahl für die Gesundheitsreform zu sichern - mit vollem Einsatz gegen die politische Maschinerie der Demokraten in Massachussets, damit sein Platz im Senat nach seinem Tod rasch neu besetzt werden würde.

Unbestreitbare Verdienste

Letztendlich war Edward Kennedy ein Politiker, der sich seine Sporen verdient und für seine Fehler bezahlt hat. Die laxe Nonchalance, die in frühen Jahren sein Privatleben kennzeichnete und 1969 in der von Lügen umwebten Tragödie von Chappaquiddick kulminierte (er verunglückte damals mit seiner Wahlkampfhelferin Mary Jo Kopechne, die dabei ums Leben kam, meldete den Unfall aber erst neun Stunden später der Polizei) schien ihn als leichtgewichtigen Politik-Playboy zu charakterisieren. Doch je älter er wurde – besonders nach der gescheiterten Präsidentschaftskandidatur von 1980 – desto radikaler und effektiver betrieb er Politik. Er war ein Schwergewicht in jeder Beziehung. Edward Kennedy war nicht nur die Spitze des liberalen amerikanischen Widerstandes in einer Ära des konservativen Triumphalismus, sondern zählte in den Jahrzehnten des Kulturkampfes auch zu Amerikas wirkungsvollsten Autoren und Wegbereitern von Gesetzen.

In Westeuropa ist man schnell dabei, besonders die Skandale und Mythen um den Kennedy-Clan und dann vor allem Edwards Part beim Friedensprozess in Nordirland hervorzuheben. Doch ausschlaggebender für seinen Platz in der Geschichte sind seine Leistungen als Senator. Von Bürgerrechten über Einwanderungsgesetze bis hin zu Bildungs- und Arbeitsthemen oder den Rechten behinderter Bürger hat er die US-Sozialpolitik auf all ihren Gebieten geprägt wie kaum ein anderer. Er arbeitete konstruktiv mit politischen Gegnern zusammen, zum Beispiel mit Bob Dole, um in der Reagan-Ära Bestrebungen abzuwehren, die Rechte der Wähler zu schwächen. Er kooperierte auch mit George W. Bush, um das „No Child Left Behind“-Bildungsgesetz von 2001 zu stärken.

Vermächtnis Gesundheitsreform

Edward Kennedy hat viel falsch gemacht und vieles falsch verstanden. Aber er hatte Recht, als es um den Irak-Krieg ging und verstand besser als viele Demokraten der Mitte, dass Barack Obama nach den Bush-Jahren der richtige Kandidat für die Demokratische Partei war. Er hatte Barack Obama bereits 2006 ermutigt, für das Präsidentenamt zu kandidieren. Als er sich öffentlich für ihn aussprach, war das ein entscheidender Moment im letztjährigen Wahlkampf. Ganz wie es ihm entsprach, verlangte Kennedy einen Preis für seine Unterstützung. Er wünschte, dass die allgemeine Gesundheitsversorgung oberste Priorität der Obama-Regierung sein würde. Wenn es dem amtierenden Präsidenten gelingen wird, dieses Versprechen einzulösen, könnte die Gesundheitsreform die größte unter den vielen Hinterlassenschaften Edward Kennedys werden.

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

The Guardian, Editorial | The Guardian

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